Alt 26.11.06, 18:34
Standard So tickt die Börse: Kursmanipulationen durch Fondsmanager
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Was wir derzeit erleben, das gibt es eigentlich gar nicht: Seit der Jahrhunderthausse Ende der Neunziger haben sich die Wochen, in denen die Optionsscheine auslaufen, stets gleich entwickelt. Jede dritte Woche im Monat laufen Optionsscheine aus und es ist ein übliches Ritual, daß an einem Tag dieser Woche die Aktienkurse nach unten gedrückt werden, um am Folgetag wieder zu steigen.

OPTIONSSCHEINVERFALLSTAG

Hintergrund dieses Verhaltens sind die vielen Fondsmanager, die mit ihrer ganzen Kapitalkraft kurz vor der Fälligkeit ihrer Optionsscheine nochmals bestimmte Kursmarken durchbrechen wollen, um ihre Optionen, die nah am Geld notieren, noch loszuwerden. Hmm, das ist sehr abstrakt formuliert, ich will es Ihnen anhand eines Beispiels verdeutlichen:

Nehmen wir einmal an, Sie seien ein Fondsmanager und Sie spekulieren mit Millionen. Eine große Position haben Sie in Apple-Aktien, diese Position haben Sie bereits seit vielen Monaten.

Viele von Ihnen werden wissen, daß man Call-Optionen kaufen kann. Es gibt aber auch jemanden, der diese Call-Option schreibt und verkauft. Das sind häufig Fondsmanager. Im Sommer, als die Apple-Aktien bei 55 US-Dollar standen, hat sich der Fondsmanager gedacht, daß die Aktie zwar langfristig gut ist, aber kurzfristig nicht viel Aufwärtspotential hat. Er möchte sich nicht von seinen Apple-Aktien trennen, möchte aber kurzfristig noch etwas mehr Zündstoff für sein Portfolio haben.

Also schreibt er Call-Optionen auf seine Apple-Position und verkauft diese über die Börse. Als Käufer wissen Sie, liebe Leser, daß Sie für Call-Optionen stets einen Aufpreis zahlen müssen. Das ist so, war schon immer so und wird auch immer so bleiben – es ist eine kleine Prämie, die der Eigner der dem Call-Optionsschein zugrunde liegenden Apple-Aktien dafür kassiert, daß er ein solches Call-Geschäft anbietet.

Der Fondsmanager, der also seine Apple-Aktien bei 55 US-Dollar behalten möchte, aber nicht davon ausgeht, daß sie in den nächsten Monaten beispielsweise über 85 US-Dollar steigen, schreibt also Call-Optionen mit einem Basiskurs von 85 US-Dollar.

Bestenfalls, wenn die 85 US-Dollar nicht erreicht werden, kassiert der Fondsmanager den Optionspreis von Ihnen, die Optionen verfallen bei Fälligkeit und werden wertlos und der Fondsmanager kann den gesamten Betrag einstreichen.

Diesmal jedoch hat sich der Fondsmanager verspekuliert: Apple ist nun tatsächlich auf 85 US-Dollar gestiegen. Wenn er jetzt nicht handelt, dann wird der Käufer des Call-Optionsschein seine Kaufoption ausüben und ihm die Apple-Aktien zu 85 US-Dollar abkaufen, selbst wenn der Tageskurs bei 86 US-Dollar steht. Dieser eine US-Dollar ist dann der Gewinn des Optionsscheinkäufers.

Der Fondsmanager kann es jedoch nicht verantworten, seine große Apple-Position aus seinem Portfolio zu verlieren, nur weil jemand die von ihm ausgeschriebene Kaufoption ausübt. Sein Fonds muß eine bestimmte Zusammensetzung berücksichtigen und Apple ist ein wesentlicher Bestandteil.

Also wird er versuchen, kurz vor Fälligkeit, wenn das Malheur abzusehen ist, ein Gegengeschäft einzugehen. Er wird beispielsweise selber solche Kaufoptionen kaufen, damit er seine verkauften Kaufoptionen egalisiert und der Käufer seiner Kaufoptionen direkt an den Verkäufer der neuen Kaufoptionen durchgeleitet werden kann. Er hat dann einen kleinen Verlust zu verzeichnen, nämlich die Kosten des Kaufs der Kaufoptionen – die aufgrund des abnehmenden Aufschlags wesentlich niedriger sind, als das, was er beim Verkauf seiner Kaufoptionen eingenommen hat.

Aber natürlich wird er nicht einfach so Kaufoptionen kaufen. Er sitzt ja immerhin auf einigen Millionen Apple-Aktien und kann durch Verkauf eines kleinen Teils von Aktien den Preis drücken. Wenn er also beispielsweise am Mittwoch beschließt, die Kaufoptionen zu kaufen, so wird er am Mittwoch zunächst einige dicke Pakete seiner Apple-Aktien zum Verkauf stellen.

Die Folge wird ein fallender Kurs sein, da es ja keinen fundamentalen Grund für das plötzliche Angebot an Apple-Aktien gibt und der Markt keine entsprechenden Käufer dafür findet. So ist also am Mittwoch dieser Woche der Apple-Kurs gefallen.

Am Ende des Tages, der Kurs ist inzwischen von 85,50 US-Dollar auf 84 US-Dollar gefallen und der Preis der Kaufoptionen ist über den Hebel um ein Vielfaches davon gefallen, wird er die Kaufoptionen zu einem günstigen Preis kaufen.

Am Folgetag, also am gestrigen Donnerstag, steigt der Apple-Kurs dann wieder auf das ursprüngliche Niveau an. Und wenn dann am heutigen Freitag die Ausübung der Optionen ansteht, dann kann er dem Eigner seiner Kaufoptionen die Aktien des Verkäufers der Kaufoptionen liefern, die er am Mittwoch erst kaufte.

Dieses Spiel wiederholt sich jede Woche des dritten Freitags in jedem Monat. Und dieses Spiel findet nicht nur bei Apple statt, sondern in so ziemlich allen Aktien. Und es gibt nicht nur einen Fonds, sondern eine ganze Reihe von Fonds. Mal ist der Mittwoch der Tag, an dem die Kurse fallen, und am Donnerstag steigen die Kurse dann wieder. Mal ist es der Mittwoch, an dem die Kurse steigen, und am Donnerstag fallen sie dann wieder. Mal passiert es auch schon am Dienstag.

Eine Absprache gibt es nicht, aber es ist nicht schwer zu erkennen, wenn einer damit anfängt – und Sie können sicher sein, daß andere Fondsmanager auf das Pferd aufspringen. So entsteht mit relativ geringem Aufwand eine Schwankung, die den Fondsmanagern das Ausbügeln ihrer Fehler erlaubt.

Wie habe ich diesen komplizierten Sachverhalt erklärt? Haben Sie es verstanden? Oder soll ich kommende Woche noch ein paar Details vertiefen? Wenn Sie dies verstanden haben, dann wissen Sie bereits mehr, als die meisten der Anlageberater.

Also, eingangs sagte ich, „Was wir derzeit erleben, das gibt es eigentlich gar nicht", denn in dieser Woche fand dieses Spiel nicht statt. Der Dow Jones ist jeden Tag weiter angestiegen. Es gab keinen Tag, an dem die Fondsmanager eine Gelegenheit hatten, ihre Fehler auszubügeln. Es gab keine Verschnaufpause beim Anstieg des Dow Jones. Dies führt zu Panikkäufen, Käufen also, die trotz der steigenden Kurse vollzogen werden.

12.305 Punkte ist der Stand des Dow Jones, ein neues Allzeit Hoch. Und von Verschnaufen keine Spur. Gerade diese Woche, in der die Optionsscheine verfallen, wäre ein schwacher Börsentag extrem wichtig für institutionelle Anleger, doch der bleibt aus.

Der Grund dafür liegt meiner Ansicht nach in der einmalig guten Börsenverfassung, die wir derzeit haben: Wieder einmal muß ich Ihnen in Erinnerung rufen, daß 29 der 30 Dow Jones Unternehmen kräftige Aktienrückkaufprogramme haben. D.h., wenn die Kurse ein wenig zu bröckeln beginnen, dann steht das Unternehmen selbst auf der Käuferseite und fängt das Angebot an Aktien ab. Kursrückschläge sind so kaum möglich.

Da können sich selbst ein paar der größten Fondsmanager zusammentun und konzertiert Aktienpakete auf den Markt werfen. Die oftmals viele hundertmillionen US-Dollar umfassenden Rückkaufprogramme fangen solche Pakete locker ab. Fallende Kurse sind so nicht zu erzwingen.

AKTIENRÜCKKAUFPROGRAMME

Aber warum kaufen Unternehmen ihre eigenen Aktien zurück? Wissen sie nichts Besseres mit dem Geld anzufangen?

Nun, die Frage ist berechtigt und ich freue mich über jedes Unternehmen, das auf exponentielles Wachstum setzt. Aber derer gibt es neben Google nicht viele. Auf der anderen Seite sind die langfristigen Finanzierungszinsen noch immer auf niedrigem Niveau, die Wirtschaft brummt und es wird ausreichend Liquidität, also Bares, eingefahren. Und Sie werden sich erinnern, noch vor wenigen Jahren wurden Milliardenprojekte über die Börse finanziert: Secondary Offerings, also Zweitplatzierungen von Aktien zur Kapitalerhöhung und zum Generieren von Barmitteln waren an der Tagesordnung.

In der Finanzmathematik gibt es eine Methode, wie man das beste Verhältnis von Fremdkapital zum Eigenkapital ausrechnet. Vor einigen Jahren wurde die Eigenkapitalquote stark ausgeweitet, die Anzahl der Aktien war sehr groß. Die ambitionierten Wachstumspläne gingen in den seltensten Fällen auf.

Die Einsicht, daß diese Ambitionen zu hoch gesteckt waren, ist nicht unbedingt negativ. Ich halte eine gute Portion Realismus für ganz angebracht. Und da sehe ich es gerne, wenn die Unternehmen ihre Bilanz und ihre Kapitalstruktur in Ordnung bringen.

Die Zeiten sind vorbei, in denen man blumige Businesspläne mit Millionensummen finanziert bekam und anschließend niemand mehr danach fragte, wenn die Idee im Sande verlief. Bevor eine Idee zu utopisch klingt, wird lieber ein Rückkaufprogramm aufgelegt.

Das vermindert natürlich die Anzahl der frei handelbaren Aktien, während sich gleichzeitig das Interesse der Bevölkerung an der Börse aufgrund der immer neuen Rekorde des Dow Jones weiter erhöht. Das ist ein explosives Gemisch für steigende Kurse – und das haben wir diese Woche gesehen.

ÖLPREISEINBRUCH

Aber neben falsch positionierten Fondsmanagern und Rückkaufprogrammen gibt es noch eine dritte Komponente, die für steigende Kurse sorgt: Der Ölpreis.

Gestern ist das Öl um 2,3 % eingebrochen, heute geht der Absturz weiter. Ich habe es im Kundenbereich auf meinen Seiten www.heibel-ticker.de geschrieben: Bis zu den Senatswahlen gingen die Spekulationen in die Richtung, daß Bush das Auffüllen der strategischen Reserve gestoppt habe, um einen niedrigen Ölpreis herbeizuführen. Demzufolge müßte nun der Ölpreis wieder ansteigen, er tut es aber nicht.

Dieses Gerücht ist so alt, wie die Familie Bush. Die Familie Bush gilt als Freund der Ölindustrie und wenn diese Familie nicht einmal vor den Wahlen den Ölpreis senken und damit die Portemonnaies der US-Bevölkerung entlasten kann, um ein wenig Optimismus zu verbreiten, wer dann?

Meine Antwort: Niemand! Auch nicht die Familie Bush. Da spielen die OPEC und die Wetterbedingungen mit. Das läßt sich nicht so leicht beeinflussen. Auch nicht vom Präsidenten der USA.

Nein, derzeit gibt es ausreichend Öl, die Reservetanks sind voll und der Herbst ist milder als erwartet. Da kann der Ölpreis schon einmal in den Keller rutschen.

Es gibt sogar schon Stimmen, die einen Ölpreis von 30 US-Dollar prognostizieren. Das sei der politisch unbeeinflußte Preis für das Grenzprodukt des Öls.

Ich halte das für Unsinn. Zuletzt stand der Ölpreis im Jahr 2003 bei 30 US-Dollar. Damals war der Irak noch voll am Fördern, damals hatte sich Venezuela noch nicht mit den USA angelegt und damals wurden noch keine Pipelines in Nigeria in die Luft gesprengt. Politisch sah die Welt damals noch recht stabil aus, es gab noch kein „altes Europa".

Und China war gerade auf der Bildfläche erschienen. China hatte zuvor den größten Teil des eigenen Ölverbrauchs noch selbst fördern können, erst seit wenigen Jahren tritt China als einer der größten Ölimporteure auf den Weltmärkten auf. Einen Ölpreis von 30 US-Dollar halte ich derzeit also für Unsinn.

Bevor ich im nächsten Kapitel meine Einschätzung zur Ölpreisentwicklung sowie zur Entwicklung an den Aktienmärkten in der nächsten Woche darlege, lassen Sie mich noch kurz auf Amgen eingehen.

AMGEN

Amgen ist das weltweit größte Biotech-Unternehmen. Wie Sie wissen, ist die Biotech-Branche noch sehr jung. Es gibt dort Unternehmen, die ihren Kurs binnen weniger Wochen verdoppeln, ebenso kann es aber auch nach hinten los gehen.

Ich hatte am 7. Juli Amgen als nicht-zyklischen Wert für unser Portfolio empfohlen, da ich die Rezessionsängste kommen sah. Am 20.10. habe ich empfohlen, die Aktien mit 13 % Plus zu verkaufen, da die Rezessionsängste tatsächlich eingetreten waren, ich jedoch keinen weiteren Katalysator für den Aktienkurs mehr sehen konnte.

Langfristig halte ich die Amgen-Aktien für attraktiv. Kein anderes Unternehmen bietet eine so breite Biotech-Streuung – und das ist gerade bei einer so jungen Branche wichtig. Aber kurz- und mittelfristig gab es einige Bedenken:

Der Wahlsieg der Demokraten war absehbar, ich berichtete darüber, und die Demokraten werden sicherlich der Pharma-Industrie ans Leder gehen. Amgen ist zwar kein Pharma-Unternehmen, aber erzielt seine Umsätze in der gleichen Branche. Bislang waren Biotech-Unternehmen mit großem Wohlwollen behandelt worden. Doch das scheint sich nun zu ändern.

Um es kurz zu pauschalisieren: Republikaner bevorzugen es, wenn Unternehmen investieren und Zukunftslösungen erarbeiten. Dafür gibt es Steuererleichterungen. Die Bevölkerung jedoch muß die Zeche zahlen.

Demokraten regulieren gerne die Verkaufspreise der Produkte, damit die Bevölkerung in den Genuß der Zukunftslösungen kommt. Dabei wird übersehen, daß Unternehmen nicht forschen, wenn es nicht finanziell erfolgsversprechend ist.

Ich möchte diese unterschiedlichen Ansätze nicht bewerten, sondern lediglich die Folgen aufzeigen. Wenn die Demokraten die Mehrheit haben, dann sollten Sie Pharmaaktien wie Pfizer, Schering-Plough, Lilly und Merck meiden, denn deren Verkaufspreise könnten schon bald per Gesetz gesenkt werden.

Biotech-Unternehmen galten als so innovativ und haben bislang auch noch nicht soviel verdient, als daß dort eingegriffen würde. Doch dies soll sich nun ändern: Ersten Kommentaren nach den Senatswahlen zufolge möchten die Demokraten zusätzlich zu den Pharma-Produkten auch die Biotech-Produkte unter die Lupe nehmen. Als Beispiel wurde Genentechs Krebsmittel Avastin genannt, dessen Einsatz an einem Krebspatient derzeit rund 50.000 US-Dollar p.a. kostet.

Kein Wunder, daß nach dieser Aussage die Aktien von Genentech einbrachen. Auch Amgen notiert heute 15 % unter seinem Kurs von vor den Wahlen. Hier haben wir den Absprung gut erwischt.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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