Alt 02.10.11, 01:06
Standard So tickt die Börse: Im Westen nichts Neues
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Die ganze Woche warten Sie schon vergeblich auf eine „neue“ Einschätzung von mir - vergeblich. Der Grund: Es gibt keine neue Einschätzung. Das Auf und Ab frisst sich inzwischen auch in die Laune Ihres Autors, es fällt mir immer schwerer, die Vorgänge frisch und lebhaft aufzubereiten.

Oder anders gesagt: Ich bin es leid. Es macht keinen Spaß über das neue Amazon Kindle Fire zu schreiben, über die Chance gegen das iPad, über die neue Marktnische, die sich Amazon damit geschaffen hat, wenn die Kurse von Amazon, Apple und allen Beteiligten doch letztlich ausschließlich durch Makro-Ereignisse beeinflusst werden.

Es ist egal, ob Amazon neben Android und iOs das dritte Touchpad-Universum schaffen kann oder nicht. Die Aktie wird gemeinsam mit dem Gesamtmarkt ausverkauft.

Und so ist es auch egal, dass es gerade Ben Bernanke war, der Mitte letzter Woche mit seiner Warnung vor einem „erheblichen Konjunkturrisiko“ (significant downside risk) den DAX binnen zweier Tage um 11% einbrechen ließ. Derzeit prasseln die Meldungen nur so herein, und wenn der Aktienmarkt zu heiß gelaufen ist, dann bricht er eben ein – anschließend sucht man den Grund dafür.

Institutionelle Anleger, die nach dem schlechten August nun nicht auch noch den September im Minus abschließen wollen, traten ab vergangenem Freitag stützend am Markt auf und hievten die Kurse bei dünnem Handelsvolumen in nur zwei Tagen 12,5% in die Höhe. „Mark-up zum Monatsende“ wird das Ganze genannt, die Kurse werden nach oben getrieben um zum Stichtag Monatswechsel hohe Kurse für den Bericht des eigenen Fondsvermögens zu Grunde legen zu können. Da inzwischen die Aufsichtsbehörden auf dieses Verhalten am letzten und vorletzten Handelstag eines Quartals aufmerksam wurden, geschieht diese Aktion inzwischen einige Tage früher.

Und so werden die Kurse meines Erachtens in der kommenden Woche wieder weiter einbrechen, denn dann sind die stützenden Kauforders der Fondsmanager plötzlich verschwunden.

Dramatisches hat sich an den Rohstoffmärkten abgespielt. Am Wochenende erhöhte die Chicagoer Rohstoffbörse (CME) die Anforderungen an Sicherheitsleistungen für den Rohstoffhandel, eine Forderung, die Ihr Autor schon unzählige Male erhoben hat um das Ungleichgewicht zwischen Finanzspekulation und realwirtschaftlichen Interessen wieder herzustellen.

Sämtliche Rohstoffpreise sind dadurch zum Wochenbeginn dramatisch eingebrochen. Der Kupferpreis sogar um über 10%! Aber auch der Goldpreis gab um knapp 9% nach. Der einzige Rohstoff, der sich dem Ausverkauf entziehen konnte, war das Nordsee Öl.

Natürlich, weil es eben nicht in Chicago sondern in London gehandelt wird und damit von dem Schritt der CME nicht betroffen war. Doch gerade der hohe Preis des Nordsee Öls wird als Gefahr für die Weltwirtschaft betrachtet, gerade dieser hohe Preis müsste zurückgeholt werden.

Denn weltweit werden Benzinpreise und die Preise der Folgeprodukte des Öls inzwischen nicht mehr am Western Texas Ölpreis ausgerichtet, sondern verstärkt am Brent Öl aus der Nordsee. Seit Monaten hält sich die Differenz zwischen dem Texas Öl und dem Nordsee Öl, ist in den vergangenen Wochen nach dem Einbruch des Texas Öls sogar noch größer geworden. Und da die Industrie sich entschieden hat, die Preise am teuren Nordsee Öl auszurichten, bleibt die inflationäre Gefahr durch die hohen Ölpreise auf den Weltmärkten bestehen, China fährt wider Erwarten weiterhin eine restriktive Geldpolitik und der Inflationsdruck in der Eurozone wächst.

Nun, heute ist der letzte Handelstag im Monat September und die DAX-Rallye läuft nun langsam aus. Mit 5.500 Punkten sind wir wieder genau dort, wo wir vor zwei Wochen begonnen haben. Seither gab es eigentlich keine überraschenden Meldungen mehr: Der EFSF wurde verabschiedet, die Kritik daran bleibt groß, und Zweifler fordern einen Schuldenschnitt Griechenlands, da andernfalls der EFSF nicht ausreichen würde, Europas Länder (Italien, ...) und Banken (SocGen, ...) zu retten.

Ich erinnere mich noch genau an die zunächst gescheiterte Einführung des TARP-Programms in den USA vor drei Jahren und an die berechtigte Kritik an diesem Programm. Mir scheint, Europa macht nun eine ähnliche Entwicklung durch wie die USA vor drei Jahren. Mehr dazu im nächsten Kapitel.

Schauen wir einmal, was die Indizes in dieser Woche gemacht haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (29.09.2011) | DIFF

Dow Jones: 11.154 | 0,3%
DAX: 5.639 | 3,8%
Nikkei: 8.700 | -0,5%
Euro/US-Dollar: 1,352 | -0,3%
Euro/Yen: 103,807 | -0,9%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,96% | 0,1
Umlaufrendite Dt: 1,73% | 0,1
Feinunze Gold USD: 1.627,85 | -8,7%
Fass Crude Öl USD: $104,28 | 0,2%
Kupfer in US$/to: 7.322 | -10,9%
Baltic Dry Shipping I: 1.913 | 6,6%



AMAZONS KINDLE FIRE EROBERT NEUE MÄRKTE

Ach so, und wenn Sie trotz der Irrelevanz an meiner Meinung über das Kindle Fire interessiert sind: CEO Jeff Bezos hat hier nicht zum ersten Mal gezeigt, dass er seine Kunden besser versteht als die vielen Analysten und Techies, die das Kindle Fire im direkten Vergleich mit dem iPad zerreißen und seinen Vorteil auf den günstigen Preis reduzieren.

Nein, Bezos geht einen konsequenten Schritt in der Entwicklung unserer elektronischen Welt: Die Spezialisierung der Kleinstgeräte. Ist schon das iPad kein vollwertiger Ersatz für einen ausgewachsenen PC, so ist nun das Kindle Fire auch kein vollwertiger Ersatz für ein Touchpad.

Wer, wie ihr Autor, Tag für Tag mit dem Computer arbeitet, für den ist das iPad noch lange keine Option. Höchstens eine nette Spielerei für bestimmte Sonderfälle. Aber auf meinen Laptop kann ich dadurch noch lange nicht verzichten.

Doch für sehr, sehr viele Anwender ist der PC oder das Laptop eine viel zu mächtige Waffe. Das iPad reicht für deren Belange völlig aus: Surfen im Internet, lesen und ab und zu schreiben von E-Mails und dann vielleicht das Ansehen von Videos und Fotos. Für diese Anwendungen ist der PC überqualifiziert und verwirrt Anwender wie beispielsweise die Mutter Ihres Autors unnötigerweise.

Das iPad ist ebenfalls inzwischen fast ein Allrounder, aber nicht gerade für komplexe Anwendungen sondern vorzugsweise für einfache Programme.

Jeff Bezos ist diese Entwicklung einen Schritt weiter gegangen. Er hat ein Gerät entwickelt, das genau auf die Bedürfnisse seiner Kunden zugeschnitten ist. Hohe Auflösung des Bildschirms und dennoch absolut schnelle Anzeigegeschwindigkeit. Diesen Spagat hat Bezos durch eine neue Technologie geschafft: Aufwendige Rechenprozesse werden mehr als je zuvor ins Internet, in die Amazon-Cloud, verlegt und auf das Kindle Fire wird dann nur die Präsentationsebene geschickt, die Pixel für die Anzeige. Das sind wesentlich weniger Daten als wenn alle für die Programmlogik erforderlichen Daten heruntergeladen werden müssen.

Für Videos, Fotos, für das Browsen (Internet-Surfen), natürlich das Einkaufen über Amazons Seiten und eben für das Lesen von Nachrichtendiensten wird das Interneterlebnis für Kindle Fire Nutzer wesentlich schneller. Ein echter Mehrwert, den sich viele Menschen eben auch nicht entgehen lassen wollen.

Wird also das Kindle Fire zu einem Wettbewerber des iPads? Nein. Es wird zu einem weiteren Produkt am Markt, das sich seine eigenen Kunden sucht, unabhängig vom Erfolg des iPads. Der Touchpad Markt erhält neben Google und Apple einen dritten Teilnehmer: Amazon.

Schauen wir einmal, was die Stimmung unter den Anlegern macht:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
09.09.- 16.09. (279): 55% / 9%
16.09.- 23.09. (249): 62% / 10%
23.09.- 30.09. (239): 54% / 10%

Kaufempfehlungen der Analysten
Volkswagen VZ, L’Oreal, Wacker Chemie

Verkaufempfehlungen der Analysten
Boston Scientific, Software AG, Alibaba

Privatanleger
37. KW: 56% Bullen (186 Stimmen)
38. KW: 47% Bullen (185 Stimmen)
39. KW: 63% Bullen (180 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Dialog Semi, Daimler, Amazon

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Société Générale, BNP Paribas, Aareal Bank


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Schauen Sie sich einmal die Stimmungssprünge an. Das ist nicht gesund. Da wird mit den Hoffnungen und Ängsten der Anleger Achterbahn gefahren. Die Orientierungslosigkeit der Politik spiegelt sich in der Verunsicherung der Anleger wider.

Haben wir nun also schon die Panik an den Märkten gesehen? Ist mit dem EFSF der Weg frei für eine politische Rettung des Eurolands? Hat der Einbruch des Goldpreises die Kehrtwende eingeleitet? Und ist der Vorschlag des EU-Kommissars Manuel Barroso, eine Finanztransaktionssteuer einzuführen, das Zeichen, dass Europa doch noch eine gemeinsame Linie findet?

Das sind die Fragen, die zur Lösung unserer Krise beantwortet werden müssen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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