Alt 06.07.12, 11:52
Standard Gespanntes Warten auf den US-Arbeitsmarkt
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Erneut herrscht an den Finanzmärkten Zurückhaltung vor einem wichtigen Ereignis. Nachdem am Vortag noch mit Spannung auf die Entscheidungen der Notenbanken gewartet worden war, sind es diesmal die US-Arbeitsmarktdaten. Und die Erwartungen sind erneut sehr hoch. Doch diesmal stehen die Chancen auf eine positive Überraschung etwas besser. Denn der als guter Vorläufer geltende ADP-Arbeitsmarktbericht fiel am Vortag besser als erwartet aus. Und auch die Beschäftigungskomponente des ISM-Index für den Dienstleistungssektor legte zu.

Dennoch gehen Anleger vor der Veröffentlichung der Daten etwas in Deckung und bauen tendenziell Positionen ab. Der Euro-Stoxx-50 verliert 0,5 Prozent auf 2.274 Punkte, für den DAX geht es um 0,5 Prozent nach unten auf 6.505 Punkte. Der Euro kommt nach seinem Absturz am Donnerstagnachmittag nicht auf die Beine. Er bewegt sich unterhalb von 1,24 Dollar in engen Grenzen seitwärts.

Ökonomen schätzen, dass die Zahl der Beschäftigten in den USA im Juni um rund 100.000 gestiegen ist. Allerdings dürften nach den guten ADP-Vorgaben die Erwartungen gestiegen sein, so dass die Flüsterschätzungen eher höher liegen.

Marktexperte Cameron Peacock von IG Markets macht folgende Rechnung auf: Sollte die US-Beschäftigung um 100.000 Stellen zugenommen haben, befänden sich die Märkte im "Niemandsland". Um die Kurse stärker zu bewegen, benötige es eines Ausreißers. Eine handfeste positive Überraschung dürfte für neue Zuversicht sorgen und könnte eine Rally lostreten. Auf der anderen Seite könnte aber ein "negativer Schocker, auf den einige Akteure setzen, die Fed endlich zu noch mehr geldpolitischen Lockerungen bewegen". Auch das könnte die Akteure an den Börsen dann zu Käufen inspirieren.

Zum Euro-Absturz nach den mit Enttäuschung aufgenommenen Beschlüssen der EZB am Donnerstag meint Devisenstratege Peter Kinsella von der Commerzbank. "Der Euro hat einen Schlag abbekommen, aber damit ist es noch nicht vorbei". "Dem Eindruck, dass die Notenbanker zunehmend verzweifelt wirken, kann man sich kaum mehr entziehen", kommentiert Westpac-Stratege Russell Jones die jüngste Zinssenkung auf 0,75 Prozent, die wider einiger Hoffnungen im Markt von keinen weiteren geldpolitisch expansiven Maßnahmen flankiert wurde.

Am Anleihemarkt sorgen diese fehlenden zusätzlichen Maßnahmen der EZB dafür, dass die Renditen spanischer und italienischer Anleihen ihr wieder deutlich erhöhtes Niveau festigen. Die spanische Zehnjahresrendite nähert sich mit 6,90 Prozent wieder der 7-Prozent-Marke, nachdem sie vor wenigen Tagen im Nachklapp auf die Beschlüsse des EU-Gipfels zu den Finanzhilfen für die Banken noch auf dem Weg Richtung 6 Prozent zu sein schien. Auf der anderen Seite sinkt die Rendite der als Fluchthafen geltenden deutschen Bundesanleihen leicht auf 1,37 Prozent. "Das Fehlen neuer Liquiditätstender bzw. auch nur eines Planes dafür ist negativ für die Peripherie", stellt die Royal Bank of Scotland fest.

Am europäischen Aktienmarkt macht sich die Vorsicht der Anleger darin bemerkbar, dass wenig zyklische bzw. defensive Aktien bevorzugt werden. An der Spitze stehen Pharma- und Nahrungsmittelwerte. Am anderen Ende des Kurstableaus rangieren die zyklischen Automobiltitel und Rohstoffpapiere. Auch die Bankenwerte zeigen sich mit Abgaben.

Mit BBVA, Santander, UniCredit und der portugiesischen Banco Espirito Santo tendieren Bankenaktien der Euro-Peripherie sehr schwach. Der Euro-Stoxx-600-Bankensektor hat seit Donnerstag knapp 5 Prozent eingebüßt. "Die Zinssenkungen der EZB hatten so gut wie keinen nennenswerten positiven Effekt auf die Kurse", sagt ein Händler. Stattdessen orientierten sich die Anleger an den Renditen, die erneut steigen.

Bei den Autowerten verliert die Peugeot-Aktie 6,3 Prozent. Ein Absatz-Einbruch im ersten Halbjahr 2012 in Südeuropa von knapp 11 Prozent drückt hier auf die Stimmung. Besonders schlecht lief es für die Franzosen in Italien. Dort brach der Absatz um gut ein Fünftel ein. Auf dem Heimatmarkt gingen die Verkäufe um gut 13 Prozent zurück.

Am deutschen Aktienmarkt ist Brenntag das Gesprächsthema Nummer eins. Das Beteiligungskonsortium Brachem steigt endgültig bei Brenntag aus und verkauft seinen restlichen Anteil von 13,7 Prozent. Platziert wurden die Papieren offenbar zu 89 Euro je Stück, was einem Gesamtvolumen von 625 Millionen Euro entspricht. "Die Platzierung ist abgeschlossen, der Aktienkurs pendelt sich nun auf dem Niveau des Platzierungspreises ein", sagt ein Händler. Mit dem Platzierungspreis rund 3 Prozent unter dem Schlusskurs vom Donnerstag sei der Abschlag vergleichsweise gering, nicht zuletzt angesichts der Größe des Aktienpakets. Die Brenntag-Aktie verliert 3,6 Prozent auf 88,50 Euro.

Unter Druck stehen Software-Aktien wie SAP und Software AG mit Verlusten von jeweils knapp 3 Prozent. Händler begründen diese mit einer Gewinnwarnung des US-Software-Unternehmens Informatica. Das Unternehmen hat am Vorabend die Gewinnprognose um rund ein Viertel gesenkt, woraufhin die Aktie um 26 Prozent einbrach. Man habe sich nicht rasch genug auf das sich verschlechternde konjunkturelle Umfeld vor allem in Europa eingestellt, begründet Informatica die Gewinnwarnung.

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