Alt 09.12.11, 22:29
Standard So tickt die Börse: Cameron spaltet EU
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Merkel hat es verstanden. Nachdem ich Angela Merkel viele Monate lang heftig kritisiert habe, möchte ich nun auch ihre Erleuchtung nicht verschweigen: Sie hat in meinen Augen endlich verstanden, was sie zu tun hat.

Das Ziel, das sie sich nun gesetzt hat, ist überaus ehrgeizig, und ein erster Erfolg war, Sarkozy auf ihre Seite zu ziehen. Sarkozy hatte bislang immer wieder völlig gegensätzliche Vorschläge unterbreitet, gegensätzlich aus einer ganz tiefen Betrachtungsweise heraus: Es wurden immer wieder die unterschiedlichen Auffassungen über die Bedeutung des Euros offenbart.

Doch das scheint seit dem Schulterschluss vom vergangenen Montag Geschichte zu sein, Merkel hat endlich Stellung bezogen (wie von mir seit anderthalb Jahren gefordert) und – oh Wunder – Sarkozy konnte sich mit dieser klaren Linie anfreunden. Aus Madam „non“ ist nun ein Zugpferd geworden.

Das Zugpferd muss nun einen Baumstamm überwinden: Der britische Premier Cameron hat sich ihr in den Weg gelegt. Die Briten wollten Sonderrechte für ihren ach so wichtigen Finanzplatz aushandeln. Ein Finanzplatz, der die Finanzinstrumente im Akkord hervorbringt, die regelmäßig zu Über- und Untertreibungen führen. Ein Finanzplatz, dessen Finanzprodukten ein Produktivitätsgewinn der britischen Volkswirtschaft zugerechnet wird und der sicherlich nicht konstruktiv bei der Euroschuldenkrise zur Seite stand. Im Gegenteil.

Damit die City, wie das Bankzentrum im Herzen von London genannt wird, auch weiterhin diese Aufgabe wahrnehmen kann, möchte Cameron für sein Land Sonderrechte im Finanzsektor sichern. Ein Finanzsektor, der globaler aufgestellt ist als die Wirtschaft selbst. Wo also jedes Sonderrecht dazu führen muss, dass Finanzinstitute in Scharen in das Finanzmekka ziehen, um die dringend erforderlichen und harten Regeln, die wir in Europa, am liebsten in der ganzen Welt durchsetzen wollen, weiterhin zu umgehen.

Cameron hat es nicht leicht. Sein Land wäre auch schon in einer ähnlichen Situation wie Italien, wenn es den Euro hätte. So konnte die Bank of England durch heftiges Drucken von Britischen Pfund Schlimmeres verhindern. Ähnlich den USA sucht Großbritannien sein Heil im Gelddrucken.

Kein zweites Land in Europa ist so abhängig von der Finanzbranche. Die ohnehin schwache Wirtschaft Großbritanniens würde einen weiteren Tiefschlag erleiden, wenn nun auch noch dem Finanzsektor Ketten angelegt würden. Das wäre nicht nur schlimm für die Banken, sondern könnte auch Großbritannien weiter in die Schuldenkrise treiben.

Mit anderen Worten: Cameron kann es sich nicht leisten, die EU-Staatsverträge im Sinne von Merkozy zu verändern.

Und so ist es wenig verwunderlich, dass er nun nach Mitteln und Wegen sucht, ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aufzuhalten: Die EU-Institutionen, die von den 23 „willigen“ Staaten für die Umsetzung der Fiskalunion benötigt würden, gehören der EU und somit den 27 Staaten. Warum sollte ein von England mitfinanzierter Europäischer Gerichtshof also bei Haushaltsvergehen angerufen werden, wenn solche Haushaltsvergehen in England legal wären?

Wir haben heute Nacht Entscheidungen gesehen, die uns in den nächsten sechs Monaten beschäftigen werden. Gewöhnen Sie sich an einen härteren Tonfall zwischen England und Euroland. Bei aller Diplomatie und bei aller aufgestauten Wut gegen das zu lange Zögern von Angela Merkel: Ihr Autor steht nun wieder auf der Linie unserer Kanzlerin.

Ist die Kanzlerin zu spät dran? Kann sein. Oder ist es gar noch zu früh für ihr ambitioniertes Vorhaben? Auch das kann sein. Ich denke, wir haben eine sehr spannende politische Phase begonnen. Der Ausgang ist völlig offen und birgt jede Menge Gefahren.

Kein Grund also, den Kopf hängen zu lassen oder in Euphorie zu verfallen. Ich werde unsere bisherige Strategie weiter verfolgen.

EZB GREIFT HALBHERZIG EIN

In dieses Bild passt auch die jüngste Aktion der EZB. Mario Draghi hat gestern den Leitzins für Europa von 1,25% auf 1% gesenkt. Damit wurden die beiden Zinsanhebungen von Trichet im ersten Halbjahr dieses Jahres nun wieder ausradiert.

Zusätzlich gab er bekannt, Banken unbegrenzt für Refinanzierungen zur Verfügung zu stehen. Mit anderen Worten: Es wird keine europäische Bank in seiner Amtszeit als EZB-Präsident zahlungsunfähig werden. Aktien können wertlos werden, Eigentümer können wechseln bis hin zur Verstaatlichung, doch einen Zahlungsausfall wird es nicht geben, und das ist zum wiederholten Male die Aussage, dass es in Europa kein Lehman II geben wird.

Doch bei all den Nothilfemaßnahmen der EZB ist er gleichzeitig um die Reputation als Hüter der Geldwertstabilität besorgt und schiebt so den Lockerungsbemerkungen eine harte Grundhaltung nach: Diese Maßnahmen werden nur für eine sehr kurze, beschränkte Zeit gelten.

Wenn man den Italiener an seinen Worten misst, dann ist er ebenso besorgt um die Geldwertstabilität wie seine Vorgänger. Wenn man jedoch nur seine Handlungen betrachtet, dann können einem da schon Zweifel aufkommen. Es lohnt sich in meinen Augen, diesen Akteur besonders gut im Auge zu behalten.

Schauen wir einmal, wie die wichtigsten Indizes in dieser Woche gelaufen sind:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (08.12.11) | DIFF

Dow Jones: 11.998 | -0,2%
DAX: 5.869 | -2,8%
Nikkei: 8.536 | -1,2%
Euro/US-Dollar: 1,334 | -1,1%
Euro/Yen: 103,625 | -1,4%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,97% | -0,2
Umlaufrendite Dt: 1,75% | -0,2
Feinunze Gold USD: $1.711,05 | -2,3%
Fass Brent Öl USD: $107,67 | -2,0%
Kupfer in US$/to: 7.705 | -2,3%
Baltic Dry Shipping I: 1.882 | 1,1%



Nach dem überproportional großen Kursgewinn im DAX in der Vorwoche ist die etwas größere Korrektur in dieser Woche nicht verwunderlich. Wie wir jedoch am heutigen Tage sehen, ist die Aufwärtsbewegung noch nicht beendet.

Auch das Öl und das Gold machen nach den heftigen Bewegungen der Vorwoche erst einmal eine kleine Pause. Sorge macht mir lediglich der Euro, der trotz der geradezu euphorischen zwei vergangenen Wochen noch immer auf extrem niedrigen Niveau verharrt. Was hier in Aktienmärkte und Rohstoffe fließt, ist offensichtlich nicht durch neues Vertrauen in den Euro gestützt.

So sind auch die Entwicklungen der Sentiment-Indikatoren recht verhalten, wie sie an der nachstehenden Übersicht sehen können:

SENTMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
18.11.- 25.11. (427): 51% / 10%
25.11.- 02.12. (469): 57% / 9%
02.12.- 09.12. (470): 53% / 10%

Kaufempfehlungen der Analysten
SAP, Bayer, Unilever

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Research in Motion, RWE, Vossloh

Privatanleger
47. KW: 55% Bullen (139 Stimmen)
48. KW: 59% Bullen (150 Stimmen)
49. KW: 58% Bullen (176 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Metro, Alcatel-Lucent

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
American Airlines AMR, Société Générale


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Insbesondere Analysten haben nach dem Kurssprung wieder eine defensivere Haltung eingenommen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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