Alt 20.11.11, 12:22
Standard So tickt die Börse: EZB - Schlachten der heiligen Kuh
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Aus Perspektivlosigkeit folgt Alternativlosigkeit! Es kommt mir vor, als stürmt die ganze Welt auf die EZB ein, endlich das Postulat der Geldwertstabilität aufzugeben und zum verlängerten politischen Arm zu werden. Einzig Frau Merkel, „Madam Non“, wie sie in Frankreich genannt wird, sträubt sich dagegen.

Ein „Nein“ ohne das Aufzeigen einer gangbaren Alternative wird auch von meinem inzwischen zweieinhalbjährigen Sohn nicht mehr akzeptiert. Entweder ich muss ihm etwas Besseres aufzeigen oder aber es muss ein Kompromiss gefunden werden.

Anderthalb Jahre lang hat Angela Merkel nichts „Besseres“ aufgezeigt, sondern beschränkte sich stets darauf, einen Kompromiss des kleinsten gemeinsamen Nenners zu finden. Griechenland steht nun doch vor einem Schuldenschnitt und ist wirtschaftlich kaputt. Spanien hat gestern in einer Auktion 6,975% Zinsen zahlen müssen. 7% gilt als Rubicon. Wenn diese Marke erst einmal überschritten ist, gibt es keinen Weg mehr zurück.

Nur 3,5 Mrd. Euro konnte Spanien zu diesem Kurs einnehmen, eigentlich wollte man 4 Mrd. Euro haben. Aus dem Hause der Deutschen Bank ist zu hören, dass inzwischen ohnehin nur noch die EZB als Käufer am Markt auftritt, niemand anderes kaufe noch die Staatsanleihen der Club Med Länder.

Warum auch nicht? In den USA läuft dieses System doch schon seit über hundert Jahren recht gut. Der Staat macht zu viele Schulden. Die Fed kauft die Papiere, und das Land wächst aus der Verschuldung heraus. So haben die USA seit jeher höhere Wachstumsraten als Europa, der US-Dollar verliert aber seit jeher stärker an Wert als die D-Mark oder heute der Euro.

Mit dem Resultat, dass die US-Amerikaner viel stärker am Aktienmarkt investiert sind als die Deutschen. Und auch in meiner Zeit in den Club Med Ländern ist mir aufgefallen, dass dort sowohl der Immobilienbesitz als auch das Unternehmertum, und sei es auf sehr niedrigem Niveau, viel größer geschrieben werden als bei uns Deutschen.

Wir sind es gewohnt, unser Erspartes in den Strumpf zu stecken und als Rentner davon zu leben. So etwas würde es in den USA und in den Club Med Ländern niemals geben. Dazu müsste man ja in das Geldsystem des eigenen Landes vertrauen, und das tut man dort nicht. Nein, lieber steckt man dort das Geld in Immobilien und Unternehmen, denn dort ist es besser aufgehoben.

Die stabile D-Mark der Nachkriegszeit und die Arbeit der Deutschen Bundesbank hat man weltweit bewundert – doch die Bewunderung reicht nicht aus, um die eigene Kultur zu ändern. Ganz Europa soll nun die Geldwertstabilität höher schätzen als einen funktionierenden Arbeitsmarkt, ein funktionierendes Sozialsystem und ein funktionierendes internationales Währungsgefüge? Es wäre doch so einfach, all diese anderen Ziele zu erreichen, wenn nur die EZB endlich ungezügelt Staatsanleihen aufkaufen könnte.

Sie tut es ja bereits, ohne dass Deutschland etwas dagegen unternehmen kann. Doch Deutschland protestiert. Selbst die als „Pragmatiker“ bekannten neuen Geldpolitiker wie Bundesbankchef Jens Weidmann und EZB-Chefvolkswirt Jörg Asmussen treten bei jeder Gelegenheit für eine stabilitätsorientierte Geldpolitik ein und fordern die Politik auf, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen.

Doch die Politik kommt dieser Aufgabe nicht nach, und so wird irgendwann kein Weg mehr an ungezügelten Käufen von Staatsanleihen durch die EZB vorbei führen.

Einen anderen Vorstoß hat der Europachef des IWF unternommen: Der Portugiese Antonio Borges hat Anfang Oktober vorgeschlagen, der IWF solle die Staatsanleihen der Euroländer aufkaufen. Doch der IWF ist nicht das Ziel der internationalen Bestrebungen, es ist die EZB. Und so musste Borges diese Woche seinen Hut nehmen, er gab seinen Posten nach nicht einmal einem Jahr „aus persönlichen Gründen“ auf.

Der IWF wird nicht ins Risiko gehen und europäische Club Med Anleihen kaufen, ohne dafür weitreichende Eingriffsrechte in die nationale Politik zu fordern. Wie sonst kann er diesen Schritt seinen Geldgebern gegenüber, den rund 180 Staaten der Erde, rechtfertigen? Nein, der IWF wird auch unter einer Französin Christine Lagard höchstens Kredite vergeben.

Es wird übrigens spekuliert, dass der jüngste Goldpreiseinbruch auf Goldverkäufe des IWF zurückzuführen sei, der sich für die bevorstehende Herkulesaufgabe rüste. Ich halte das für ein nachvollziehbares Gerücht.

Ich hatte am vergangenen Freitag ausführlich die Funktionsweise und die Ziele des IWF aufgezeigt. Vorerst ist der Versuch, über den IWF an das deutsche Geld zu gelangen, gescheitert. Frankreich forciert nun wieder die Idee, die EZB zur Bank auszubauen. Aber die ablehnende Haltung Deutschlands dieser Idee gegenüber ist ja nun hinlänglich bekannt.

Wenn es mit Überzeugung nicht geht, dann versucht man es halt mit schmutzigen Mitteln. Gestern hat Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker die deutsche Staatsverschuldung in ein schlechtes Licht gesetzt: „Ich halte die Höhe der deutschen Schulden für besorgniserregend“, sagte er an einem Tag, an dem selbst die Rendite der französischen Staatsanleihen kräftig angestiegen waren.

Die weiße Weste, mit der Angela Merkel in die Verhandlungen geht, wird nun also durch den Kakao gezogen. Klar, das ist auch eine Methode. Wenn erst einmal auch in Deutschland das Zinsniveau steigt, die Kosten für unsere Staatsanleihen steigen, dann wird man auch hierzulande eine „pragmatischere“ EZB zu schätzen wissen, so könnte das Kalkül aussehen.

Wenn ich diese Vorgänge betrachte, dann braut sich da etwas zusammen, das darauf abzielt, die EZB von ihrem Postulat der Geldwertstabilität abzubringen. Deutschland wehrt sich mit Händen und Füßen, doch eine Alternative wurde bislang von Angela Merkel noch nicht aufgezeigt. Und so fürchte ich, irgendwann ein Zitat von Angela Merkel in der Zeitung lesen zu müssen: „Die Ausstattung der EZB mit mehr Kompetenzen war angesichts der dramatischen Zuspitzung der Schuldenkrise alternativlos“.

Der angelsächsische Finanzsender CNBC berichtete über den Wirtschaftsweisen Prof. Peter Bofinger aus Würzburg, der empfahl, die EZB müsse im Notfall Staatsanleihen in großem Stil aufkaufen. Nicht berichtet wird bei CNBC über die erfolgreichen Sparbemühungen Irlands. Nicht berichtet wird über die vielen anderen deutschen Stimmen, auch innerhalb der fünf Wirtschaftsweisen und sogar von deren Vorsitzendem Prof. Franz, die sich gegen einen solchen Schritt aussprechen. Nicht berichtet wird auch über den schwindenden Einfluss der Briten in Europa, die ihre Wirtschaft mit einer zu starken Konzentration auf den Finanzsektor vor die Wand gefahren haben und die Gelddruckmaschine schon lange angeworfen haben.

Nein, Prof. Bofinger wird durch die Medien gepeitscht als Zeichen dafür, dass Deutschlands Widerstand bröckelt.

Unternehmensmeldungen spielen derzeit kaum eine Rolle. Ja nach politischer Stimmung schießen die Börsen am einen Tag nach oben, um am Folgetag wieder einzubrechen. Unterm Strich bleibt ein mäßiges Minus für die Woche. Schauen Sie selbst:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (17.11.2011) | Diff

Dow Jones: 11.771 | -1,0%
DAX: 5.850 | -0,3%
Nikkei: 8.374 | -1,6%
Euro/US-Dollar: 1,351 | -1,0%
Euro/Yen: 103,78 | -1,8%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,96% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 1,52% | 0,0
Feinunze Gold USD: $1.726,65 | -2,4%
Fass Brent Öl USD: $108,52 | -5,0%
Kupfer in US$/to: 7.563 | 0,3%
Baltic Dry Shipping I: 1.898 | 3,2%



Das Nordseeöl ist kräftig zurückgekommen (-5%) während das Texas Öl nur geringfügig abgab. Damit wird ein wenig der in den Vorwochen geschaffenen Diskrepanz zwischen den beiden Ölsorten wieder ausgeglichen. Unruhen in den Bezugsorten Europas (arabische Länder) hatten zuvor für einen stärkeren Preisanstieg beim Nordseeöl gesorgt. Der Ölpreisentwicklung ist nun zu entnehmen, dass die Sorge über die politische Instabilität der arabischen Region zurückgegangen ist.

Die Flucht in die vermeintliche Sicherheit hält an; die Renditen der US-Staatsanleihen sowie der deutschen Anleihen sind nochmals zurück- gegangen. Ich halte diese niedrige Rendite nicht für nachhaltig, insbesondere wenn ich mir die Angriffe auf Deutschland in dieser Woche vor Augen halte. Ich würde also nach wie vor Unternehmensanleihen den Staatsanleihen vorziehen.

Die Euro- und Goldpreisentwicklung bespreche ich im nächsten Kapitel. Schauen wir nun einmal auf die Entwicklung der Stimmung unter den Anlegern und Analysten:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen):

Kaufen / Verkaufen
28.10.- 04.11. (554): 50% / 7%
04.11.- 11.11. (753): 54% / 11%
11.11.- 18.11. (519): 54% / 9%

Kaufempfehlungen der Analysten
Allianz, Infineon, Vivendi

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Nordex, Unicredit, RWE

Privatanleger
44. KW: 54% Bullen (166 Stimmen)
45. KW: 62% Bullen (206 Stimmen)
46. KW: 63% Bullen (160 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Technicolor, Credit Agricole, K+S

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Unicredit


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Die Unternehmensmeldungen habe ich als überwiegend positiv aufgenommen, dennoch ist der DAX diese Woche gefallen. Für Analysten, die wenig auf die Stimmung sondern eher auf die Entwicklung der Unternehmenszahlen achten, ist es daher nur konsequent, verhalten optimistisch zu bleiben. Das niedrige Kursniveau führt dazu, dass es weniger Verkaufsempfehlungen gibt.

Bei Privatanlegern unterliegt die Stimmung viel stärker den Tagesmeldungen und den politischen Entwicklungen. Dort hat man offensichtlich eine Woche ohne Sondergipfel als eine Beruhigung an den Finanzmärkten aufgenommen. Neue Besen kehren gut gilt für Griechenland und Italien, und auch für Spanien steht ein Wechsel an, es kann also nur besser werden, denken sich Privatanleger.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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