Alt 21.06.09, 05:05
Die Börse zwischen Vision, Fata Morgana, Halluzination und harten Realitäten
Beitrag gelesen: 1666 x 

Die Börse ist im Moment in dem Spannungsfeld zwischen Visionen, Hoffnungen, Fata Morganas (=Wunschvorstellungen), Halluzinationen (erdachten Realitäten) und „harten“ Realitäten (=Fakten). Ich bin sehr für visionäres Management auch für Politkern mit glaubhaften Visionen und Obama ist hier sicherlich der richtige Mann zur richtigen Zeiten am richtigen Platz. Nur könnte sich Visionen als Fata Morgana (=unerfüllbare Wunschvorstellung) herausstellen und Hoffnungen könnten zu Halluzinationen oder Seifenblasen werden. Obama will die Finanzaufsicht in den USA revolutionieren und damit eine „heilige Kuh“ schlachten. Ob sein Programm durch den US-Kongress kommt, ist noch fraglich. Letztendlich entscheiden an der Börse nach einer gewissen Zeitverzögerung immer die „harten Wirtschafts-Realitäten“. An der Börse werden aber zu 80% nur Zukunftserwartungen über wirtschaftliche Prozesse gehandelt und dies war auch einer der Gründe, warum die Börse sich in den letzten 3 Monaten trotz schlechter Konjunkturdaten wieder nach oben bewegen konnte.

Einige Stimmungsindikatoren wie der ZEW-Indikator, aber auch andere Frühindikatoren sowie der Baltic Dry–Index für Frachtraten drehten nach oben; zudem steigen einige Rohstoffpreise wie Kupfer, Nickel und Öl stark an. Dies machte Hoffnung, dass wir im 2. Halbjahr eine (nachhaltige?) Konjunkturerholung bekommen werden. Ich habe absichtlich bei „nachhaltig“ ein Fragezeichen gemacht, denn auf die Nachhaltigkeit wird es in 2009/10 ankommen. Ein bloßes Strohfeuer kann sich kein Land aufgrund de Mega-Verschuldung mehr leisten. Wird die Konjunkturerholung „nachhaltig“ sein oder ist sie nur das Ergebnis von einigen Bestandteilen von staatlichen Konjunkturprogrammen wie die Abwrackprämie, die übrigens jetzt in etwas modifizierter Form auch in den USA eingeführt wird. Falls die Konjunkturerholung nicht nachhaltig sein sollte, wird das dem Steuerzahler mittelfristig viel Geld kosten.

In Osteuropa verbesserten sich im Mai einige Konjunkturindikatoren wie Kapazitätsauslastung und Industrieproduktion, die ebenso wie in den USA in den Monate Januar bis April im zweistelligen Prozentbereich einbrachen und auf eine tiefe Rezession hindeutete. Wir werden sehen, was die Sommermonate ergeben, aber hier glaube ich mehr an fortgesetzten Erholungstendenzen auf niedrigem Nivea, was die Börse wohlwollend mit steigenden Kursen honorieren könnte. Auch die Währungen haben sich merklich stabilisiert, obwohl die BRIC-Länder die Abwendung vom Dollar forcieren und eine eigene BRIC-interne Handelswährung schaffe wollen. Deswegen findet jetzt auch ein Treffen in Ekaterinburg (Russland) statt. Es wird demnächst wohl einige Vorschläge zu Währungsreformen geben, um nicht von Dollarschwankungsrisiko so abhängig zu sein. Vor allem kommt der chinesische Yuan als neuer Weltreservenwährung immer mehr in die Diskussion. Im Moment ist der Yuan als Handelswährung noch nicht akzeptiert. Diese Diskussionen gehören also in die Rubik Visionen, aber keinesfalls langfristig in die Rubrik Fata Morgana.

Eine weitere harte Realität sind die leere Staatskassen und die zunehmende Verschuldung in den USA. Sie beträgt jetzt schon 375% des BIP unter Einbeziehung von Pensionszusagen und Verpflichtungen der Gesundheitswesen, die oft fälschlicherweise aus der staatlichen Verschuldungsquote herausgerechnet werden. Wenn man in den USA Gebietskörperschaften und Gemeinden einbezieht, ist die Staatsverschuldung schon 100% des BIP und damit fast auf dem Niveau von Italien oder Belgien. In Deutschland nähern wir uns der 70%-Marke bei der Staatsverschuldungsquote, was auch viel zu hoch ist, In einer vernünftigen Bilanz müssen aber auch zukünftige Verpflichtungen bilanziert werden. Die Verschuldung der USA beträgt jetzt schon 53 Billionen USD, die über den Anleihenmarkt finanziert werden. Das Volumen des US-Anleihenmarktes beträgt auch schon über 50 Billionen USD und weltweit über 100 Billionen USD. Gekauft haben dies in erster Linie Pensionskassen, Versicherrungen sowie Notenbanken. Nun kommt aber eine neue Lawine von Staatsanleihen auf den Markt. Wenn diese nicht von Anleihenkäufern absorbiert werden steigen die Zinsen. Dies würde dann wieder dramatisch die Zahllast des Staates erhöhen. Die Zinslast macht jetzt schob über 25% des Staatshaushalt bei einigen Ländern aus. Wenn nun die Zinsen steigen sollten, könnten die Staaten schnell an der Rand der Pleite kommen. Vor allem ist dann wenig Geld für soziale zwecke, Gesundheit und Bildung vorhanden (am Militäretat widre eigenartigerweise auch in den USA nicht gekürzt – die Rüstungslobby lasst weltweit grüßen!) Auch diese latenten Gefahren müssen gesehen werden.

Im Auge müssen wir auch weiterhin einige gefährdete Länder wie Litauen, Lettland, Ukraine und Türkei behalten, wo wohl wieder einmal der IWF aushelfen muss. Dies ist wiederum notwendig, um einen Dominoeffekt zu vermeiden. Die USA kann aber nur die FED bzw. die Geldruckmaschinen im Moment helfen. Die USA kritisieren Europa, dass die Konjunkturprogramme zu zögerlich seien; Europa mahnt umgekehrt die USA (FED) an, die Ausgabenwut einzuschränken. Und jeder hat aus seiner Sicht der Dinge recht.

Ich kann es nur immer wieder betonen: die Kardinalfrage für das kapitalistische System wird sein, ob die Pferde in 2010/11 saufen werden, sprich ob die Konjunktur wieder anspringt. Die Ausweitung der Verschuldung ist eine Versündigung an die Nachfolgegeneration, denn irgendeiner muss zum Schluss die Zeche bezahlen. Letztendlich müssen Sie als Steuerzahler die Zeche bezahlen und Ihre Kinder und Enkelkinder noch mehr. Wie wird es also weiter gehen mit der Börse als Spiegel von Visionen, Hoffnungen, (Wunsch) Fata Morgana und harten Realitäten. Letztendlich entscheiden an de Börse immer die harten wirtschaftlichen Realitäten, wenn auch oft nur mit einer gewissen Zeitverzögerung, da die Börse zunächst an Visionen und Fata Morganas glaubt. Nächste Woche könnte die FED schon ein wichtiges Signal mit Langfristwirkung geben, nämlich, das die Zinsen im 4. Quartal wieder ansteigen könnten. Die US-Staatsanleihen haben sich schon 2 auf über 4% mehr als verdoppelt.

Die Börsen waren am Freitag sehr stabil, was auch das Auslaufen von Optionsterminen nicht verhindern konnte. Der DAX schloss am Freitag auf Vortagsniveau bei 4839 Indexpunkten und der S&P auch nur leicht über Vortagsniveau bei 921 Index-Punkten. Der RTS-Index stieg wieder über die magische 1000-Marke auf 1011 Indexpunkten (+1,37%). Damit konnten sich die Kurse nach der von mir erwarteten Korrektur wieder stabilisieren. Bisher handelt es sich um ganze normale Korrektur nach einer fulminanten Frühjahrsrallye. Gefährlich und damit sehr bearish wird es erst, wenn der S&P unter 880 Indexpunkte bzw. der DAX unter 4600 (bzw. bei einem ersten Warnsignal unter 4800 Indexpunkte schließen sollte. Bei einem S&P von unter 880 sollten Sie auch an den Ostbörsen mehr in Liquidität gehen.

Russlandanleger sollten den RTS weiter im Auge haben. Über 1000 ist die die Welt wieder in Ordnung; bei unter 950 wird es sehr bearish und Sie sollten dann mehr in Liquidität gehen. Dabei sollten Russlandanleger auch den Ölpreis beachten, der zuletzt zur Outperformance führte. Welche Aktien von einem hohen Ölpreis profitieren, können Sie im EAST STOCK TRENDS (www.eaststock.de) nachlesen. Ein Ölpreis von über 70 USD/Barrel (am Freitag bei 71 USD/Barrel) hilft Russland sehr, aus der Krise schneller herauszukommen. Hier sind übrigens die Demonstrationen im Iran nicht unbeutend, den Iran ist bedeutsamer Player im Öl- und vor allem Gasmarkt. Nimmt man Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und Iran zusammen, dann sind das gut die Hälfte der weltweiten Öl/Gasproduktion und mehr als die Hälfte der Öl/Gasreserven. Letzte Woche wurden einige Pipelines in Nigeria in Brand gesetzt. Wie man sieht ist der Kampf um das schwarze Gold voll entbrannt. Die USA haben übrigens trotz Mega-Verschuldung auch unter Obama den Verteidigungsetat erhöht, um auch bei dem Kampf um das schwarze Gold weiter mitspielen zu können. Im Irak ist alles im Sinne der USA aufgeteilt, soll nun der IRAN mittelbar durch Revolutionen attackiert werden? Gold schloss am Freitag bei 933 USD/Unze fast unverändert zur Vorwoche und auch fast unverändert wie vor 1 Jahr, also seitwärts, da sich der Dollar auch bei 1,39 EUR/USD fast unverändert zur Vorwoche einpendelte. Bei einem Wiedererstarken des Dollars (im Falle von steigenden US-Zinsen bzw. Zinsandeutungen der FED) dürfte Gold und andere Rohstoffe wieder ein wenig fallen und damit den Bullenmarkt seit März verlassen.

Die Börse werden am Mittwoch aber nicht auf die Iran-Demonstration (und deren Hintergründe) schauen, sondern war die FED am Mittwoch machen wird. Die Richtung für die Börse könnte in der nächsten Woche maßgeblich Ben Bernanke mit seinem Äußerungen zu den Zinsaussichten geben. Ich glaube nicht, dass der US-Zinssatz verändert wird. Wenn Ben Bernanke Anzeichen einer konjunkturellen Verbesserung in Aussicht stellt ohne die Zinsen anzuheben, werde die Börsen wieder steigen (und umgekehrt). Ich glaube eher an einen positiven Impuls am Mittwoch für die Wall Street und daher an leicht steigende Kurse innerhalb einer intakten „Bärmarktrallye“. Die Weltbörsen stehen also in den nächsten Woche im Bann der FED, aber vielleicht war es auch das, was Obama in der letzten Woche bewirken wollte, nämlich wieder mehr Vertrauen für das Finanzsystem zu schaffen, um die Krise zu meistern. Die harten Realitäten werden zeigen, ob das Visionen oder eine Fata Morgana, also Halluzination, wird.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Andreas Männicke die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 19:15 Uhr.
Top 



copyright: imagine Grafik - DTP - Webdesign - [AGB / Datenschutz]