Alt 13.09.20, 20:49
Standard So tickt die Börse: DAX hängt Dow Jones ab
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Diese Woche ist der DAX um 2,9% angestiegen, während der Dow Jones um 2% gefallen ist. In den USA haben Technologietitel den gesamten Markt mit in die Knie gezwungen: Zu hoch waren die Kursgewinne der vergangenen Monate, so dass nun eine fällige Korrektur entsprechend heftig ausfiel. In Deutschland hingegen blieb der Ausverkauf der Corona-Profiteure moderat, während eine ganze Reihe von Aktien eingesammelt wurde. "Profis nutzen die Rotation zum Aufbau von Positionen" schrieb ich vor einer Woche, und genau das ist auch diese Woche geschehen.

Zu den Wochengewinnern gehören eine ganze Reihe von Aktien, zu denen es keine besonderen Meldungen gab: Logistikunternehmen Kion, Lebensmittellieferant HelloFresh, Medizin-IT-Unternehmen Stratec Biomedical, Chemieunternehmen Fuchs Petrolub und Industrieunternehmen Pfeiffer Vacuum sowie auch Deutz legten alle um 8-10% zu. Auch Technologieunternehmen Elmos gehört zu den Gewinnern: Aus so ziemlich allen Branchen ist was dabei.

Diese Woche gab es die Meldung, dass die britische AstraZeneca die Testreihen zum Corona-Impfstoff des Hauses pausiert, weil ein Testpatient erkrankt sei. Es muss nun zunächst geklärt werden, ob die Krankheit im Zusammenhang mit dem getesteten Impfstoff steht. Ein normaler Vorgang auf dem Zulassungsweg von Impfstoffen, aber aufgrund der Dringlichkeit vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie wurde die Meldung an den Finanzmärkten mit großer Besorgnis aufgenommen.

Seit Monaten steigen die Aktienkurse, weil Anleger in die Fähigkeiten der Medizinforschung vertrauen. Jetzt ist erstmals ein Stolperstein auf dem Weg zum Impfstoff sichtbar geworden. Bislang bewegten wir uns zu einem großen Teil in der Forschungstheorie, jetzt sind wir in der Phase, wo Beweise benötigt werden. Ich rechne damit, dass in den kommenden Monaten noch viele weitere Stolpersteine auftauchen werden, aber auch daran werden sich Anleger nach einiger Zeit gewöhnen.

Gestern gab die EZB-Chefin Christine Lagarde die Zinsentscheidung der europäischen Notenbank bekannt: Alles bleibt wie es ist. Damit entsprach sie den Erwartungen, dennoch sind Interessenvertreter unzufrieden. In Deutschland wurden in den vergangenen Tagen bessere Konjunkturdaten veröffentlicht als bislang prognostiziert. Entsprechend gibt es Stimmen, die eine Rückführung der ultralockeren Geldpolitik begrüßen würden. Gleichzeitig würde das jedoch der Linie der US-Notenbank entgegenlaufen, die ihre ultralockere Geldpolitik gerade erst verlängert hat. Der Euro-Wechselkurs würde gestärkt, was wiederum eine Belastung für die deutsche Exportwirtschaft bedeuten würde.

In den USA hat man bereits das Inflationsziel aufgeweicht und somit den Weg frei gemacht für eine lange, lange Zeit der ultralockeren Geldpolitik. Der US-Dollar ist seither auf Talfahrt, oder anders gesagt: Der Euro hat seinen zwei Jahre andauernden Abwärtstrend verlassen und ist nach oben ausgebrochen. Es ist meiner Einschätzung nach nur eine Frage der Zeit, bis die EZB unter Christine Lagarde den Wettlauf um die schwächste Währung wieder aufnimmt.

Natürlich hat die EZB nicht das Ziel, den Wechselkurs zu beeinflussen. Dennoch sagte Lagarde, der Wechselkurs werde sehr genau beobachtet. Damit hat sie den Spagat geschafft: Eine weitere Lockerung ist derzeit nicht möglich, im Gegenteil: Wenn, dann hätten die Konjunkturdaten eine gegenteilige Aussage erfordert. Gleichzeitig hat sie dokumentiert, den Euro-Wechselkurs im Blick zu haben, was soviel heißt, dass die EZB sich was ausdenken wird, wenn der Euro zu stark steigt.

Die Reaktion des Euros: Zunächst ein kräftiger Anstieg nach der Bekanntgabe der Zinsentscheidung der EZB, dann wurde der Anstieg wieder abgegeben, während Lagarde sprach. Ich bin gespannt, wie lange die Verbalakrobatik den Euro zurückhalten kann.

Neben der Korrektur am US-Technologiemarkt und der EZB-Entscheidung gab es diese Woche noch Neuigkeiten aus Großbritannien: Auf der Suche nach einer Lösung des Irland-Problems fühlt man sich nicht mehr an bisherige Vereinbarungen gebunden. Ein ungeregelter Brexit bleibt damit weiterhin eine Möglichkeit. Der DAX hatte kurz verschnupft auf diese Meldung reagiert, aber die meisten Anleger haben sich auch auf diese Gefahr inzwischen vorbereitet.

Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (10.09.2020) Woche Δ Σ '20 Δ

Dow Jones 27.718 -1,5% -3,2%
DAX 13.203 2,8% -0,3%
Nikkei 23.406 0,9% -1,1%
Shanghai A 3.417 -2,8% 7,3%
Euro/US-Dollar 1,18 0,0% 5,7%
Euro/Yen 125,65 -0,1% 2,8%
10-Jahres-US-Anleihe 0,67% -0,05 -1,27
Umlaufrendite Dt -0,48% 0,01 -0,25
Feinunze Gold $1.950 0,8% 28,9%
Fass Brent Öl $40,13 -5,9% -41,7%
Kupfer 6.709 -1,2% 8,0%
Baltic Dry Shipping 1.269 -13,7% 16,4%
Bitcoin 10.307 -13,4% 41,3%




Der Ölpreis hat diese Woche wieder abgegeben und notierte zeitweilig wieder unter 40 USD/Fass. Früher galt der Ölpreis richtungsweisend für die Konjunktur, das scheint inzwischen nicht mehr der Fall zu sein.

Doch auch der Baltic Dry Verschiffungsindex hat stark abgegeben, der Kupferpreis ist leicht zurückgegangen. Vieles deutet darauf hin, dass die Konjunkturhoffnungen der vergangenen Wochen nun erst einmal eine Abkühlung benötigen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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