Alt 18.12.11, 03:17
Standard So tickt die Börse: Geld drucken oder tot sparen
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An alle Verschwörungstheoretiker und Weltuntergangsprofeten: Ihr irrt!

Ob Kreuzer, Taler oder Groschen, diese Währungen wurden 1871 durch die Mark abgelöst.

Ob Mark, Gulden oder Franc, diese Währungen wurden 2002 durch den Euro abgelöst.

Ob Euro, Dollar oder Yen, diese Währungen werden 20?? durch eine neue, globale Währung abgelöst.

Verschwörungstheoretiker sehen in dieser Entwicklung einen teuflischen Plan einiger weniger Mächtiger, die ganze Welt unter ihre Knute zu bringen. Hier wird einer natürlichen Entwicklung eine Steuerung unterstellt, deren Steuermann niemand sieht.

Quatsch! Regionale Unterschiede zeigen sich nicht in der Verrechnungseinheit, mit der wirtschaftliche Leistungen bemessen werden.

Leider ist man sich über eine Ausgestaltung der Verrechnungseinheit international noch nicht einig. Es gibt ideologisch unterschiedliche Ansätze, und es werden immer wieder Fehler gemacht.

Ideologisch unterscheide ich derzeit den europäischen (deutsch-geprägten) Ansatz und den angelsächsisch (US-amerikanisch geprägten) Ansatz. Ich bin bereits mehrfach darauf eingegangen: Unsere EZB hat das alleinige Mandat, auf die Geldwertstabilität zu achten. Die US-Notenbank Fed hat ein doppeltes Mandat, auf die Geldwertstabilität sowie auf ein gesundes Wirtschaftswachstum zu achten.

Ich habe in den USA gelebt, bin aber vom dortigen System nicht überzeugt worden. Vielleicht sind Hyperinflation von 1923 und Weltwirtschaftskrise von 1929-32 sowie das daraus resultierende Dritte Reich zu stark in unserer Kultur verankert, als dass ich mich mit dem amerikanischen Ansatz anfreunden könnte.

Die Amerikaner zollen der Erkenntnis Tribut, dass die Politik aufgrund wahlkampftaktischer Strategien häufig nicht die notwendigen wirtschaftspolitischen Entscheidungen trifft und gestehen daher einer unabhängigen Institution, der Fed, die Macht zu, in einem solchen Fall helfend einzugreifen.

Wir Deutschen sagen hingegen, dass die Politik sich gefälligst am Riemen reißen soll, und so haben wir immerhin bereits die Schuldenbremse in der Verfassung verankert während die Amis nicht einmal ihre Defizitgrenze anheben können.

Das Resultat ist, dass in den USA niemand so wirklich verantwortlich ist für eine Wirtschaftskrise. Die Politik kann mit dem Finger auf die Fed zeigen und umgekehrt. Doch bevor es zum eifrigen Fingerzeigen kommt, entscheidet sich die Fed meist für eine „Lockerung“ der Geldpolitik. Durch diese lockere Geldpolitik wird das US-System mit Geld geflutet, es werden kurzfristig die nötigsten Löcher gestopft und es kommt mittel- und langfristig zu höheren Inflations- und Wachstumsraten.

Ja, auch höheren Wachstumsraten! Denn das Geld, das ins System gepumpt wird, führt ja dazu, dass Unternehmen günstiger investieren können, was wiederum die Wirtschaft ankurbelt und das Wachstum fördert. Der Preis für dieses Wachstum ist die Inflation. Ein Prozess, der in den USA seit über hundert Jahren etabliert ist.

Wen wundert es da, dass die Amis so unternehmerisch denken. Der Spargroschen wird kontinuierlich von der Inflation entwertet, wer jedoch eine Geschäftsidee erfolgreich umsetzt, der kann aufgrund des stets auf Wachstum ausgerichteten Systems mit einer ordentlichen Rendite rechnen.

Das Wirtschaftssystem wird angekurbelt, Stillstand bedeutet in den USA schnell Rückschritt.

In Deutschland wird die Geldwertstabilität hoch geschätzt, und eine Investition in die eigene Geschäftsidee muss sich schon sehr lohnen, denn man riskiert ja den bislang erworbenen Wohlstand, wenn man seine Ersparnisse investiert. Gleichzeitig läuft unser System etwas langsamer, so schnell ist also nicht mit einem Erfolg und einer entsprechenden Entlohnung für die Investition zu rechnen wie in den USA.

Was war zuerst: die amerikanische Innovationsfreude, an der sich das Geldsystem ausgerichtet hat oder ist die Innovationsfreude Resultat des Geldsystems? Ich weiß es nicht. Heute blicken wir auf zwei unterschiedliche Systeme und erleben einen ideologischen Kampf um die Vorherrschaft.

Während die Angelsachsen fordern, doch endlich die überschuldeten Staaten zu retten (was letztlich auf das Gelddrucken durch die EZB hinauslaufen würde), versuchen die Europäer jegliche angelsächsische Komponenten des Systems auszuradieren (das System wird verbessert um die Geldwertstabilität zu sichern, die überschuldeten Staaten müssen sich selbst retten).

Wenn ich mir ein Einlenken der Europäer auf die angelsächsische Linie überlege, halte ich mir stets meine Erlebnisse im Weihnachtsgeschäft 1999 vor Augen. Ich lebte damals mitten in Manhattan und ging, wie es sich dort gehört, Christmas-Shopping. War das ein Spaß?

Nein, alles andere als das. Natürlich schoben sich Massen durch die Gänge der Läden. Um einen Verkäufer zu sprechen, musste man nicht endlos lange warten – man wartete vergeblich – sondern laut und aggressiv schreien „Ich will dies oder jenes kaufen, wer nimmt mein Geld?“. Dann konnte es passieren, dass sich ein Verkäufer Zeit für Sie nahm.

Sollten Sie noch inhaltliche Fragen zu dem Produkt haben, dann erhielten Sie als Antwort „Ich kann Ihnen 5% Nachlass geben“. Ich habe sodann nochmals auf meine Frage verwiesen und betont, dass mir der Preis egal ist, wenn das Produkt die gewünschte Eigenschaft hat. Als Antwort erhielt ich: „Also gut, ich gebe Ihnen 10%. Was ist jetzt, wollen Sie kaufen oder nicht? Ich habe nicht so viel Zeit!“

Sprich: In den USA geht es schon lange eher ums Geld während Sie hier in Deutschland noch mit Verkäufern über die Sache sprechen können (okay, auch hierzulande ziehen immer mehr amerikanische Sitten ein).

New Yorker hatten zwei, manchmal drei Jobs um sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Stadt ist wie elektrisiert, das Rad dreht sich dort einfach ein wenig schneller als bei uns. Und für Stillstand gibt es kein Verständnis. Man ist es gewohnt, aus Fehlern herauszuwachsen, anstatt Fehler zu korrigieren.

Ich schreibe Ihnen diese Betrachtungsweise aus dem Grund, da ich erwarte, dass wir über den ideologischen Unterschied der Geldsyste in den kommenden Monaten und vielleicht Jahren noch viel diskutieren werden. Groß Britannien ist US-amerikanisch geprägt und von dem deutsch-geprägten Ansatz für den Euro meilenweit entfernt.

Merkel und Sarkozy holen nun nach, was 1992 bei der Konzeption des Euros versäumt wurde: Die Fiskalunion. Es werden alte Fehler aufgearbeitet und korrigiert, während in dieser Zeit in Kauf genommen wird, dass unser System zum Stillstand kommen könnte.

Lieber das System in Ordnung bringen, die Geldwertstabilität sichern, als in amerikanische Verhältnisse zu verfallen, lautet die Marschrichtung, die seit 10 Tagen vorgegeben ist.

Ja, ich bevorzuge den soliden, deutschen Ansatz. Doch auch der angelsächsische Ansatz hat seine Vorteile, insbesondere für die Club Med Länder dürfte dieser Ansatz eine Verlockung darstellen, und so erwarte ich noch viele entsprechende Auseinandersetzungen bis wir in Europa einmal eine Fiskalunion haben.

So, und nun die Erkenntnisse aus dieser Betrachtung: Die Börse ist diese Woche abgetaucht, weil die Angelsachsen sehen, dass Europa den in ihren Augen einzig richtigen Weg, das Gelddrucken, nicht beschreiten wird. Die langfristig gesunden Auswirkungen für die Kultur der in Europa angestrebten Fehlerkorrektur werden von den Angelsachsen nicht erkannt.

Derzeit gibt es in Europa eben nur einen rettungsplan für Banken, nicht aber für verschuldete Staaten, deren Insolvenz die Banken erst in Bedrängnis bringen würde. Angelsachsen würden die überschuldeten Staaten mit Geld fluten und hätten damit gleichzeitig das Bankenproblem gelöst. 26 der 27 EU-Länder haben jedoch beschlossen, die Fehlerkorrekturen den einzelnen Staaten zu überlassen und werden im Notfall kollabierende Banken auffangen.

An die Verschwörungstheoretiker: Wir erleben hier einen Wettkampf der Systeme. Die Globalisierung des Geldsystems ist eine natürliche Entwicklung und eines der beiden Systeme (hoffentlich das bessere) wird sich durchsetzen. Von Steuerung kann ich da wirklich nichts sehen.

An die Weltuntergangsprofeten: Ja, ich erwarte, dass in den nächsten zwei bis fünf Jahren beide Systeme dramatische Änderungen benötigen, vielleicht sogar kollabieren. In Europa wurde dieser Prozess nun mit der Fiskalunion losgetreten, in den USA dürfte es nach den Präsidentschaftswahlen (Nov. 2012) losgehen. Ist das ein Weltuntergang? Oder ist es nur einmal mehr der Umstieg auf eine neue Verrechnungseinheit, vielleicht sogar eine gemeinsame, wie es in der Geschichte regelmäßig passiert?

Nun, Sie kennen meine Antwort, wir müssen uns nur entsprechend darauf vorbereiten. Zur Zeit heißt das: langfristig Immobilien, Edelmetalle, Unternehmensanleihen und Aktien, kurzfristig hohe Cashquote und ein paar Aktienspekulationen.

Der europäische Weg wird von den Angelsachsen schlecht geredet, man fürchtet eine Wirtschaftskrise. Entsprechend sind die Aktienbörsen diese Woche wieder einmal auf Talfahrt gegangen. Schauen Sie selbst:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (15.12.2011) | DIFF

Dow Jones: 11.869 | -1,1%
DAX: 5.731 | -2,4%
Nikkei: 8.402 | -1,6%
Euro/US-Dollar: 1,302 | -2,4%
Euro/Yen: 101,4725 | -2,1%
10-JahreS-US-Anleihe: 1,91% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 1,53% | -0,2
Feinunze Gold USD: $1.589,20 | -7,1%
Fass Brent Öl USD: $104,05 | -3,4%
Kupfer in US$/to: 7.329 | -4,9%
Baltic Dry Shipping I: 1.889 | 0,4%



Der Goldpreis ist mit einem Minus von 7,1% Wochenverlierer. Wenn Sie nach einer Einschätzung zum Goldpreis suchen, werden Sie mit charttechnischen Warnungen überschüttet: „Wichtige Unterstützung gebrochen“, „Mittelfristiger Wachstumspfad nach unten verlassen“, „Doppeltop vor Absturz“ und vieles mehr können Sie lesen. Niemand macht sich jedoch Gedanken über die Gründe für den plötzlichen Kurseinbruch. Ich werde genau das im nächsten Kapitel tun und daraus meine Erwartung für die weitere Goldpreisentwicklung ableiten.

Trotz der fallenden Kurse hat sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten merklich aufgehellt, wie Sie den Sentimentdaten entnehmen können:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
25.11.- 02.12. (469): 57% / 9%
02.12.- 09.12. (470): 53% / 10%
09.12.- 16.12. (501): 57% / 9%

Kaufempfehlungen der Analysten
Deutsche Post, EADS, Intel

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Carrefour S.A., Metro, RWE

Privatanleger
48. KW: 59% Bullen (150 Stimmen)
49. KW: 58% Bullen (176 Stimmen)
50. KW: 66% Bullen (141 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Commerzbank, LVMH, Société Générale

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Office Depot


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Insbesondere das Bullenlager hat kräftig Zulauf erhalten. Das ist nicht gerade ein guter Nährboden für eine Jahresendrallye, dazu ist die Zuversicht zu groß.

Oder zeigt sich hier etwa die Diskrepanz zwischen angelsächsischen Anlegern, die ihr Geld aus Europa und Deutschland abziehen (daher die fallenden Kurse) und den deutschen Anlegern und Analysten, die zuversichtlich auf die Fehlerkorrekturen im System warten?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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