Alt 27.03.11, 07:35
Standard So tickt die Börse: Der falsche Weg des Euros
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So, nun habe ich mir die Regierungserklärung von Angela Merkel, in der sie die Haftungsbegrenzung Deutschlands im Rahmen des europäischen Rettungsfonds betont, einmal angeschaut. Ich würde meinen, meine volkswirtschaftliche Ausbildung, die ich in diesem Land genießen durfte, war für die Katz, wenn das stimmt, was sie sagt.

Merkel hätte sagen können, die 22 Mrd. Euro, die Deutschland einzahlen soll, sind die Obergrenze für den Rettungsfonds, solange ausreichend Kapital im Rettungsfonds vorhanden ist, um jeweils betroffenen Ländern zu helfen. Nachdem nun Griechenland und Irland Hilfen in Anspruch genommen haben, sieht es nach dem Scheitern der portugiesischen Regierung danach aus als würde das Land der Sardinen ebenfalls unter den Rettungsschirm schlüpfen.

Danach wird man sich an den internationalen Finanzmärkten Spanien und Italien zuwenden.

Sie kennen mich als Optimisten, doch die Entwicklung des Euros läuft leider in die Richtung, die ich seit einigen Jahren hier im Heibel-Ticker aufgezeigt habe: 2013 bis 2017 erwarte ich eine deutliche Änderung der Aufstellung des Euros, um es einmal vornehm auszudrücken.

Immer wieder hat die EZB darauf hingewiesen, dass Schulden in der EU nicht „solidarisiert“ werden dürfen. Wir haben keine Solidargemeinschaft, sondern eine Währungsgemeinschaft. Für eine Solidargemeinschaft fehlen wichtige vertragliche Voraussetzungen für eine engere Abstimmung der nationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Angela Merkel behauptet in ihrer Rede, dass die Exporte Deutschlands in die anderen EU-Länder in den vergangenen 10 Jahren um nominell 48% angestiegen seien. Nominell, nicht real. Wenn wir einmal die Inflationsrate der vergangenen 10 Jahre abziehen, bleiben noch etwa 17% Exportwachstum übrig. 17% verteilt auf 10 Jahre, dazu noch akkumuliert, da bleibt ein jährliches Wachstum von knapp einem Prozent übrig. Das hört sich schon anders an als „48% Exportwachstum durch den Euro“.

Die „no-bailout-rule“, die Regel, dass Mitgliedsländer ihren in eine Schuldenkrise geratenen Partnern eben nicht helfen, ist nun zu einer „ultima ratio“ geworden, Hilfe nur im äusserst letzten Fall. Wie schnell dieser Fall verfrüht deklariert werden kann, haben wir an Griechenland gesehen. Bis zum heutigen Tage gab es dort noch keinen Schuldenschnitt, keine Umschuldung, keine Beteiligung der Käufer von Staatsanleihen, die dicke Renditen ohne Risiko einstreichen durften. Wenn „ultima ratio“ heißt, riskante Geschäfte zu schützen, dann sehe ich die Zukunft des Euros kritisch.

Keine Angst, ich spreche hier nur über das Papier Euro, oder die Münzen oder vielmehr die Ziffern, die Sie auf Ihrem Kontoauszug sehen. Bei aller Kritik werden wir Deutschen auch eine weitere Eurokrise gut meistern. Doch es ist schon ärgerlich, wenn man im Vorfeld frühzeitig die Fehler erkennt und dennoch nichts ändern kann.

Von 200 deutschen Volkswirtschaftsprofessoren haben 90% eine Petition gegen die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms unterschrieben. Volkswirte finden für JEDE Theorie eine Begründung. In der Volkswirtschaft kann ich Ihnen jegliche Sachverhalte beweisen – ich brauche zwischendrin nur einmal tief durchatmen, dann kann ich Ihnen das Gegenteil beweisen. So ist es in meinen Augen revolutionär, dass sich 90% der Volkswirte ÜBEREINSTIMMEND gegen die Vergrößerung des Euro-Rettungsschirmes aussprechen.

Details können Sie hier finden: http://www.wiso.uni-hamburg.de/lucke/?p=581

Es bleibt dabei: Kaufen Sie Gold. Währungsreformen sind kein Weltuntergang, aber man muss sich ja nicht voll und ganz dem Euro ausliefern.

Professor Issing, der ehemalige Chef-Volkswirt der EZB, hat inzwischen verlauten lassen, dass er eine Lösung der Schuldenproblematik in Griechenland ohne Umschuldung nicht für möglich hält.

Vor zwei Wochen hatte ich im Heibel-Ticker das Schlupfloch nationaler Notenbanken angesprochen: In einer akuten Notsituation dürfen nationale Notenbanken auch einmal etwas mehr Euros ausgeben als gerechtfertigt. In Irland kauft die Notenbank munter Unternehmensanleihen von Banken auf, die mit meiner Meinung nach ziemlich wertlosen Papieren besichert sind. Zumindest werden diese Sicherheiten von der EZB nicht akzeptiert, sonst müsste nicht die irische Notenbank „akut“ einspringen.

Auf 50 Mrd. Euro wurde das Volumen der so in den Markt gepumpten Liquidität in Irland geschätzt. Eine Summe, die man einfach nur in der Bilanz der irischen Notenbank findet. Und wenn diese einmal Liquiditätsprobleme haben sollte springt die EU ein...

...oder Deutschland? Diese Woche habe ich einen Bericht gesehen, dass die Deutsche Bundesbank vor vier Jahren Euro-Kredite innerhalb der EU mit einem Volumen von 5 Mrd. Euro vergeben hatte. Heute sind es über 300 Mrd. Euro. Schuldner? Griechenland, Irland, Portugal und Spanien. Professor Hans Werner Sinn fragt nun öffentlich nach der rechtlichen Grundlage für diese „Quersubventionierung“.

Also: Frau Merkel hätte meines Erachtens sagen dürfen: „Wenn wir aus dieser Krise herauswachsen können, dann kommen keine weiteren Kosten mehr auf uns zu.“ Das wäre meines Erachtens eine ehrliche Betrachtung. Ich habe nichts gegen Optimismus, im Gegenteil. Und ich kann mir tatsächlich gut vorstellen, dass ein erstarktes Europa einen Großteil der heutigen Schuldenkrise später als „Kleinigkeit“ in den Geschichtsbüchern vermerken kann.

Aber dazu gehört mehr als Lippenbekenntnisse der anderen EU-Mitglieder, künftig disziplinierter mit dem eigenen Haushaltumzugehen. In der gesamten Regierungserklärung von Frau Merkel habe ich nicht entdeckt, dass der seit 20 Jahren! geforderte automatische Sanktionsmechanismus gegen Defizitsünder überhaupt noch ein Thema ist. Nein, bislang haben die Selbstverpflichtungserklärungen nicht funktioniert, aber alle versprechen, künftig Selbstverpflichtungserklärungen einzuhalten. Wirklich. Hmmm...

Wo sollen wir also unser Geld hinpacken? In Staatsanleihen? Um Gottes Willen. In Grund und Boden? Vielleicht, da es sich um reale Werte handelt. Doch sollten die Euro-Schulden weiter ausufern, wird das besteuert, was nicht flüchten kann. Wie sieht’s mit Unternehmensanleihen aus? Hier muss man genau hinschauen, wir haben einige attraktive in unserer Beobachtungsliste. Was bleibt? Aktien.

Diese Woche haben mich viele Leserfragen erreicht, die mich fragten, wie denn die Aktienbörse vor dem Hintergrund der jüngsten Ereignisse überhaupt steigen könne?

Libyen wird von einer zerstrittenen Nato bombardiert, die USA haben wieder einmal alle hinter’s Licht geführt und nach bestehender Einigkeit über eine Unterstützung der Rebellen in Libyen die möglichen Maßnahmen gleich noch auf weitreichende militärische Aktionen erweitert. Gleichzeitig schwelt es in diversen anderen Ländern, mir fallen ad hoc noch Bahrain und Syrien ein.

Die verheerende Situation in Japan brauche ich Ihnen nicht zu schildern, da sind Sie durch die Tagespresse sicher auf dem Laufenden.

In Europa droht Portugal zu kippen.

Warum die Aktien nun steigen, habe ich Ihnen hier teilweise aufgeführt. Doch welche Aktien steigen, werde ich Ihnen im nächsten Kapitel zeigen. In diesen Tagen findet ein großer Schwenk statt, Technologie- und Finanzaktien werden verkauft. Rohstoff- und Energieaktien sind gefragt.

Schauen wir uns aber zunächst einmal die Wochenperformance an.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (24.03.2011)

Dow Jones: 12.171 | 3,4%
DAX: 6.934 | 4,2%
Nikkei: 9.435 | 2,5%
Euro/US-Dollar: 1,418 | 0,6%
Euro/Yen: 114,77 | -0,2%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,40% | 0,2
Umlaufrendite Dt: 2,97% | 0,1
Feinunze Gold USD: $1.431,45 | 1,7%
Fass Crude Öl USD: $105,37 | 1,9%
Kupfer in US$/to: 9.713 | 1,5%
Baltic Dry Shipping I: 1.565 | 2,1%


Der DAX hatte gegenüber dem Dow Jones überproportional verloren, so ist nun die überproportionale Gegenbewegung nur gerecht. Nie zuvor haben Ausländer so stark in Nikkei-Aktien investiert, wie in den vergangenen Wochen, meldet Bloomberg. Dem japanischen Volk wird viel zugetraut.

So steigt der Yen weiter an, ungeachtet der Intervention internationaler Notenbanken. Und das, obwohl in Japan nun ebenfalls das Undenkbare gedacht wird: Die Bank of Japan (japanische Notenbank) soll Politikern zufolge japanische Staatsanleihen kaufen, um die Wiederaufbaumaßnahmen der jüngsten Katastrophe zu finanzieren. Zu deutsch: Wirf die Gelddruckmaschine an!

Die EZB handelt bereits seit anderthalb Jahren so. Bernanke ist in den USA ebenfalls auf diesen Pfad eingelenkt. Na, da relativiert sich die von mir erwartete Euro-Krise doch. Es machen ja alle mit. Wenn also später einmal alle verlieren, dann kann es nicht so schlimm werden.

Der Euro befindet sich auf einem Höhenflug, weil der Rettungsschirm natürlich kurzfristig den Spekulanten den Nährboden entzieht. Ich halte das aber nicht für nachhaltig und würde die zweite Chance, die wir dadurch für Goldkäufe erhalten, nutzen. Denn in Euro gerechnet ist das Gold aufgrund des hohen Euro-Wertes noch nicht so stark angesprungen wie in US-Dollar.

Öl und Kupfer halten sich gut. Frankreich hat inzwischen versprochen, den Libyen-Krieg in den Geschichtsbüchern in Tagen oder Wochen zu messen. Sollte sich die Situation dort tatsächlich beruhigen, so könnte ich mir gut vorstellen, dass das Öl seine 25% Libyen-verursachten Preisanstieg wieder abgibt. Kupfer auf der anderen Seite wird tatsächlich benötigt, heute mehr als noch vor wenigen Monaten.

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
04.03.- 11.03. (334): 50% / 7%
11.03.- 18.03. (327): 56% / 9%
18.03.- 25.03. (278): 56% / 7%

Kaufempfehlungen der Analysten
Dt. Telekon, MAN, Lufthansa

Verkaufempfehlungen der Analysten
Alpha Bank S.A., Nobel Biocare, RWE

Privatanleger
10. KW: 67% Bullen (189 Stimmen)
11. KW: 43% Bullen (218 Stimmen)
12. KW: 75% Bullen (193 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Hochtief, Nordex, Toshiba

Verkaufempfehlungen der Privatanleger
Nur Pennystocks


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Na, da haben sich die privaten Anleger aber ganz schön von den Medien beeinflussen lassen. Brach das Sentiment in Folge der Japan-Katastrophe kurzfristig von 67% Bullen auf 43% Bullen ein, einer der tiefsten Stände an den ich mich erinnern kann, so schoss es nunmehr auf neue Höchststände bei 75% Bullen. Das mahnt zur Vorsicht.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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