Alt 23.04.12, 11:58
Standard Reihe schlechter Nachrichten lässt Kurse einbrechen
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FRANKFURT (Dow Jones) - Die europäischen Börsen gehen zu Wochenbeginn in die Knie. Wieder einmal sind es die Schuldenkrise in der Eurozone und die Reaktionen der Politik, die die Märkte in Atem halten. Neben dem Ergebnis der Präsidentschaftswahl in Frankreich, steht vor allem die Entwicklung in den Niederlanden im Fokus. Dem Land droht der Verlust der Spitzenbonität, denn nach wochenlangem Gezerre über den Haushalt sind die Verhandlungen der Regierungskoalition am Wochenende geplatzt. Der DAX quittiert die negativen Meldungen mit einem Minus von 2,6 Prozent auf 6.575 Punkte, der Euro-Stoxx-50 sinkt um 2,2 Prozent auf 2.261 Punkte.

In Frankreich hat der Sozialist François Hollande die erste Runde der Präsidentschaftswahlen für sich entschieden und fordert in einer Stichwahl am 6. Mai nun Amtsinhaber Nicolas Sarkozy heraus. Seine Ankündigungen kommen an den Märkten weiterhin nicht gut an. Hollande hat unter anderem massive Steuererhöhungen für Besserverdienende und neue Verhandlungen über den Fiskalpakt in der EU gefordert. "Die Marktteilnehmer sorgen sich, dass Hollande eine Reihe von Verträgen überprüfen wird, die sein Vorgänger unterschrieben hat. Das europäische Problem ist nicht aus der Welt", warnt Marktexperte Andrew Sullivan von Piper Jaffray.

Allerdings kommt die Wahlentscheidung alles andere als überraschend, deuteten die Meinungsumfragen doch schon seit Wochen auf einen derartigen Ausgang hin. Das größere Schockpotenzial besitzt daher die Entwicklung in den Niederlanden: Dort steht die Regierung möglicherweise vor Neuwahlen. Dies könnte das Sparpaket und damit das AAA-Rating gefährden. Damit stehe gleichzeitig wieder die Lastenverteilung an den Euro-Rettungsschirm in Frage. "Das kommt von völlig überraschender Seite", sagt ein Händler. Das Land stehe damit möglicherweise vor Neuwahlen.

Auch konjunkturell läuft es nicht rund in Europa. Neue Geschäftsklima-Indizes und neue Einkaufsmanager-Indizes sind überwiegend enttäuschend ausgefallen. "Als wären die Polit-Nachrichten aus Holland und Frankreich nicht schlimm genug, kommt auch das noch dazu", sagt ein Händler. In den Niederlanden fiel das Geschäftsklima im April auf minus 3,3 nach zuvor minus 2,6 Punkten, in Frankreich ging es auf 95 nach 98 zurück. Selbst die Daten aus Deutschland überzeugten kaum. "Das ist weitaus dramatischer als gedacht", sagt ein Händler: "Die gesamte Hoffnung auf eine Frühjahrsbelebung wird damit Makulatur".

Chinas Wirtschaft kommt nicht richtig in Schwung

Auch aus Asien kommt nichts Aufmunterndes. Der von HSBC ermittelte vorläufige chinesische Einkaufsmanagerindex ist im April zwar leicht gestiegen, liegt mit 49,1 aber bereits den sechsten Monat in Folge unter der Expansionsschwelle von 50. Die Daten sind jedoch nicht schlecht genug, um Hoffnungen auf mögliche Schritte zur Wirtschaftsbelebung zu schüren. China dürfte kurzfristig keine aggressiveren konjunkturstimulierenden Maßnahmen ergreifen, da der Trend nach oben zeigt, sagt Marktstratege Zhang Gang von Central China Securities. An den asiatischen Börsen ist es daher zu leichten Verlusten gekommen.

Eine gute Nachricht gibt es zwar, doch geht sie unter: Die Aufstockung der IWF-Mittel auf 430 Milliarden US-Dollar gegen Finanzkrisen bezeichnen Marktteilnehmer als eingepreist. "Das ist im erwarteten Rahmen und kein Durchbruch, das meiste Geld dazu kommt eh aus Europa", sagt ein Analyst.

Auch die Entwicklung am Devisenmarkt spiegelt die angespannte Lage in Europa wider. Der Euro notiert mit 1,3152 Dollar klar unter den 1,3215 Dollar aus dem späten Freitagshandel in New York. "Es gibt Bedenken, dass die Versprechen von Hollande zu Spannungen mit anderen europäischen Staaten führen könnten", sagt ein Devisenstratege. Der Fokus des Marktes könnte von Sparmaßnahmen auf Programme zur Stimulierung der Wirtschaft gelegt werden. Das aber würde den bisherigen Vereinbarungen zwischen Deutschland und Frankreich zur Bewältigung der Finanzkrise widersprechen.

Gefragt ist dagegen der "sichere Hafen" der Anleihen. Der Juni-Kontrakt des Bund-Future ist erneut auf ein neues Allzeithoch gestiegen. Der Kontrakt signalisiert damit ungebrochene Nachfragen nach deuten Staatspapieren, obwohl deren Rendite auf Rekordtief liegt.

Nestle setzt auf Expansion - Philips auf die Trendwende

Unter den Einzelwerten steht Nestle im Blick. Die Schweizer bauen ihre Marktführerschaft im Bereich Babynahrung mit einem Milliardenkauf aus. Für 11,85 Milliarden US-Dollar übernehmen sie das Babynahrungsgeschäft des US-Pharmakonzerns Pfizer. 2011 erzielten die Amerikaner damit Erlöse von rund 2,1 Milliarden Dollar. Nestle ist bereits Marktführer bei Säuglingsmilch.

"Der Preis erscheint hoch, wirkt sich aber schon im ersten Jahr positiv auf den Gewinn je Aktie aus", meint Analyst Patrick Schwendimann von der Zürcher Kantonalbank, der die hohen Margen des Geschäfts lobt. Die Aktie verzeichnet zwar einen Verlust von 2,2 Prozent bzw. 1,25 Franken. Der ist aber ausschließlich dem heute fälligen Dividendenabschlag von 1,95 Franken zuzuschreiben.

Philips entziehen sich mit einem Plus von 4,7 Prozent auf 15,02 Euro dem Abwärtssog. Der niederländische Elektronikkonzern hat Umsatz und Gewinn im ersten Quartal deutlich gesteigert. Dank besserer Margen blieb von den Umsätzen unterm Strich auch wieder mehr hängen. Die Analysten von Kepler loben die Margenentwicklung, die zuvor über mehrere Quartale hinweg enttäuscht hatte.

Gute Vorgaben helfen Stahlwerten nichts

Die gebeutelten europäischen Stahlwerte profitieren nicht von guten Vorgaben aus Asien. Hier waren die entsprechenden Titel gefragt, nachdem sich die Experten von Barclays Capital positiv zu dem Sektor in Asien geäußert hatten. Es gebe erste Anzeichen einer moderaten Nachfrageerholung in China und bewertungstechnisch sei die Branche attraktiv. ArcelorMittal fallen um 4,7 Prozent auf 12,32 Euro. Die Analysten der Schweizer UBS haben das Kursziel auf 17 von 21,50 Euro gesenkt. Sie begründen das mit der sich abzeichnenden Ergebnisschwäche in diesem Jahr. Langfristig sind sie aber nicht negativ gestimmt: Das aktuelle Umfeld für Stahl sei zwar schwach, das dürfte aber kaum auf Dauer so bleiben.

Lufthansa will kräftig sparen

Die Lufthansa plant dagegen das, was Europas Staaten schwer fällt. Die Fluggesellschaft setzt den Rotstift an und das nicht zu knapp. Durch das Programm will Lufthansa in den kommenden drei Jahren das operative Ergebnis um mehr als 1,5 Milliarden Euro steigern. "Das sieht ziemlich drastisch aus und ist mehr, als der Markt erwartet hatte", sagt ein Händler. Allerdings gibt es auch skeptische Stimmen: "Lufthansa muss das erst einmal gegenüber der Belegschaft durchsetzen - und die ist stark organisiert", meint ein Analyst. Die Aktie fällt um 3,9 Prozent auf 9,50 Euro.

DJG/mif/ros

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