Alt 08.10.11, 23:56
Standard So tickt die Börse: Notfallplan für Bankenpleite
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1986 holte Ihr Autor nachmittags einen Klassenkameraden zum Fußballspielen ab. Bei ihm zu Hause musste ich nur noch kurz warten, bis er einige Disketten fertig kopiert hatte. Auf seinem Schreibtisch stand ein Apple Macintosh und irgendwie behandelte mein Klassenkamerad dieses Gerät mit großer Ehrfurcht.

Ihr Autor war einer der ersten, der von seinem Vater zu Hause einen sündhaft teuren Computer ins Kinderzimmer gestellt bekam. ITT stand drauf, lange vor Commodore und Atari und mein Vater, der ihn von seiner Firma für sein Büro bekam, bat mich, das Ding zu nutzen und ihm anschließend zu erklären, was man damit machen kann. Ich fühlte mich also nicht schlecht vorbereitet auf die Computerrevolution, doch mein Klassenkamerad zeigte überhaupt kein Interesse an meinen Erfahrungen. Man könne alles andere vergessen, nur der Apple Macintosh biete an, was man wirklich braucht.

Es war nicht das letzte Mal, dass ich mit Erstaunen die fast religiöse Verehrung für Apple-Produkte bemerkte. Apple-Produkte? Oder sollte ich sagen: Steve Jobs’ Produkte?

„Connecting the dots“ bezeichnete Steve Jobs als eine der wichtigsten Managementfähigkeiten. „Einzelne Punkte verbinden“. Damit meinte er die Fähigkeit, verschiedenste Dinge zu einem runden Endprodukt zusammen zu führen. Apple hat nicht die Maus erfunden, aber Apple hat sie als erstes Unternehmen für den Massenmarkt tauglich gemacht.

Apple hat nicht die graphische Benutzeroberfläche erfunden, aber durch die Maus als intuitives Eingabemedium gab es keine Alternative zu einer sinnvollen Arbeitsweise mit dem Computer, und so hat Apple die graphische Benutzeroberfläche für die Mausbedienung angepasst.

Ursprünglich liefen Computer nur unter Nichtproportionalschriften (jeder Buchstabe ist gleich breit, also das w nahm genauso viel Platz ein wie das i). Steve Jobs fand das nicht schön und erinnerte sich an seinen Kalligrafie-Unterricht. Er entwickelte Proportional-Schriftarten und seine Computer spukten Texte anschließend einfach schöner aus als andere Computer – bis die Proportionalschriftarten von anderen übernommen wurden.

Produkte von Steve Jobs wurden mit Zahlen beworben: Mega- oder Gigaherz-Prozessoren gehören in die Ingenieurssprache. Mega- oder Gigabyte-Speicher ebenfalls. Jobs war sich der Bedeutung dieser Ingenieursleistungen bewusst und entwickelte daraus Produkte, die für die breite Masse tauglich waren. Er ging einen Schritt weiter als die Konkurrenz.

Die Präsentation neuer Produkte war stets geprägt von einem besonderen Design und beworben wurden die einfachen Möglichkeiten der Produkte. Was nicht einfach zu bedienen war wurde weg gelassen.

So wurde Steve Jobs häufig vorgeworfen, er bevormunde seine Kunden in der Nutzung der Geräte. Das stimmt. In der restlichen Computerwelt legte man stets viel Wert auf die „unbegrenzten Möglichkeiten“ der Computer. 10 verschiedene Anschlussmöglichkeiten waren noch immer nicht genug. Jeder darf Software in eigener Verantwortung auf das Betriebssystem draufklatschen. Mit einem Windows-PC haben Sie heute Möglichkeiten, die vor 20 Jahren nicht einmal die größten Unternehmen besaßen. Doch sind Sie in der Lage, diese Möglichkeiten auszuschöpfen?

Steve Jobs ging einen Schritt weiter und überlegte, was die Menschen wohl mit dem Gerät tun werden. Und für diese Bedürfnisse entwickelte er Geräte weiter bis zu einem Punkt, wo die Bedienung denkbar einfach war und packte dieses Produkt in einen ästhetischen Mantel.

Mein Wirtschaftsinformatikprofessor Thome aus Würzburg polterte in den 90er Jahren stets „Wir haben keine Hardware-Krise, wir haben eine Software-Krise!“ Es fehlte nicht an Technologien, es fehlte an der sinnvollen Einbettung der Technologien in nutzbare Software.

iPod, iPhone und iPad waren keine neuen Produkte. Doch in Kombination mit iTunes, dem App-Store und nun der Cloud schafften sich diese Geräte ihre eigene Nachfrage. Wie oft hörte ich noch vor vier Jahren, dass man mit dem Handy nur telefonieren müsse. Kaum ein Freund in meinem Umfeld lebt heute ohne Smartphone.

Ihr Autor arbeitete während seines Studiums zeitweilig in einem Apple-Laden. Zum Eintritt in die Berufswelt musste er sich mit der Windows-Welt herumschlagen und erst vor vier Jahren schaffte er den Weg zurück in die Apple-Welt. Seither, so seine Frau, ist Ihr Autor irgendwie ausgeglichener.

Steve Jobs hat nicht nur neue Technologien für die breite Masse verfügbar gemacht, er hat auch dafür gesorgt, dass der Umgang mit diesen Geräten produktiv ist und Spaß macht.

Apple ist heute das wertvollste börsennotierte Unternehmen der Welt. Neue Technologien müssen uns, den Menschen, dienen – nicht umgekehrt. Ich wünsche mir, dass mehr Unternehmen dieses Postulat in der Konsequenz verfolgen, wie es Steve Jobs tat. Doch das ist nicht leicht, man muss Visionen haben. Eine Kombination von Talenten, die Steve Jobs auf sich vereinte und die vielleicht in unserer Generation einmalig bleibt.

Steve Jobs erlag am Mittwochabend im Alter von 56 Jahren seinem Krebsleiden. Der Familienmensch hinterlässt eine Ehefrau mit drei Kindern sowie ein Kind aus einer früheren Beziehung. Der Visionär hinterlässt auch 50.000 stolze Mitarbeiter der Firma Apple. Und der Ästhet hinterlässt iMacs, iPods, iPhones und iPads bei Millionen zufriedener Kunden.

Wir haben Steve Jobs verloren. Seine Inspiration wird uns noch lange erhalten bleiben.

Schauen wir einmal, was die Indizes in dieser Woche gemacht haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (29.09.2011) | DIFF

Dow Jones: 11.123 | -0,3%
DAX: 5.645 | 0,1%
Nikkei: 8.605 | -1,1%
Euro/US-Dollar: 1,344 | -0,6%
Euro/Yen: 103,033 | -0,7%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,99% | 0,0
Umlaufrendite Dt: 1,70% | 0,0
Feinunze Gold USD: $1.652,60 | 1,5%
Fass Brent Öl USD: $104,60 | 0,3%
Kupfer in US$/to: 7.222 | -1,4%
Baltic Dry Shipping I: 1.967 | 2,8%


Ein recht konstruktives Bild für Europa, während sich die Situation im asiatischen Raum verschlechtert. Dieses Bild zeigt sich auch in der Monatsbetrachtung.

Der DAX hat sich in dieser Woche besser geschlagen als sein amerikanischer Kollege. Es kristallisiert sich heraus, dass ein Lehman Brothers in Europa nicht passieren wird, und so kehren die ersten Anleger zurück nach Deutschland.

Wie aus heiterem Himmel traf gestern die Pleite der belgisch-französischen Dexia Bank auf die Märkte. Doch gleichzeitig wurde dem Markt eine Lösung präsentiert, die etwaige Schockwellen auf den Finanzmärkten verhindert: Die Aufspaltung in eine gute- und eine schlechte Bank (Good Bank, Bad Bank). Unklar ist nur noch, wie die Kosten für die Bad Bank zwischen Belgien und Frankreich aufgeteilt werden.

Dexia, ein Name, den viele von Ihnen vermutlich zuvor noch nie gehört haben, hält 600 Mrd. Euro an Vermögenswerten, darunter natürlich viele europäische Staatspapiere sowie (oh Überraschung) auch noch einige Immobilienderivate. Beide Stresstests, die in Europa bislang durchgeführt wurden, hat Dexia mit Bravour bestanden und die jetzige Pleite bestätigt mich in meiner Einschätzung, dass die Stresstests leider nur politisch motiviert zur Beruhigung der Nerven waren und nicht die wirkliche Leistungsfähigkeit der Banken durchleuchteten.

„Wußte ich’s doch“, entfuhr es also Ihrem Autor, als die Meldung über den Äther tickerte. Aber so ist das eben in der Politik: Sie reagiert sehr spät. Wenn ich mir das Massaker an den Finanzmärkten anschaue, dann muss ich sagen „zu spät“. Doch immerhin, jetzt ist die Politik wachgerüttelt, und das Fingerzeigen geht los: Wer muss solche Banken künftig retten? Die Nationalstaaten oder der EFSF?

Deutschlands Position ist klar: Die jeweiligen Nationalstaaten. Sollten diese dann überfordert sein, dann kann der EFSF die Staaten unterstützen. Frankreich hingegen fordert natürlich bereits, dass der EFSF bereits die Banken retten soll.

Das Problem mit Problemen ist häufig, dass sie nicht als Problem betrachtet werden. Das traf zumindest auf die fehlende Kapitalisierung europäischer Banken sowie auf einen fehlenden Rettungsmechanismus zu. Nun, das Problem ist jetzt endlich zu Tage getreten – wenn auch auf dramatische Weise – und nun wird in den nächsten Tagen und Wochen an Lösungen gearbeitet.

Der EFSF ist noch nicht einmal in allen EU-Ländern verabschiedet, und schon wird eine Ausweitung der Summe über eine Bankenlizenz diskutiert. Die Gerüchte kamen schon vor der Abstimmung in Deutschland auf, inzwischen ist es bekannt, dass es Bestrebungen gibt, die Macht des EFSF durch eine Bankenlizenz auszuweiten.

Mit einer Bankenlizenz kann der EFSF aufgekaufte Staatsanleihen direkt bei der EZB abladen und das Kapital erneut für weitere Käufe nutzen. Nachdem also die EZB sich weigerte, die politischen Fehler zu finanzieren, bringt man nun den EFSF als politische Antwort auf den Weg und plant zugleich, den Müll, der damit gekauft werden soll, der EZB vor die Haustüre zu kippen.

Haben wir denn wirklich eine Demokratie, die nur noch Juristen und Lehrer in politisch verantwortliche Positionen wählt? Vielleicht geben wir die politische Führung demnächst in die Hände einer Physikerin oder lassen das Wirtschaftsministerium von einem Mediziner leiten. Ach so, haben wir schon ... Wo bleibt der wirtschaftliche Sachverstand bei den Diskussionspartnern? Wenn jeder Politiker auf EU-Ebene zunächst einmal einen Grundkurs Wirtschaft absolvieren muss, bevor abgestimmt werden kann, dann erhalten wir einen Schlingerkurs wie die letzten Wochen, in denen viel politisches Vertrauen zerstört und viele Investitionen zurückgehalten wurden.

Der Goldpreis stabilisiert sich auf niedrigerem Niveau. Der Ölpreis ebenfalls. Das Kupfer fällt weiter, 30% der weltweiten Kupferexporte gehen nach China. In China mehren sich die Anzeichen dafür, dass die restriktive Geldpolitik nun doch auf die Wirtschaftskraft des Landes schwerere Auswirkungen hat, als gewünscht. Beim Bekämpfen der Inflation (aufgrund hoher Rohstoffpreise) droht nunmehr auch in China eine Zurückhaltung der Wirtschaft bei neuen Investitionen.

Was in der Wochenbetrachtung kaum zu erkennen ist, sind die heftigen Ausschläge, die wir im DAX und in den anderen Indizes sehen. Zwei bis drei Tage brechen die Indizes um 10% ein, anschließend dauert es ebenfalls wieder nur zwei bis drei Tage, bis das ursprüngliche Niveau wieder erreicht wurde. Diese starken Ausschläge sprechen für die Orientierungslosigkeit bei den Anlegern.

Schauen wir einmal, was die Stimmung unter den Anlegern macht:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
16.09.- 23.09. (249): 62% / 10%
23.09.- 30.09. (239): 54% / 10%
30.09.- 07.10. (556): 55% / 10%

Kaufempfehlungen der Analysten
Apple, ProSiebenSat1 Media, Tesco

Verkaufempfehlungen der Analysten
RWE, Banco Santander, Vossloh

Privatanleger
38. KW: 47% Bullen (185 Stimmen)
39. KW: 63% Bullen (180 Stimmen)
40. KW: 55% Bullen (184 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Alcatel-Lucent, Archos S.A., Air France-KLM

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Sky Dt., AXA


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Während die Analysten inzwischen recht stabil nur noch verhalten optimistisch sind, ist die Stimmung bei den Privatanlegern wieder deutlich eingetrübt.

Ungeachtet von Bewertungsniveaus und Stimmungsschwankungen ist die Börsenentwicklung meines Erachtens hauptsächlich von der Politik abhängig. Kurzfristig. Denn mittel- und langfristig betrachtet gibt es eine Menge echte Schnäppchen, doch sollten die Schuldenprobleme durch falsche politische Entscheidungen verschärft, oder auch nur durch das zu langsame Vorgehen der Politik verschärft werden, dann kann es kurzfristig jederzeit erneut zu einem Ausverkauf kommen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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