Alt 24.08.12, 22:31
Standard So tickt die Börse: Facebook verpasst Smartphone-Boom
Beitrag gelesen: 1047 x 

Worte, keine Taten. Mit Worten versprach EZB Chef Draghi den Kauf von Staatsanleihen überschuldeter Euroländer über den Sekundärmarkt. Getan hat er es bislang noch nicht. Mit Worten unterstützt Kanzlerin Merkel die Idee von Draghi, doch vorerst fürchten wir das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, ob die Rettungsschirme überhaupt verfassungskonform sind. Und mit Worten hat die US-Notenbank Fed nun auch bereits ein QE3 angekündigt, sofern sich die wirtschaftliche Situation verschlechtern sollte. Getan hat sich jedoch schon lange Zeit nichts mehr.

So euphorisch die Worte in den vergangenen Wochen auch aufgenommen wurden, der DAX ist immerhin um 18% in nur zweieinhalb Monaten angesprungen, so skeptisch werden die Anleger nun, bis Taten folgen. Die nächsten Notenbankentscheidungen sowie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts stehen im September an. Und der September hat einen verheerenden Ruf als einer der schlechtesten Börsenmonate im Jahr. Kein Wunder also, dass wir in diesen Tagen verstärkt Gewinnmitnahmen sehen.

18% in zehn Wochen, da ist ordentlich Rückschlagspotential vorhanden, sollten die Taten nicht entsprechend den Erwartungen ausfallen. Und auf der anderen Seite werden Spekulanten die in ihren Augen "richtigen" Entscheidungen (QE3, Staatsanleihekäufe, Absegnen der Rettungsschirme) dennoch zum Verkaufen ihrer Aktien nutzen, denn die Rallye liegt ja schon hinter uns. Es wird sodann an den fundamental eingestellten Anlegern liegen, ob die Rallye anschließend weitergehen kann oder nicht.

FACEBOOK HAT DEN WANDEL DER ZEIT VERSCHLAFEN

Peter Thiel, geboren 1967 in Frankfurt, groß geworden durch den Aufbau von Paypal, investierte 2004 eine halbe Millionen US-Dollar in Mark Zuckerbergs Facebook. Zum Börsengang im Mai versilberte er knapp die Hälfte seiner Anteile im Rahmen des Börsengangs für 600 Mio. US-Dollar. Diese Woche, direkt nach Ablauf der Sperrfrist, warf er weitere Aktien im Wert von 400 Mio. US-Dollar auf den Markt.

Peter Thiel träumt von fliegenden Autos und Städten auf dem Meeresgrund und beschwert sich über die beschränkte Welt der 140 Zeichen, die über Twitter publiziert werden können. So ist es nicht schwer zu erkennen, dass er auch in Facebook nicht das Vehikel in eine glorreiche Zukunft sieht, sein Verkauf ist somit nur konsequent.

Doch in die Reihe der Skandale im Rahmen des Facebook Börsengangs reiht er sich nahtlos ein. Das Management von Facebook bemüht sich, den Zukunftswert des Unternehmens darzustellen. Facebook habe die Verbreitung und müsse nur noch einen Weg finden, die große Reichweite zu Geld zu machen. Dies werde, so das Unternehmen, irgendwann gelingen, und dann ist Facebook vielleicht tatsächlich die 100 Mrd. US-Dollar wert, die es im Mai im Rahmen des Börsengangs auf die Waage brachte.

Doch noch hat man den Weg nicht gefunden, und nach der Serie von Pleiten, Pech und Pannen ist Facebook heute nur noch knapp die Hälfte davon wert. Nachdem die dreimonatige Sperrfrist endete, blickten die geschädigten Anleger - oder sollte ich besser sagen die "hinter's Licht geführten Anleger" - auf die Insider von Facebook. Die Insider haben doch eine fundierte Meinung von der Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells, und wenn sie vor drei Monaten das Unternehmen mit 100 Mrd. US-Dollar an die Börse brachten, dann werden sie heute zum halben Preis ihre Anteile wohl lieber behalten, wenn nicht gar Aktien nachkaufen, oder? Alles andere wäre das klare Eingeständnis, dass der Börsengang zu einem Mondpreis erfolgte, dass all jene, die den Börsengang gezeichnet hatten, über's Ohr gehauen wurden.

Nun, wir haben nun die Bestätigung, dass selbst Insider den Preis beim Börsengang für einen Mondpreis hielten. Ohne mit der Wimper zu zucken verkauft Peter Thiel den Großteil seiner Anteile zum halben Preis und ist offensichtlich glücklich über die eingenommenen 400 Mio. US-Dollar. Damit zeigt er allen Anlegern, die Facebook Aktien im Depot haben, dass er lieber heute als morgen Facebook den Rücken kehren möchte.

Wenn jemand bereits 600 Mio. US-Dollar durch den Börsengang eingenommen hat, dann ist er in meiner bescheidenen Vorstellung "reich". Wenn er sodann mit ansieht, wie sich der Anlagebetrag sämtlicher Anleger binnen drei Monaten halbiert, dann sollte er vielleicht darauf verzichten, weitere 400 Mio. US-Dollar zu versilbern. Es wäre ein kleines Zeichen um zu zeigen, dass er mit den anderen Anlegern noch im selben Boot sitzt.

Wenn schon Peter Thiel diesen Anstand nicht an den Tag bringt, dann sollte CEO Mark Zuckerberg seinen Einfluss geltend machen und Peter Thiel bitten, auf den Verkauf zu verzichten. Es gibt auch die Möglichkeit, ihm die Aktien außerbörslich (und kursschonend) abzunehmen, genug Geld hat Zuckerberg. es wäre das Zeichen des CEOs, dass er an sein Unternehmen glaubt. Aber auch das ist nicht erfolgt.

So werden wir Anleger mit der Frage allein gelassen, ob Facebook denn überhaupt ein tragfähiges Geschäftsmodell hat. Ich will Ihnen kurz meine Einschätzung darlegen:

Ja, Facebook hat ein tragfähiges Geschäftsmodell, doch nein, es ist nicht so lukrativ, wie es uns im Rahmen des Börsengangs glauben gemacht wurde. Wie viel ist das Geschäftsmodell nun letztlich wert? Nun, da will ich einmal Peter Thiel glauben, und der sagt, es ist noch immer wesentlich weniger wert als heute dafür an der Börse bezahlt wird.

Was ist schief gelaufen? Neben den technischen Problemen am Tag des Börsengangs hat General Motors in den Tagen vor dem Börsengang ein ernstes Problem aufgedeckt: Es sei für das Unternehmen nicht wirtschaftlich, Werbung über Facebook zu schalten. Der Werbeerfolg werde auch allein schon durch die Pflege einer Facebook-Internetseite erreicht. Mit anderen Worten: Es reicht völlig aus, die kostenfreien Angebote von Facebook zu nutzen, um an die halbe Milliarde Facebook-Nutzer zu erreichen. Geld für Werbung an Facebook zu zahlen lohne sich nicht.

Den Grund sehe ich insbesondere in einer Entwicklung: dem Smartphone. Schneller als von irgendjemandem prognostiziert, hat das Smartphone die Welt erobert. Und während Facebook seine Werbung insbesondere über die Webseite vermarkten wollte, ist gerade die junge Generation bereits längstens auf Smartphones umgestiegen. Facebook-Seiten werden per Smartphone aktualisiert. Und Bannerwerbung auf dem Smartphone ist ein echter Nutzerschreck.

Während Bannerwerbung auf dem großen Computerbildschirm noch geduldet, manchmal sogar angeklickt wird, ist Werbung auf dem Smartphone verhasst. Der kleine Bildschirm sollte möglichst effizient für Inhalte genutzt werden, die Internetverbindung ist häufig, wenn auch nicht kostenpflichtig, so denn doch im Trafficvolumen limitiert, und da will sich niemand durch Werbung seine Monatsrechnung kaputt machen lassen.

Facebook hat das Problem schon vor dem Börsengang erkannt und verbreitete die Meinung, dass man einen Weg gefunden habe, die Smartphone-Nutzer ebenfalls in den Werbemix einzubeziehen. Gezeigt wurde bis heute nichts was funktioniert. Es hat sich gezeigt, dass Facebook genauso ohnmächtig dem Smartphone-Boom gegenüber steht wie alle anderen Unternehmen abgesehen von Google, Samsung und Apple.

Also: Von der großen Nutzergemeinde kann Facebook nur diejenigen über Werbung zu Geld machen, die noch über die archaischen Computer ins Internet gehen. Ein zunehmend großer Anteil, und darunter insbesondere die aktiven Facebook-Nutzer, erledigen gerade ihre täglichen Sozial-Statements über das Smartphone und sind damit für Facebook zum Geld verdienen nicht brauchbar.

Wenngleich die Entscheidung Peter Thiels, seine Anteile zu verkaufen, moralisch fragwürdig ist, so ist die Entscheidung aus rein wirtschaftlicher Sicht noch immer richtig: Solange Facebook keinen Weg findet, Werbung auf Smartphones zu schicken, die von Facebook-Nutzern angenommen wird, wird der Kurs weiter auf Talfahrt bleiben.

Es wird also noch eine Weile beim Börsenwitz bleiben: Was wird den Preisverfall der Facebook-Aktie stoppen? Die tägliche Schlussglocke der Börse.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenverlauf entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (23.8.2012) | Woche ?

Dow Jones: 13.057 | -1,5%
DAX: 6.950 | -0,7%
Nikkei: 9.071 | -1,0%
Euro/US-Dollar: 1,25 | 1,4%
Euro/Yen: 98,62 | 0,5%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,67% | -0,17
Umlaufrendite Dt: 1,21% | -0,03
Feinunze Gold: $1.665 | 3,0%
Fass Brent Öl: $114,22 | 0,4%
Kupfer: 7.619 | 1,7%
Baltic Dry Shipping: 715 | -0,7%



Die Aktienbörsen verzeichnen ein kleines Minus. In meinen Augen nichts weiter als Gewinnmitnahmen nach den heftigen Kursgewinnen der vergangenen Wochen.

Der Euro, ohh Wunder, steigt weiter an. Ich fühle mich in meiner Euro-Analyse vom vergangenen Freitag bestätigt (Ausgabe 33 Kapitel 03).

Wenn auch verspätet, beginnen nun auch die Edelmetalle, den Lösungsweg einzupreisen: Neue Liquiditätsschwemmen führen zu steigenden Edelmetallpreisen, das Gold ist diese Woche aus dem Seitwärtstrend mit steigenden Tiefs nach oben ausgebrochen (über die Marke von 1.630 USD/Oz) und hat nun im ersten Schritt Luft bis 1.720 USD/Oz.

Auch die stärker an der Konjunktur hängenden Preise für Öl und Kupfer sind angestiegen, was die Erwartung einer erfolgreichen Belebung der Konjunktur widerspiegelt. Sie sollten dabei berücksichtigen, dass diese Preise der Konjunkturentwicklung in der Regel sechs bis neun Monate vorauseilen. Wir können also durchaus noch bis Anfang nächsten Jahres schwache Konjunkturdaten in Europa und auch Deutschland haben, ohne diese Erwartung zu widerlegen.

Entsprechend ist das Sentiment insbesondere unter den Analysten auf einem Tiefpunkt. Schauen Sie selbst:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
03.08.- 10.08. (299): 45% / 12%
10.08.- 17.08. (281): 44% / 12%
17.08.- 24.08. (213): 42% / 19%

Kaufempfehlungen der Analysten
Apple, BHP Billiton, Swiss Life

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Noble Biocare, Straumann Hldg., Symrise

Privatanleger
32. KW: 54% Bullen (140 Stimmen)
33. KW: 56% Bullen (126 Stimmen)
34. KW: 54% Bullen (137 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Veolia, Carrefour, Sky Dtl.

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Dell, Abengoa, KabelDeutschland


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Nur 42% Kaufempfehlungen durch Analysten und 19% Verkaufsempfehlungen, das sind recht pessimistische Werte. Zum Teil können wir das Sommerloch für diese Zahlen verantwortlich machen. Der eine oder andere Analyst nutzt vermutlich das Desinteresse der Anleger, um heimlich seine schwarzen Schafe auf ein vernünftiges Niveau abzuwerten, sprich Fehler einzugestehen. Gleichzeitig bleibt der Effekt einer Aufwertung in diesen Tagen recht gering, was den Analysten davon abhalten wird, heute eine Aktie hochzustufen. Da wartet er lieber noch ein paar Wochen bis er sich der vollen Aufmerksamkeit der Finanzbranche sicher sein kann.

Privatanleger hingegen bleiben mit 54% Bullen verhältnismäßig optimistisch eingestellt.

In der Sentimentanalyse von animusX zeigt sich, dass insbesondere institutionelle Anleger zwar kurzfristig optimistisch eingestellt bleiben, sie die Rallye jedoch zum Aufbau von Short-Positionen nutzen. An eine nachhaltige Verbesserung glaubt man dort offensichtlich nicht. Entsprechend ist die Cashquote bei institutionellen Anlegern recht niedrig, jedoch eben durch Investitionen auf der Short-Seite.

Kräftige Verkäufe sind dadurch nicht mehr zu fürchten, im Gegenteil, ab einem Niveau um 6.800 Punkten im DAX erwarte ich aufkommendes Kaufinteresse seitens der institutionellen Anleger, die ihre Short-Positionen eindecken und Long-Positionen eingehen werden.

Schauen wir einmal, welchen Titeln Analysten die größten Kurschancen einräumen:

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Unternehmen | Analyse v. | Kurs | Kursziel | Upside

Zooplus | 20.8 | 25,58 € | 55,00 € | 115,01%
Elmos Semi | 23.8 | 6,82 € | 13,00 € | 90,62%
Deutsche Forfait | 23.8 | 3,66 € | 6,30 € | 72,13%
SAF Holland | 20.8 | 4,81 € | 8,00 € | 66,32%
Wacker Chemie | 20.8 | 51,96 € | 85,00 € | 63,59%
Asian Bamboo | 23.8 | 6,91 € | 11,00 € | 59,19%
Celesio | 21.8 | 13,84 € | 20,00 € | 44,51%
E.ON AG | 24.8 | 18,01 € | 26,00 € | 44,36%
Norma | 21.8 | 20,11 € | 29,00 € | 44,21%
RIB Software | 21.8 | 4,88 € | 7,00 € | 43,44%



Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.

Elmos Semi, RIB Software, Wacker Chemie, ... es rücken wieder verstärkt konjunktursensible Unternehmen in den Fokus. Aber mit Deutscher Fortfait, E.On und Celesio werden auch nicht-zyklische Aktien empfohlen. Analysten haben sich offensichtlich tatsächlich noch nicht entschieden, ob sie eher einen defensiven oder aggressiven Anlagestil empfehlen sollen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 00:23 Uhr.
Top 



copyright: imagine Grafik - DTP - Webdesign - [AGB / Datenschutz]