Alt 04.02.12, 12:18
Standard So tickt die Börse: Amazon & Facebook
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FACEBOOK IPO WIRD DAS EVENT DES BÖRSENJAHERS 2012.

Wie viel ist Facebook wert? Und welches Preisschild wird für den Börsengang an Facebook gehangen? Zwei unterschiedliche Dinge, die ich hier kurz erläutern möchte.

Facebook hat inzwischen einen Marktanteil von 28% auf dem Markt für Werbebanner. Weit vor dem zweitplatzierten Yahoo! mit 11%, gefolgt von Microsoft und Google. Ja, Google hat kaum Werbebanner, Google dominiert bei Textanzeigen, die jedoch nicht so hohe Werbeeinnahmen bringen wie Banner.

Der Umsatz mit Werbebannern hat sich bei Facebook im vergangenen Jahr verdoppelt. Nicht von einer kleinen unbedeutenden Ziffer aus, sondern schon zuvor lagen die Einnahmen im Milliardenbereich. Es gibt nur wenige Unternehmen mit Milliardenumsätzen, die ihren Umsatz binnen Jahresfrist verdoppeln können. Und Facebook beginnt gerade einmal, die Umsatzmöglichkeiten mit den 800 Millionen Facebook-Nutzern auszuloten. Wer weiß, welche Einnahmequellen dem Unternehmen neben Werbebannern noch einfallen.

Inzwischen ist Facebook nicht mehr nur für Schulkinder hipp, sondern auch die ältere und konservativere Mittelschicht hat vielfach ein Facebook Account. Datenschutzprobleme sorgen zwar immer wieder für negative Schlagzeilen, doch letztlich möchte kaum jemand den Zug der Facebook-Gemeinde verpassen. Xing spürt schon den Atem von Facebook bei seinen Geschäftskontakten im Nacken.

Wie viel ist Facebook also wert? Nun, Mark Zuckerberg selbst hat bereits die 100 Mrd. USD Marktkapitalisierung als Ziel ausgerufen. Ich habe bereits eine Reihe von schlüssigen Bewertungsansätzen gesehen, die auf Werte zwischen 70 und 110 Mrd. USD kommen. Gehen wir also einmal der Einfachheit halber davon aus, dass die Zielgröße 100 Mrd. USD realistisch ist. Wie könnte nun der Börsengang (IPO) vonstatten gehen?

Seien Sie bitte nicht so naiv zu glauben, dass die Konsortialbanken (also die Banken, die den IPO organisieren und umsetzen) einen „fairen“ Wert für das Unternehmen ausrechnen und die auszugebenden Aktien mit einem entsprechenden Kurs versehen. Es gibt verschiedene Strategien, für die Banken und für Facebook, das Maximum aus dem IPO herauszuholen. Hier zwei Beispiele:

1. Künstliche Verknappung: Der Wert wird auf nur 50 Mrd. USD taxiert, und am Tag des IPOs werden lediglich 5% der Anteile ausgegeben, die restlichen 95% der Aktien verbleiben bei den Altaktionären. Mit 50 Mrd. USD Marktkapitalisierung wird Facebook umgehend in diversen Indizes enthalten sein und jede Menge Fondsmanager werden Facebook Aktien kaufen müssen. Wenn dann aber nur 5% der Aktien ausgegeben werden, erhält jeder Kaufinteressent beispielsweise nur ein Viertel der Anzahl von Aktien, die er eigentlich haben wollte.

Institutionelle Anleger haben stets Zielgrößen für ihre Portfoliopositionen und müssen diese erreichen, sonst stimmt die Finanzmathematik des Portfolios nicht. Also müssen sie die fehlenden drei Viertel der Position nach dem IPO über den freien Markt kaufen, über die Börse. Da es aber kaum frei gehandelte Stücke gibt, wird der Preis durch diese Nachfrage umgehend in die Höhe katapultiert.

Es ist nicht unwahrscheinlich, dass bei diesem Vorgehen der Aktienkurs binnen weniger Stunden um 100% ansteigt und die „Zielgröße“ von 100 Mrd. USD Marktkapitalisierung erreicht wird. Wenn alles gut läuft für die Banken, schießt die Aktie sogar darüber hinaus.

Privatanleger bleiben in diesem Haifischbecken auf der Strecke, sie werden bei der IPO-Zuteilung kaum berücksichtigt und haben am Tag des IPOs kaum die Nerven, die Aktie mit einem Plus von 80% noch zu kaufen.

Sind die 100% Plus dann erreicht, also die Zielgröße, dann geben die Altaktionäre weitere Stücke in den Markt. Über Tage können dann zu diesen Kursen „eigene Aktien“ der Altaktionäre an die Börse strömen, die dort von der verrückt gewordenen Masse aufgesogen werden.

2. die Banken können auch gleich das Preisschild 100 Mrd. USD an Facebook hängen und gleich eine größere Anzahl an Aktien in den IPO geben. Dadurch würden dann auch Privatanleger einen Anteil an Facebook erhalten können, und auch institutionelle Anleger könnten von vornherein mit einer passenden Positionsgröße bedacht werden. Alle, die ein Interesse an Facebook Aktien haben, werden durch den IPO bedacht, der Börsenhandel ist anschließend schleppend, da die meisten Aktionäre die Aktien für einen längeren Zeitraum behalten möchten.

In den Finanzmedien wird der Erfolg oder Misserfolg eines Börsengangs am Kursplus des ersten Tages gemessen – leider. Springt die Aktie also um 100% in die Höhe, dann war der IPO „erfolgreich“, geht die Aktie unverändert aus dem Rennen, so steht der Finanzpresse die Enttäuschung auf die Titelseite geschrieben. Unberücksichtigt bleibt dabei, wie viele denn letztlich im Rahmen des IPOs Aktien zugeteilt bekamen.

Facebook hat nun bekannt gegeben, im Frühjahr an die Börse gehen zu wollen. Bitte entscheiden Sie sich nicht zu früh, ob Sie beim IPO dabei sein wollen oder ob Sie die Aktie kaufen müssen. Warten Sie bis zur Bekanntgabe der IPO-Konditionen und entscheiden Sie dann kurzfristig, ob diese Konditionen günstig sind oder nicht.

Schauen wir einmal, wie die einzelnen Indizes auf diese Entwicklungen reagiert haben:

Wochenperformance der wichtigsten Indizes

INDIZES (02.02.2012) | ?

Dow Jones: 12.705 | -0,2%
DAX: 6.656 | 1,8%
Nikkei: 8.832 | -0,1%
Euro/US-Dollar: 1,31 | 0,3%
Euro/Yen: 100 | -0,8%
10-Jahre-US-Anleihe: 1,83% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 1,50% | -0,1
Feinunze Gold USD: $1.758 | 2,3%
Fass Brent Öl USD: $111,96 | 1,1%
Kupfer in US$/to: 8.332 | -2,7%
Baltic Dry Shipping I: 651 | -13,5%


Nach wie vor hängt der DAX in seiner Aufholjagd sämtliche anderen Indizes weltweit ab. Der Goldpreis zieht wieder an, obwohl die Angst vor dem Wirtschaftskollaps langsam abnimmt – Grund ist wohl die nunmehr aufkommende Angst vor Inflation.

Und der Baltic Dry Shipping Index bricht weiter ein. Nach wie vor gehe ich davon aus, dass die vielen in den vergangenen Wochen in Betrieb genommenen Transportschiffe die Ursache für diesen kurzfristigen Preiseinbruch sind.

Schauen wir und nun noch die Stimmung unter Anlegern und Analysten an:

Sentimentdaten

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
13.01.- 20.01. (561): 51% / 11%
20.01.- 27.01. (263): 51% / 12%
27.01.- 03.02. (294): 50% / 13%

Kaufempfehlungen der Analysten
Royal Dutch Shell, ABB, ThyssenKrupp

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Nokia, Wacker Chemie, Banco Santander

Privatanleger
03. KW: 64% Bullen (137 Stimmen)
04. KW: 60% Bullen (142 Stimmen)
05. KW: 51% Bullen (145 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Bank of Ireland, PagesJaunes Group, Archos S.A.

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
BMW, BNP Paribas, MAN SE


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Die Skepsis steigt, sowohl Analysten als auch Privatanleger trauen dem Kursanstieg nicht mehr so richtig und wechseln langsam auf die Seite der Bären.

Erstaunlich finde ich, dass weder Analysten noch Privatanleger Banken das Überleben dieser Krise zutrauen, obwohl die EZB doch schon seit Wochen gerade den Bankensektor mit Liquidität flutet. Hier dürfte die Rallye im Bankensektor noch lange nicht vorbei sein.

VERWIRRENDE QUARTALSZAHLEN VON AMAZON

Gründer und CEO Jeff Bezos ist bekannt für seine Kompromisslosigkeit. Immer wieder hat er den kostspieligen Wachstumsdrang über die kurzfristigen Gewinnambitionen seiner Aktionäre gestellt. Mir fallen ohne weiteres fünf Quartalsberichte ein, mit denen er seit dem Börsengang Amazons im Jahr 1997 seine Aktionäre verprellt hat: Zuerst Wachstum, dann Gewinne!

Zunächst war es die überlegene Software, die er für viel Geld stricken ließ. Dann waren es die teuren Logistikzentren, die er weltweit baute. Dann kam die teure aber geniale One-Klick-Abwicklung hinzu, die er sich auch gleich patentieren ließ. Und schließlich holte er mit günstigen Konditionen viele Online-Händler als Kooperationspartner auf seine Plattform. Verdient wird später, so sein Credo, zunächst müssen wir den Weltmarkt aufrollen.

Und nun kommt mit viel Marktgetrommel das Kindle Fire, wo Amazon für jedes verkaufe Gerät einen Obolus draufzahlt. Erneut stimmte Bezos seine Anleger auf seine Expansionsstrategie ein, und wer ihm die vergangenen vier mal vertraut hat, der wurde schließlich mit einem üppigen Aktienkursgewinn belohnt. Ohne Aktiensplits würde die zu 17 USD ausgegebene Aktie heute bei 1.778,20 USD notieren, ein Plus von über 1.000%.

Wie sieht es diesmal aus? Amazon hat diese Woche entsprechend den Befürchtungen schlechte Zahlen präsentiert. Noch schlechter als von Analysten erwartet und damit wieder einmal im Akkord mit den früheren Expansionsphasen, wo Analysten es Jeff Bezos niemals abnahmen, wie konsequent er in die Zukunft investiert und wie viel Geld er dafür in kürzester Zeit locker macht.

Doch diesmal überrascht eine andere Zahl weit mehr: Der Umsatz. Es hätte mich nach den früheren Erfahrungen nicht überrascht, wenn Bezos uns überragende Umsatzzahlen präsentiert und im zweiten Satz erwähnt hätte, dass aber keine Gewinne erwirtschaftet wurden. Doch diesmal lag der Gewinn über den Erwartungen aber der Umsatz blieb zurück. Was ist passiert? Weiß Bezos nicht mehr, wie er in Wachstum investieren muss?

Zahlen zum Kindle Fire wurden nicht bekannt gegeben, Bezos sprach lediglich von einem Wachstum von 88%, verriet aber nicht auf welcher Basis. Das Kindle Fire soll im Amazon-Universum eine Kundenbeziehung aufbauen wie Apples iPad über iTunes zum App Store. Spiele, Programme und bei Amazon natürlich Bücher sollen auf das Kindle Fire geladen werden. Wenn es Amazon gelingt, das Kindle Fire im Markt oder in einer Nische zu etablieren, dann wird Amazon darüber seine Kundendatenbanken mit weiteren Verhaltensdaten aufforsten können, ein großer Wert für die gezielten Werbemaßnahmen des Unternehmens.

Doch es besteht auch die Gefahr, dass das Kindle Fire wie die anderen Touchpads vom iPad überrollt wird. Immerhin hat Apple nun eine Kooperation mit einigen Schulen gestartet und will sämtliche Schulbücher auf dem iPad verfügbar machen. War Bezos zu langsam?

Ist Amazon überhaupt in der Lage, ein Touchpad mit Hard- und Software anzubieten, das den hohen Ansprüchen am Markt genügt? Oder ist Amazon letztlich doch nichts weiter als ein Einzelhändler, wenn auch stark technologieorientiert?

Ich muss zugeben, ich kann diese Frage nicht beantworten: Alles spricht dafür, dass das Kindle Fire nicht gegen das iPad wird bestehen können. Doch das Kindle Fire als einen Fehler abzustempeln, würde heißen, gegen Jeff Bezos zu wetten – und damit lag man bislang immer falsch.

So ist Amazon durch die jüngsten Zahlen in meinen Augen zu einer Aktie geworden, mit der man vorerst nicht spielen darf. Weder dürfen Sie die Aktie kaufen, noch leerverkaufen. Der Kampf ist im Gange und es ist noch zu früh, einen Gewinner auszumachen. Warten wir also auf das nächste Quartalsergebnis in drei Monaten.

Klar, ich könnte eine reißerische Empfehlung schreiben, in der ich die Qualitäten und den Weitblick des Jeff Bezos hervorhebe. Ich könnte auch die Aktie zerreißen, indem ich den schwachen Umsatz als den Anfang vom Ende herausstelle. Manchmal ist es aber für einen Anleger das beste, sich einfach ehrlich einzugestehen, dass wir uns in dieser Situation keine Meinung bilden können. Und bei Amazon ist das derzeit der Fall. Ich rate also vorerst einmal abzuwarten.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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