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Selten habe ich so viele erboste E-Mails zu einer Ausgabe erhalten, wie zur Mittwochs-Ausgabe: Vermutlich waren doch einige inzwischen auf Pessimismus getrimmte Trader ziemlich überrascht von dem Stimmungswechsel an der Börse. Und offensichtlich war ich der Einzige, der diesen Stimmungswechsel mit aller Deutlichkeit ansprach, die Gründe aufzeigte und der das Tief für 2009 ausrief. Somit war ich also Ziel aller short positionierten Trader, die der Wut über ihre erlittenen Verluste durch wüste Beschimpfungen Luft machten.
Ich habe Verständnis für Enttäuschung, für Wut und für Ohnmacht. Doch wer seine Luft bei mir ablassen möchte, der sollte sich bitte zunächst überlegen, was genau er mir sagen möchte und dann eine verständliche E-Mail formulieren. Das Bombardieren mit unzähligen haltlosen Behauptungen landet bei mir mangels Verwendbarkeit leider umgehend in der runden Ablage. Aber es zeigt mir, dass wir hier wirklich eine Chance auf einen nachhaltigen Boden haben. Denn nur wenn der Großteil der Anleger noch ungläubig nach dem Haar in der Suppe sucht, kann es eine Bodenbildung geben. Und um ehrlich zu sein, in der Suppe gibt es noch genügend Haare für jeden Pessimisten. Ich will hier nicht behaupten, dass plötzlich alle Probleme gelöst sind. Aber ich sehe die Chance, dass es nicht mehr noch schlimmer wird. Und die Intensität der Rallye dieser Woche, bei gleichzeitig völliger Ungläubigkeit in den Medien und unter den Anlegern, bestärkt mich in meiner Auffassung, dass wir ihn gesehen haben: Ihn, den Boden :-) Hier die Wochenstatistik der wichtigsten Indizes: INDIZES (12.03.2009) Dow Jones: 7.170 | 8,7% DAX: 3.956 | 7,1% Nikkei: 7.569 | 5,5% Euro/US-Dollar: 1,290 | 1,6% Euro/Yen: 126,5 | 2,6% 10-Jahre-US-Anleihe: 2,89% | 0,1 Umlaufrendite Dt: 2,85% | 0,0 Feinunze Gold USD: $922,70 | -1,6% Fass Crude Öl USD: $47,03 | 7,8% Baltic Dry Shipping I: 2.201 | 1,6% Sheila Bair, Chefin des US-Einlagensicherungsfonds FDIC, sagte, dass viele der toxischen Derivate im Portfolio der Banken derzeit niedriger bewertet seien, als ihr eigentlicher Wert. Wenn die FDIC also solche Derivate aufkauft, dann ist zu erwarten, dass daraus auf lange Sicht ein Gewinn für die FDIC entsteht, ein Gewinn, der den Steuerzahlern zugute kommt. Mary Schapiro, Chefin der US-Börsenaufsicht SEC, sagte, sie unterstüze nicht die Abschaffung der Mark-to-Market Regel, aber wünsche sich eine Änderung derselben. Ben Bernanke befürwortet Ausnahmeregelungen für die Mark-to-Market Regel für besonders illiquide Vermögenswerte wie eben die toxischen Derivate. Und von Stunde zu Stunde steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Uptick Rule wieder eingeführt wird. Shortseller sollten langsam in Panik geraten :-) Gestern wurden unter anderem die viel gefürchteten Einzelhandelsumsätze der USA veröffentlicht. Erinnern Sie sich an die Warnung von Meredith Whitney, die im Monat davor warnte, dass die Streichung der Kreditkartenlimits zu einem Einbruch beim Konsum führen werde? Nun, der Konsum ist der Wirtschaftslage entsprechend ein wenig zurück gegangen, jedoch um weit weniger als befürchtet. Und nach den Worten Whitneys hatte man sich auf einen Einbruch beim Einzelhandelsumsatz eingestellt. General Electric (GE) hat gestern sein AAA Rating von Standard & Poors verloren. Dieses Tripple-A-Rating ist so etwas wie ein Ritterschlag für ein Unternehmen, es gibt nun nur noch fünf Unternehmen, die das Tripple-A haben. Lange war befürchtet worden, dass der schwer kreditabhängige Gigant GE mit einer halben Billionen USD an Krediten sein Tripple-A Rating verlieren würde und dadurch höhere Finanzierungskosten in Kauf nehmen müsse. Nun, wo die Angst zur Gewissheit wird und nachdem der Kurs von 40 auf 6 USD gefallen ist, sorgt diese Gewissheit für eine Rallye, die Aktie ist in Folge dieser Meldung um 10% angesprungen. US-Finanzminister Tim Geithner, ja er lebt noch, hat sich gestern zu Wort gemeldet und forderte die Regierungen weltweit auf, ihre Konjunkturprogramme nicht zu früh auslaufen zu lassen. Sie müssten nachhaltig, also über viele Jahre, laufen. Gleichzeitig verspricht sein Präsident Obama eine Kürzung der Neuverschuldung um die Hälfte in vier Jahren. Na, da müssen sich die beiden wohl nochmals miteinander unterhalten. Der chinesische Premierminister Wen Jiabao hatte heute Nacht eine klare Antwort auf die Auseinandersetzung zwischen Geithner und Obama: Als größter Gläubiger der USA fordert Jiabao die USA auf, sich um die Stabilität des US-Dollars zu kümmern. Damit hat er Obama bei seinen Bemühungen den Rücken gestärkt. Gleichzeitig gab Wen bekannt, dass seiner Auffassung nach das bisherige Konjunkturpaket Chinas ausreiche, um China als erstes aller Länder aus der Rezession zu holen. Er sagte jedoch auch, dass noch weitere Mittel zur Verfügung stünden, sollten weitere Hilfen notwendig werden. Darüber hinaus gebe es bereits einen Plan, der in einem solchen Fall dann nur noch umgesetzt werden müsste. Ja, Sie haben richtig gehört: Die Chinesen haben einen „Plan". Haben Sie so etwas zu Zeiten von Bush gehört? Ich nicht. Da gab es nur „Reaktion". Obama spricht immerhin viel von seinem Plan, doch dessen genaue Ausgestaltung braucht sehr viel Zeit. Er arbeitet noch an den Details, während der Plan bereits in Kraft getreten ist. Und von unserer Deutschen Regierung habe ich das Wort „Plan" im Zusammenhang mit der Finanzkrise noch gar nicht gehört. Schauen wir einmal, wie die Stimmung an der Börse auf diese Entwicklungen reagiert: SENTIMENTDATEN ANALYSTEN: Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 20.-26. Feb (145): 52% / 48% 27.- 6. Mär (187): 56% / 44% 07.-13. Mär (187): 53% / 47% ANALYSTEN KAUF Linde, Fortis, E.On ANALYSTEN VERKAUF Veolia, EADS PRIVATANLEGER: Aktuell 47% Bullen (+1%, 86 Stimmen) Bisheriges Tief war Ende November bei 35% Bullen Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 3.753 PRIVATANLEGER KAUF Allianz, Centrotec Sustainable, Barclays PRIVATANLEGER VERKAUF Kampa, Lufthansa, HypoRealEstate Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Der Optimismus wird nur sehr langsam größer. Ich habe den Eindruck, dass die Rallye dieser Woche noch immer ungläubig und skeptisch beäugt wird. Das kann ich niemandem verübeln, hat sich doch in den vergangenen Wochen immer wieder jede Rallye als Bullenfalle herausgestellt. Wer immer bei einer Rallye aufgesprungen war, der konnte schon beim Erhalt seiner Kaufabrechnung den Verlust ausrechnen, den sein Kauf ihm gebracht hatte. Seit der inzwischen legendären inhaltslosen Geithner-Rede Ende Januar hat keine Rallye länger als ein paar Stunden durchgehalten. Und heute haben wir schon den vierten Tag in Folge! Ich habe Position bezogen: Ich glaube, wir haben den Boden gesehen. Doch es wäre leichtsinnig, nun alles auf eine Karte zu setzen. Denn ich habe mich schon oft genug geirrt und es wäre vermessen, einen Irrtum auszuschließen. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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