Alt 26.06.09, 16:34
So tickt die Börse: USA am Rande der Planwirtschaft?
Beitrag gelesen: 1332 x 

KOMMUNISTISCHE ZÜGE BERNANKES?

Wovor haben die Amerikaner wohl am meisten Angst? Nun, dass ihr Land in den Kommunismus abrutscht! Und genau diese Angst wird derzeit geschürt, so dass die Aktienmärkte keine Chance haben, nach oben zu laufen.

Am Mittwoch warf US-Senator Issa dem US-Notenbankchef (Fed-Chef) Ben Bernanke vor, bei der Übernahme von Merrill Lynch durch die Bank of America dem CEO der BofA die Pistole auf die Brust gesetzt zu haben, dass er Merrill zu einem bestimmten Preis zu übernehmen habe und andernfalls seinen job verlöre.

Nachdem schon die Einmischung von Obama bei General Motors, mit dem Resultat, dass Rick Wagoner seinen Hut nehmen musste, sehr kritisch gesehen wurde, ist dies nun mit Empörung von der Öffentlichkeit aufgenommen worden. Wie kann der Notenbankchef seine Macht so missbrauchen, um seine eigenen Interessen
durchzusetzen: Übernahmen sind noch immer privatwirtschaftliche Vorgänge und insbesondere die Preisfindung muss den beiden Vertragsparteien überlassen werden.

Doch Issa zückte E-Mails aus denen seiner Ansicht nach klar hervorgeht, dass Bernanke dem BofA CEO Ken Lewis mit Rausschmiss gedroht habe. Gestern gab es dazu eine Anhörung, in der Bernanke mit all diesen Vorwürfen konfrontiert wurde und dazu Stellung nehmen konnte. Ich habe mir diese Anhörung angeschaut.

Es sind natürlich die Republikaner, also die Obama- und Bernanke fremden Senatoren, die den Vorwurf erheben. Doch die Beweisführung war sehr zweifelhaft auf der einen Seite, und die Umstände, in denen Bernanke dies getan haben soll, sind sehr turbulent.

Sie müssen sich die Situation vom vergangenen November in Erinnerung rufen: Lehman Brothers war kurz zuvor pleite gegangen und drohte, das Weltfinanzsystem aus den Angeln zu heben. Die Fed hatte alle Hände voll zu tun, den weltgrößten Versicherer AIG zu retten, einmal abgesehen von den dutzenden anderen Banken, die ebenfalls kurz vor der Insolvenz standen.

Obama hatte erst Anfang November die Präsidentschaftswahlen gewonnen, so dass alle Augen auf die Nominierung der neuen Regierungsmannschaft gerichtet waren, die scheidende Bush- Mannschaft hielt sich bewusst zurück, da das Wahlergebnis ein deutliches Zeichen gegen die Bush-Politik gesetzt hatte.

So blieb die Fed in dieser Situation als eine der wenigen Organisationen voll funktionstüchtig und Bernanke wandte sich in dieser Zeit von der Laissez-faire Politik Bushs ab. In den folgenden Wochen übernahm Bernanke die Verantwortung für die Finanzkrise und implementierte eine Vielzahl von liquiditätsschaffenden Maßnahmen im Markt: Zinsen auf Null, unlimitiertes Aufkaufen von Bankpapieren und Akzeptierung von CDOs und MBSs als Sicherheiten.

Sie kennen meine Ansicht zur Finanzkrise: Die Fed ist sicherlich mit Schuld an deren Erzeugung gewesen! Insbesondere Alan Greenspan war viel zu lasch mit seiner Geldpolitik.
Bernanke hat diese lasche Haltung lange Zeit übernommen und erst zum Jahreswechsel anlässlich der Wahl Obamas seine Strategie zum Positiven geändert. Ja, zum Positiven! Ich habe zum Jahresanfang deutlich gemacht, dass Bernanke aufgrund seines Strategiewandels vom Feind zum Freund von mir wurde.

Und wenn ich mir den Aufschwung an den Finanzmärkten betrachte, dann sind die weltweiten Konjunkturprogramme ein wichtiger Bestandteil, Bernanke hat diese direkt und unverblümt eingefordert, aber die Basis für den Aufschwung an den Börsen hat Bernanke gelegt indem er ausreichend Liquidität zur Verfügung stellte.

Sie können davon ausgehen, dass an der Wallstreet viele Händler wissen, dass die 40% Kursgewinn der vergangenen Monate Bernanke zu verdanken sind und nicht Obama und auch nicht Bush.

Und nun wird Bernanke als Kommunist an den Pranger gestellt.
Die E-Mail, die Issa als Beweis vorlas, stammt von einem Mitarbeiter Bernankes, der einem anderen Mitarbeiter eine mehrstündige Unterredung zwischen ihm und Bernanke in wenigen Sätzen zusammenfasste. Aus dieser E-Mail geht klar hervor, dass Bernanke die später gefundene Lösung für die Übernahme von Merrill durch BofA favorisierte und auch, dass er diese Lösung dem Management von BofA nahe legen wolle – doch eine Drohung über einen Rausschmiss von Lewis war dieser E-Mail nicht zu entnehmen. Das war eine sehr weit herbeigeholte Interpretation.

Soweit die Fakten. Ich persönlich kann mir darüber hinaus gut vorstellen, dass Bernanke, wenn er eben die vorgeschlagene Lösung als einzig gangbaren Weg betrachtete, überlegt haben mag, wie diese Lösung durchzusetzen sei, wenn Lewis sich quer stellen würde – was er zunächst tat. Aber von dort bis zum Rausschmiss ist noch ein weiter Weg und vor dem Hintergrund der Turbulenzen im November ist es nur zu verständlich, dass alle Möglichkeiten und Unmöglichkeiten auf den Tisch gebracht wurden.

Ich glaube aber, dass es noch einen anderen Hintergrund für diese Schmitzkampagne gibt: Obama spricht vollmundig von schärferen Regeln für die Finanzmärkte und stärkeren Kontrollen. Und so wie es derzeit aussieht, sollen die Kontrollen überwiegend von der Fed koordiniert werden, was mit einer weiteren Machtzunahme der Fed einhergehen würde. Doch die Fed ist vielen bereits heute zu mächtig. Und, schlimmer noch, sie ist nach Ansicht vieler (auch Ihres Autors) maßgeblich Schuld an der US-Dollarabwertung, Internetblase und heute Immobilienblase.

In Europa mit einer unabhängigen EZB haben wir, einmal abgesehen vom Überschwappen der US-Probleme, kaum eigene Blasen, die uns zu schaffen machen.

Ich kann also die Angst der Amerikaner verstehen, der Fed noch mehr Macht in die Hände zu geben. Ich würde, so wie ich das schon vor 15 Jahren im Studium gelernt habe, das europäische System bevorzugen, wo die Fed weniger Macht hat, dafür aber vollständig unabhängig in ihrem Bereich ist.

Aber gut, lassen wir uns überraschen, was bei den Amis herauskommt. Derzeit reicht es mir zu wissen, dass im Rahmen der Verhandlungen über die neuen Finanzmarktregeln und – kontrollen immer wieder Schmutz in Richtung Fed und Bernanke geworfen wird.


INDIZES (25.06.2009)

Dow Jones: 8.472 | -1,0%
DAX: 4.800 | -0,8%
Nikkei: 9.877 | 0,9%
Euro/US-Dollar: 1,406 | 1,0%
Euro/Yen: 134,68 | -0,1%
10-Jahre-US-Anleihe: 3,55% | -0,3%
Umlaufrendite Dt: 3,15% | -0,1%
Feinunze Gold USD: $943,65 | 1,1%
Fass Crude Öl USD: $71,10 | -1,8%
Baltic Dry Shipping I: 3.703 | -9,1%



Unterm Strich hielt der Verkaufsdruck an den Börsen an. Dies vor dem Hintergrund des Quartalsendes macht mich skeptisch und ich bin froh, dass wir einige spekulative Positionen verkleinert haben. Dies geht auch einher mit dem überraschend positiven Sentiment, wie Sie im Folgenden sehen:


SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen

05.-12. Jun.(129): 68% / 32%
12.-19. Jun (155): 66% / 34%
19.-26. Jun (137): 75% / 25%

ANALYSTEN KAUF
Hannover Rück, Qiagen, Dt. Börse

ANALYSTEN VERKAUF
Porsche, Peugeot


PRIVATANLEGER:
Aktuell 57% Bullen (-5%, 79 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.785

PRIVATANLEGER KAUF
Lufthansa, Dt. Bank, Baidu

PRIVATANLEGER VERKAUF
Q-Cells, Lennar, Peabody


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise
erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Zumindest die Analysten sind in der abgelaufenen Woche extrem bullish geworden. Die Privatanleger hingegen sehen die Lage etwas skeptischer, die Bullen unter ihnen befinden sich auf dem Rückzug.


EZB IST HINTER DEN KULISSEN AKTIV

Während die Fed ihre Aktionen stets sehr öffentlichkeitswirksam unternimmt, handelt die EZB eher vorsichtig und möglichst unbemerkt. So hat die Fed diese Woche nach ihrer turnusgemäßen Sitzung ihre Entscheidung über die weitere Leitzinsentwicklung mit so ziemlich den gleichen Worten bekannt gegeben, wie beim letzten Mal.

Wenn Sie also irgendwo gelesen haben, dass die Zinsentscheidung der Fed für den Kurseinbruch verantwortlich war, dann ist das falsch. Die Fed vertritt konsequent die Ansicht, dass das Zinsniveau für eine „lange Zeit niedrig bleiben wird". Das ist bullish und die Bestätigung dessen ist ebenfalls bullish. Dies kann also kein Grund für den Ausverkauf gewesen sein, es war vielmehr die Denunziation Bernankes.

Die EZB hat am Mittwoch dieser Woche 442 Mrd. Euro an Banken gegeben. Das Ganze nennt sich „Einlagenfazilität", die ca. 1.000 europäischen Banken, die dies nutzen können, sollen dadurch zur Kreditvergabe ermutigt werden. Die Verzinsung dieser Milliarden beträgt nur 1%, die Laufzeit ist auf ein Jahr beschränkt.

Damit hat die EZB das Problem adressiert, dass die Banken derzeit ihre Bilanzen aufbessern, gleichzeitig aber nicht ihrer Pflicht nachkommen, die Wirtschaft mit Krediten zu versorgen.
Die Banken verleihen derzeit nur sehr ungern Geld, ich habe ja in einigen Analysen darauf hingewiesen, dass die Wirtschaft noch immer Liquiditätsprobleme hat.

Die Vergabe der günstig verzinsten 442 Mrd. Euro soll nun dazu führen, dass Banken wieder verstärkt Kredite ausgeben. Bei einer Verzinsung von rund 4% ist der Spread, also die Zinsdifferenz, attraktiv genug für die Banken, um wieder ein wenig Risiko einzugehen.

Wir kommen also wieder dahin, dass Banken einfach nur günstig Geld entgegen nehmen, von Sparern und, wie in diesem Fall sogar von der EZB und dass sie dieses Geld zu einem höheren Zins verleihen. Jeden Tag verdient die Bank damit Geld, solange der Spread nur attraktiv genug ist – und das ist derzeit der Fall.

Ich weiß, ich werde nun wieder eine Reihe von Leserbriefen erhalten, die mich darauf hin weisen, dass es doch sehr schlimm um den Bankensektor bestellt sein muss, wenn die EZB solch günstige Kredite ausgibt. Und die heutige Meldung der UBS über eine Aktienplatzierung im Wert von 3,5 Mrd. Euro scheint den Kritikern recht zu geben.

Aber ich sehe das anders: Zum einen ist es der UBS heute möglich, Aktien im Wert von 3,5 Mrd. Euro zu platzieren. Das war vor 3 Monaten noch nicht der Fall. Und zum anderen führt dies dazu, dass die Bankbilanzen, die noch vor wenigen Monaten reihenweise auf eine Insolvenz zusteuerten, nun wieder gesunden.

Die Zurückhaltung bei der Kreditvergabe ist nach den Erfahrungen des letzten Jahres verständlich und da ist es nun einmal notwendig, dass die EZB ein wenig motiviert.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 21:00 Uhr.
Top 



copyright: imagine Grafik - DTP - Webdesign - [AGB / Datenschutz]