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Am Freitag vor einer Woche schrieb ich noch, dass ein Ausbruch nach oben, eine Fortsetzung der Rallye, nicht so ohne weiteres möglich sei. Am Montag sprang der DAX auf ein neues Allzeithoch. Ich hätte nicht falscher liegen können, würde man auf den ersten Blick meinen.
Doch die Realität ist nicht schwarzweiß, sondern bunt. Während der DAX in die Höhe schoss, brachen Technologietitel ein. Mit Tagesverlusten von 7-10%, teilweise noch deutlich höher, gerieten Wachstumsunternehmen an den Finanzmärkten unter die Räder. Es war das fulminante Ende der Rotation, die wir schon den gesamten Februar durch beobachtet haben: Raus aus Corona-Gewinnern, raus aus Wachstumstiteln, raus auch Technologieaktien und rein in Corona-Verlierer, rein in Value-Aktien und rein in konjunktursensible Aktien. Zwei Gründe gab es: Zum einen war das Zinsniveau angesprungen und hatte Anleger schon in den Wochen zuvor sukzessive immer stärker zu Änderungen in der Portfoliozusammensetzung gezwungen. Zum anderen wurde am vergangenen Wochenende ein Corona-Hilfspaket im Volumen von 1,9 Billionen USD auf den Weg gebracht, das die US-Konjunktur, und in dessen Kielwasser die Konjunktur vieler Exportländer, ankurbeln wird. Am Donnerstag legte schließlich EZB-Chefin Christine Lagarde nach. Sie gab bekannt, dass die EZB die Anleihekäufe im Rahmen des PEPP-Programms deutlich beschleunigen werde. Damit hat die EZB keine Veränderung der Programme beschlossen, sondern einfach nur signalisiert, dass man dem Zinsanstieg der vergangenen Wochen Einhalt gebieten werde. Es war eine "whatever it takes" Rede von Lagarde, denn sie betonte mehrfach, dass man auf die Zinsmärkte reagieren werde, um die günstigen Finanzierungskonditionen am Markt zu sichern. Dazu könne man nötigenfalls auch neue oder erweiterte Programme beschließen. Traditionell soll die Notenbank durch das Festlegen der Zinsen für kurzfristige Kredite die gewünschte Inflation (kleiner 2%) sicherstellen. Zinsen für länger laufende Kredite sollen über den Markt gebildet werden. Mit der gestrigen Ankündigung hat Christine Lagarde nun Ambitionen der EZB zur Kontrolle der Zinsen für lang laufende Kredite bekannt gegeben... whatever it takes. Die jüngsten Aktionen passen in meine Feststellung, dass die Börsenweisheit "politische Börsen haben kurze Beine" schon lange nicht mehr gilt. Oder anders ausgedrückt: Sie verstehen nicht, warum der Bitcoin auf neue Hochs klettert? Nun, den Zusammenhang stelle ich in Kapitel 05 dar. Wer hoch springen will, muss zunächst tief in die Knie gehen, war meine Aussage vor einer Woche. Wenn wir nun also sehen, dass eine Gruppe von Aktien so heftig ausverkauft wurden, dass sogar Panik zu messen war, dann passt das doch wieder in das Bild, das ich gezeichnet hatte. Die Wochengewinner finden wir diese Woche unter den Versorgern: Value-Aktien mit guter Dividende. Mit einem Wochengewinn von 6,7% hat diese Gruppe alle anderen Branchen abgehängt. Dt. Telekom +10%, Siemens Energy +13%, Encavis +10%, Norden +13%, SMA Solar +11% und Verbio +13% lauten die Wochengewinner. Auch Einzelhändler haben gut abgeschnitten, angeführt von der Global Fashion Group (+18%) und Adidas (+10%). Der Finanzsektor (+4,1%), Logistik (+3,7%), die Gesundheitsbranche (+3,4%) bis hin zum Technologiesektor (+2,5%) konnten viele Branchen im weiteren Wochenverlauf an der Rallye teilnehmen. Einzig die Autobranche (+1%) hinkte hinterher. Spannend, was sich da in dieser Woche abgespielt hat. Nun gilt es zu beurteilen, ob der Ausverkauf damit vorüber ist und wir uns auf einen Lauf des DAX in Richtung 15.000 freuen dürfen, oder aber ob der Ausbruch auf tönernen Füßen steht. Immerhin läuft die Impfkampagne in Deutschland und Europa noch immer suboptimal. Nun kommen Zweifel am Impfstoff von AstraZeneca auf, dem einzigen Impfstoff, den wir hier in Europa in nennenswerter Menge verfügbar haben. Was ist sonst noch so passiert? Nun, Tesla ist beispielsweise nach dem Ausverkauf am Montag am folgenden Dienstag um 20% angesprungen. Nicht schlecht für eines der wertvollsten börsennotierten Unternehmen, oder? Und Gamestop, Spielball der Massen, ist am Mittwoch auf 344 USD gestiegen. Sie erinnern sich, vor einem Jahr noch notierte Gamestop bei 3 USD. Ende Januar war die Aktie schon einmal in Richtung 400 USD gelaufen, um danach in sich zusammen zu fallen. Ende Februar notierte die Aktie bei nur noch 40 USD. Aber totgesagte leben länger: "To the Moon" jubeln die Wallstreetbets bereits im Vorfeld der 1.400 USD-Schecks, die vermutlich erst Ende März in den Haushalten der US-Amerikaner eintrudeln werden. Ich kann gut nachvollziehen, dass vor dem Hintergrund solcher Kurskapriolen Anleger im Bitcoin die bessere Alternative sehen. Doch schauen wir uns zunächst die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (11.03.2021) Woche Δ Σ '21 Δ Dow Jones 32.694 5,5% 7,2% DAX 14.502 4,2% 5,7% Nikkei 29.718 3,0% 8,3% Shanghai A 3.619 -1,4% 1,1% Euro/US-Dollar 1,20 0,3% -2,8% Euro/Yen 130,35 1,1% 2,8% 10-Jahres-US-Anleihe 1,62% 0,06 0,69 Umlaufrendite Dt -0,37% -0,02 0,19 Feinunze Gold $1.725 1,6% -8,4% Fass Brent Öl $69,22 0,0% 34,7% Kupfer 8.939 -3,5% 14,0% Baltic Dry Shipping 1.970 10,7% 44,2% Bitcoin 57.349 19,8% 103,7% Der Ausverkauf im Technologiesektor ist bei den großen Indizes nicht zu sehen: Dow Jones +5%, DAX +4% und Nikkei +3%. Auch die Veränderung auf den Zinsmärkten sieht im Wochenvergleich moderat aus: Die Umlaufrendite in Deutschland hat sich nach der gestrigen EZB-Sitzung wieder gen Süden bewegt. Der Bitcoin hat diese Woche um 20% zugelegt. Ich werte das als Ausdruck des Misstrauens gegenüber der Geldpolitik der Notenbanken. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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