Alt 17.07.09, 17:39
So tickt die Börse: Dell vs Intel, Nokia vs Apple
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„Head & Shoulders is a Shampoo“ titelt eine amerikanische Börsenzeitschrift. Eine der bekanntesten Formationen der Charttechnik ist die Schulter-Kopf-Schulter-Formation (SKS), die man immer dann sieht, wenn einem Zwischenhoch ein noch höheres Hoch folgt, gefolgt von einem niedrigeren Hoch, das ungefähr auf dem Niveau des ersten Zwischenhochs liegt. Man malt dann eine linke Schulter, einen Kopf und eine rechte Schulter um diese Kurve und folgert daraus, dass die nächste Bewegung an den Börsen ein Kurssturz sein wird. Denn diese Formation steht im Buch der Charttechnik als „Top-Formation“, also als eine Formation, die den Hoch einer Börsenbewegung markiert, das Ende einer Rallye.

Aufgrund dieser sich herausbildenden Formation habe ich in den vergangenen Wochen immer wieder E-Mails von Lesern erhalten, die mich auch die Gefahr dieser Formation hinwiesen.

Und tatsächlich war die Ausbildung dieser Formation diesmal so klar und deutlich, dass man es nicht übersehen konnte. An den US-Börsen wird inzwischen viel mit automatisierten Handelssystemen gearbeitet, die solche Formationen automatisch erkennen und sich entsprechend positionieren. Doch in die Zukunft schauen können auch diese Systeme nicht, wie wir in diesen Tagen gesehen haben.

Denn statt nach unten durchzubrechen und, wie mir von vielen Lesern erklärt werde, auf die Tiefs vom März zurückzufallen startete eine fulminante Rallye. Ein Wochenplus von 6,5% im Dow Jones oder gar 7,1% im DAX gab es schon lange nicht mehr. Da haben die Charttechniker wohl falsch gelegen...

...und das wird teuer. Denn nun mussten sie ihre Shortpositionen in die steigenden Kurse hinein auflösen, sprich Aktien kaufen zu deutlich höheren Preisen. Diese erzwungenen Käufe (Short Squeeze) führten zu dem explosiven Gemisch, das für die heftigen Kursgewinne dieser Woche verantwortlich ist.

Head & Shoulders, wie SKS ins englische Übersetzt heißt, ist also nichts weiter als ein Haarshampoo. Eine brauchbare charttechnische Formation ist es zumindest nicht.

BERUFSBÄREN ZIEHEN DEN SCHWANZ EIN

Am Dienstag schickte ich bereits ein Update an die Heibel- Ticker PLUS Kunden in dem ich auf den Stimmungswandel von Meredith Whitney aufmerksam machte: sie hatte noch im März vom Untergang des Bankensektors gesprochen und ist ein verlässlicher Lieferant von Argumenten für Bären – egal in welcher Börsenphase. Sie hatte am Anfang der Woche positive Entwicklungen im Bankensektor beschrieben und bekundete somit mit viereinhalb Monaten Verspätung (und nach über 200% Gewinn im Bankensektor) ihre frühere Fehleinschätzung.

Meredith Whitney ist hübsch und wird sicherlich nach wie vor gerne von CNBC für Kommentare kontaktiert. Denn man hört ihr gerne zu und ist daher geneigt, solche „kleinen“ Fehler zu übersehen.

Mein anderer Spezi hingegen, Nouriel Roubini, Professor in New York, ist weder hübsch, noch verzeiht man ihm als Wissenschaftler gerne „kleine“ Fehler. Er sprach gestern Abend in Chile von einem möglichen Aufschwung noch Ende dieses Jahres. Roubini wird auch „Dr. Doom“ (Dr. Untergang) genannt, da er noch niemals von einer gesunden Wirtschaft gesprochen hat. Stets sieht er die Gefahren und die möglichen Katastrophen am Horizont.

Im März hatte Roubini noch zu Protokoll gegeben, dass ein Aufschwung auf keinen Fall vor 2010 zu erwarten sei. Ich hatte seine Aussage damals scharf attackiert und erntete dafür von meinen Lesern herbe Kritik.

Heute, nach 40% Kursrallye im DAX, revidiert Dr. Doom seine damalige Einschätzung. Die Börsen haben auf diese Meldung gestern Abend euphorisch reagiert, die Indizes sprangen nachbörslich um 1% an. Die Haltungsänderung vom Weltuntergangspropheten hin zu einer etwas weniger negativen Einschätzung reicht den Börsianern bereits aus, um in Champagnerlaune zu verfallen.

Doch nachdem Roubini die Schlagzeilen gesehen hat, in denen seine Aussage für den Kurssprung verantwortlich gemacht wurde, schickte er umgehen eine Richtigstellung hinterher: Man habe ihn falsch verstanden, er habe mit keinem Wort von einer möglichen Besserung der Wirtschaft gesprochen, er habe lediglich seine Auffassung bestätigt, das die Rezession 24 Monate in Anspruch nehmen werde und diese 24 Monate wären Ende erst des Jahres um.

Nun, in meinen Augen ist das Haarspalterei und der vergebliche Versuch, als Berufspessimist weiterhin ernst genommen zu werden. Ich bin gespannt, ob die Kritiker meiner harten Worte im März nun wenigstens ihren Fehler eingestehen.

QUARTALSBERICHTE BESTIMMEN DAS BÖRSENGESCHEHEN

Die Woche war voll mit Quartalsergebnissen, ich möchte nur einige wenige hier ins rechte Licht rücken:

DELL VERSUS INTEL

Dell hat Anfang der Woche die Erwartungen der Analysten nicht erfüllen können. Das Gejammer war groß, insbesondere die Gewinnmarge ließ zu wünschen übrig. Das wachsame Holzauge ist diesem Kommentar nachgegangen und hat herausfinden können, dass Dell in der anschließenden Pressekonferenz insbesondere über die gestiegenen Preise der Chipindustrie geklagt hat. Die Einkaufspreise sind in die Höhe geschnellt!

Einer der großen Kostenfaktoren eines PCs ist der Chip. Und bei Dell werden diese meistens von Intel geliefert. So war schon durch das Quartalsergebnis von Dell absehbar, dass Intel vermutlich ein gutes Quartalsergebnis wird ausweisen können.
Und tatsächlich konnte Intel insbesondere bei der Umsatzentwicklung punkten, die Preise konnten angehoben werden.

Mit anderen Worten: Es gibt eine Nachfrage nach Chips und nach PCs! Welch ein Unterschied zur Situation von vor drei Monaten, als die Umsätze selbst im Vergleich zum Vorquartals weiter zurück gingen. Diesmal stehen noch immer große Umsatzeinbrüche im Vergleich zum Vorjahresquartal zu Buche, doch sequentiell, also im direkten Vergleich zum Vorquartal, konnte ein leichter Umsatzanstieg verzeichnet werden.

Die Erwartungen sind also inzwischen tief genug, es gibt schon leicht positive Überraschungen.

GOLDMAN SACHS UND JP MORGAN VERSUS CIT GROUP

Während Goldman Sachs und JP Morgan kurz nach dem Beinahe-Kollaps des Finanzsektors wieder Rekordgewinne ausweisen geht eine große Mittelstandsbank vermutlich Pleite (Entscheidung steht heute aus!)

Insbesondere bei Goldman Sachs sieht man deutlich, wie schädlich die Streichung der Uptick-Rule war: Der Kurs wurde in der Krise auf 50 USD geprügelt, während Warren Buffet zu 120 USD mit seinem Statement „Buy American“ eine deutliche Position in dem Unternehmen einging. Heute steht die Aktie schon wieder bei 160 USD. Wie konnte das Unternehmen, das heute schon wieder Milliarden-Gewinne ausweist, vor kurzem nur ein Drittel dessen wert gewesen sein?

Es gibt zwei Antworten, die derzeit kursieren: Entweder der damalige Kurs war eine Fehleinschätzung (meine Meinung!), oder diese Finanzverbrecher haben selbst die Krise dazu nutzen können, um sich künftige große Gewinne zu sichern (Meinung der Weltuntergangspropheten, die ihren Irrtum nicht zugeben wollen).

Aber auch die Bären kriegen ihr Futter: CIT hat ähnlich wie Lehman Brothers massenweise Kredite für Studenten, für Hypotheken und für Gewerbeimmobilien vergeben und droht nun unter dem Gewicht der Abschreibungen in die Insolvenz zu rutschen. Besser gesagt: Das Unternehmen ist insolvent, wenn es nicht bis heute Abend einen Investor findet, der eine Milliarden-Spritze zur Hand hat.

Obama und seine Mannen haben schon abgewunken: Der Markt müssen solche Fehlentwicklungen korrigieren und die CIT Group sei nicht groß genug, um ein systemisches Risiko darzustellen. Mit anderen Worten: Eine Pleite von CIT kann nach Meinung der Obama-Administration derzeit vom Markt locker verkraftet werden.

Welch ein Unterschied: Der Markt nimmt diese Meldung gelassen auf und die Analysen über CIT, die ich finde, gehen unisono davon aus, dass eine Pleite tatsächlich kein Problem darstellt. Auch die Analysten, die vor einem Jahr vor der Lehman-Pleite gewarnt haben, sehen eine CIT-Pleite nicht als Problem an.

NOKIA VERSUS APPLE

Ach, zu Apple brauche ich an dieser Stelle nichts zu sagen. Der Erfolg von Apple ist auch im Ergebnis von Nokia zu sehen: Nokia verkauft seine Handys immer billiger, die Gewinnmarge sinkt und nur durch harte Kostensenkungsprogramme konnte das Unternehmen einen ordentlichen Gewinn ausweisen.

Nokia fehlt ein Kassenschlager wie das iPhone, und das merkt das Unternehmen nun deutlich. Aber der Markt kann unterscheiden, ob Nokia Probleme mit dem Wettbewerb hat, oder ob der Umsatzrückgang ein Anzeichen für eine anhaltende globale Rezession ist. Apple, Qualcomm, Research in Motion und Palm sind Beleg dafür, dass auch die Handy-Absatzzahlen schon wieder steigen.

Schauen wir uns einmal an, wie diese Woche verlaufen ist:


INDIZES (16.07.2009)

Dow Jones: 8.711 | 6,5%
DAX: 4.957 | 7,1%
Nikkei: 9.395 | 1,2%
Euro/US-Dollar: 1,411 | 1,5%
Euro/Yen: 132,3 | 3,2%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,56% | 0,2%
Umlaufrendite Dt: 3,13% | 0,1%
Feinunze Gold USD: $934,65 | 2,7%
Fass Crude Öl USD: $61,64 | 4,7%
Baltic Dry Shipping I: 3.501 | 16,0%



Einige Entwicklungen der Vorwoche wurden diese Woche einfach korrigiert: Der feste Yen ist diese Woche wieder schwächer geworden, in meinen Augen dürfte der Nikkei daher in der nächsten Woche noch etwas Nachholbedarf bei der Rallye haben. Der Gold- und der Ölpreis sind wieder etwas angestiegen, nachdem es in der Vorwoche zu einem Ausverkauf kam. Entsprechend der freundlicheren Konjunkturaussichten ist auch der Baltic Dry Index genauso heftig angesprungen, wie er in der Vorwoche gefallen war.

So heftig wie die Börsenrallye sprang auch die Stimmung unter den Privatanlegern an. Schauen Sie selbst:


SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
26.-03. Jul (159): 65% / 35%
03.-10. Jul (140): 73% / 27%
10.-17. Jul (153): 67% / 33%

ANALYSTEN KAUF
ASML Hldg., Alstom, Daimler

ANALYSTEN VERKAUF
Q-Cells, Lindt Sprüngli, Douglas


PRIVATANLEGER:
Aktuell 67% Bullen (+20%!!!, 76 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.722

PRIVATANLEGER KAUF
Q-Cells, Solarworld, Citigroup

PRIVATANLEGER VERKAUF
GM, Volkswagen, CIT


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Um 20% ist das Sentiment der Privatanleger aufgrund der Rallye in dieser Woche angesprungen. Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal einen so heftigen Stimmungswandel gesehen zu haben.

Der DAX ist heute früh endlich wieder über 5.000 Punkte gesprungen. Nun muss sich zeigen, ob die Rallye in diesem Sommer bereits weiter gehen kann, oder ob ein erneuter Rückschlag zu fürchten ist.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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