Alt 22.01.11, 21:30
Standard So tickt die Börse: Google, Hewlett Packard & F5 Networks
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Derzeit treffen täglich mehrere Quartalsberichte auf’s Parkett, und ich habe alle Hände voll zu tun, die Informationen einzuordnen. Alles schaffe ich natürlich nicht, daher hier eine kleine Auswahl.

GOOGLE WIRD WIEDER EIN INNOVATIVER TECHNOLOGIEKONZERN

Gestern Abend hat Google sein Quartalsergebnis bekannt gegeben. Gewinn und Umsatz konnten die Erwartungen der Analysten übertreffen, die Aktie notiert heute ein wenig im Plus.

Weitaus wichtiger als das Quartalsergebnis war in meinen Augen die Mitteilung, dass einer der beiden Gründer, Larry Page, den CEO-Sessel alleine übernimmt. Der bisherige CEO Eric Schmidt wird in das Amt des Chairman (Aufsichtsratsvorsitzender) übersiedeln.

Larry Page und Sergey Brin haben Google aus ihrem Universitätszimmer heraus 1998 gegründet. Risikokapitalgeber, die damals zig Millionen in das Start-up steckten, forderten von dem aussichtsreichen Unternehmen, dass ein „Erwachsener“ mit ins Boot genommen wird. Eric Schmidt wurde geholt und hat nun als Manager mit Blick für das operative Tagesgeschäft die zwei kreativen Studenten zehn Jahre lang „beaufsichtigt“.

Als Kommentar zu seinem Wechsel twitterte er gestern Abend „Aufsicht durch Erwachsene nicht weiter erforderlich“, Larry Page ist inzwischen Ende 37 und offensichtlich nach Meinung seines Mentors Eric Schmidt nun alleine in der Lage, Google zu führen.

Wir dürfen gespannt sein, wie Page dem Weltkonzern seine eigene Note aufdrücken wird. Ich betrachte diesen Wechsel vor dem Hintergrund des Rückzugs aus China: Im vergangenen Jahr hat Sergey Brin dafür gesorgt, dass Google aus ideologischen Gründen das China-Geschäft links liegen lässt.

Für einen Vollblutmanager wie Schmidt ist es ungewöhnlich, den größten Zukunftsmarkt aus ideologischen Gründen links liegen zu lassen, und ich könnte mir gut vorstellen, dass es im Rahmen dieser Entscheidung zu Kompetenzgerangel kam. So ist auch ein Kommentar von Google über den Managementwechsel dahingehend zu interpretieren, dass nunmehr eine klarere Entscheidungsgrundlage geschaffen wurde: Larry Page ist nun Kapitän.

Übrigens: Heute hat Präsident Obama Jeffry Immelt, CEO von General Electric, in seinen Beraterstab berufen. Durch den Machtgewinn der Republikaner wurde die links-orientierte Nancy Pelosi verabschiedet und Obama holt nun einen konservativen Geschäftsmann nach dem anderen. Vielleicht denkt er nun auch an Eric Schmidt, der ja nun ein wenig Freizeit für ihn hätte.

In der Vergangenheit hat sich Googles Schmidt erfolgreich gegen Yahoo! und Microsoft durchgesetzt. Page wird sich nun gegen Mark Zuckerbergs Facebook behaupten müssen, denn Facebook hat heute schon mehr Klicks als Google und kann Werbung durch die vielen persönlichen Informationen, die es über die Nutzer sammelt, sehr gezielt platzieren.

Umsatz und Gewinn von Google sollen in den nächsten fünf Jahren mit durchschnittlich 18% p.a. anwachsen, das KGV 2011e beträgt 18. Damit ist die Aktie in meinen Augen eigentlich fair bewertet, ich erwarte allerdings durch die anziehende Konjunktur positive Überraschungen bei Googles Werbeeinnahmen auch in der Zukunft, so dass der Kurs noch ein wenig Spiel nach oben hat.

HEWLETT PACKARD – NEUER AUFSICHTSRAT OHNE BISS

Der ehemalige SAP-Chef Leo Apotheker darf sich bei seinem neuen Job als CEO von Hewlett Packard über eine neue Zusammensetzung des Aufsichtsrats freuen. Nachdem sein Vorgänger Mark Hurd vor einigen Monaten unter meines Erachtens fragwürdigen Umständen aus dem Unternehmen gejagt wurde, folgte nun die Neubesetzung von vier Aufsichtsratsposten. Gleich vier Aufsichtsräte nahmen ihren Hut.

Aufsichtsratschef Andreessen versicherte gestern auf CNBC, dass diese Neubesetzung so vieler Positionen (insgesamt gibt es 18) nichts mit dem Abgang von Mark Hurd zu tun hätte. Vielmehr hätten die vier scheidenden Aufsichtsräte ihre Ämter zur Verfügung gestellt, um einer Neuausrichtung des Unternehmens den Weg zu ebnen.

Doch das „Nein“ von Andreessen auf die Frage, ob der Wechsel irgendetwas mit dem Abgang von Mark Hurd zu tun haben könnte, kam so schnell, dass ich es nicht wirklich glauben möchte. Es klang für mich eher wie ein Abstreiten eines unangenehmen Geheimnisses.

Hewlett Packard hat Probleme: Mit Hardware allein kann man heute kein Geld mehr verdienen. Drucker und PCs sind keine Wachstumsmärkte mehr. So wurde kürzlich Palm gekauft, nicht wegen des Handhelds, sondern wegen des dazugehörigen Betriebssystems. HP hat damit nun die Chance, ein integriertes Soft- und Hardwaresystem à la Apple aufzubauen.

Mit Meg Whitman, der ehemaligen Chefin von eBay, hat HP sicherlich eine Kapazität der Internetwelt an Bord geholt, von der einige Impulse zu erwarten sind. Gleichzeitig wird aber auch Patricia Russo einen Stuhl im Aufsichtsrat erhalten. Sie ist verantwortlich für den Niedergang von Lucent und dem anschließenden Misserfolg der kombinierten Firma Alcatel-Lucent. Keine Ahnung, was sie nun bei HP soll.

Das Bewertungsniveau von HP ist billig. Das KGV 2011e beträgt 9, Analysten erwarten eine Wachstumsgeschwindigkeit von 10% für das Unternehmen. Doch derzeit sehe ich keinen Grund, warum das Bewertungsniveau ansteigen sollte: Drucker und PCs sind Allgemeingüter, die dem Preiswettbewerb unterliegen. Damit lässt sich kein Geld verdienen. Und der Weg zu einem integrierten Soft- und Hardwareangebot ist noch weit. Das neue Management muss erst noch zeigen, dass es so etwas auf die Beine stellen kann.

HP wird daher auch noch auf absehbare Zeit billig bleiben.

F5 NETWORKS – KURSEINBRUCH UM 22% IST KAUFGELEGENHEIT

Nachdem das Unternehmen sechs mal in Folge die Erwartungen an das Quartalsergebnis übertroffen hat, musste CEO John McAdam am Mittwoch Abend erstmals ein Quartalsergebnis bekannt geben, das nicht besser war als erwartet. Das obere Ende der eigenen Umsatz- und Gewinnprognose wurde erreicht (40% Umsatzwachstum), Analysten hatte jedoch mehr erwartet (45% Umsatzwachstum). Die Aktie wurde in folge dessen ausverkauft, das Tagesminus betrug 22%.

22% entspricht etwa 2 Mrd. USD Marktkapitalisierung die über Nacht vernichtet wurden, weil das Unternehmen nicht mehr mit 45% wächst sondern „nur noch“ mit 40%. Wie viele Unternehmen kennen Sie, die ein solches Wachstum ausweisen können? Schauen wir uns einmal die Hintergründe an:

Mitarbeiter von F5 rennen in Rechenzentren großer Unternehmen herum. Dort kümmern sie sich um das Routen von Informationen zwischen verschiedenen Plattformen. Von der SMS zum E-Mail-Postfach, vom firmeneigenen Videokanal auf das internetfähige Smartphone usw. Auch Datensicherheit und die Beschleunigung des Datenaustauschs stehen auf der Angebotsliste von F5. Einen besonderen Schwerpunkt hat F5 auf verteilte Applikationen in der Unternehmens-Cloud gelegt. Kurz gesagt: Ob Sie den Trend des Cloud Computing mögen, den Trend des mobilen Internets oder den Trend der verteilten Datensicherung, F5 hat überall seine Finger drin.

Aber das ist kein Geheimnis mehr. Und es ist auch kein Geheimnis mehr, dass das Geschäft von F5 brummt wie kaum ein anderes. Und so ist die Aktie in den vergangenen 12 Monaten um 160% angestiegen. Der Gewinn sprang in den vergangenen 12 Monaten um 70% an, für die nächsten fünf Jahre wird ein durchschnittliches Wachstum von 24% p.a. erwartet. Anleger haben die Aktie dafür auf ein hohes Bewertungsniveau gehievt: Das KGV 2010 beträgt 60, das KGV 2011e liegt bei 40. Bei einem so hohen Bewertungsniveau gibt es keine Entschuldigung für Fehler.

F5 hat einen Fehler gemacht: Das Unternehmen hat den Analysten nicht rechtzeitig signalisiert, dass die Erfolgsreihe der vorhergegangenen sechs Quartale nicht unendlich fortgesetzt werden kann. Den Grund für diesen Fehler habe ich aus einem Kommentar des CEOs McAdam auf CNBC herausgehört: Immer wieder sprach er vom anhaltend guten Geschäft seines Unternehmens und von den überaus guten Aussichten, doch die wiederholte Frage nach der Ursache für die vermeintlich schlechte Performance im abgelaufenen Quartal schob er erst während der Verabschiedung zähneknirschend hinterher:

Er hatte übersehen, dass der Umsatzsprung im September, also Ende des vorhergegangenen Quartals, aufgrund des in der Finanzbranche üblichen Bilanzierungsjahresendes einen ungewöhnlichen Schub erhalten hatte. Banken haben im September noch eine Reihe von Bestellungen abgesetzt, um ihr Budget für die kommenden Budgetverhandlungen nicht ungenutzt zu lassen. Diesen Schub hat er als nachhaltig interpretiert und nicht als saisonalen Sondereffekt und so waren er, sein Unternehmen und auch alle Analysten irregeleitet.

2 Mrd. USD Marktwertverlust werden ihm diesen Fehler sicherlich im Gedächtnis halten. An der Börse verliert ein Management mit solchen Fehlern an Vertrauen, F5 ist somit nun vorerst in der Defensive. Dennoch fürchte ich nicht um den Kurs der Aktien von F5, denn wie eingangs gesagt: Es gibt nicht viele Unternehmen mit nachhaltigen Wachstumsraten über 20%. Und so kann ich mir gut vorstellen, dass die Aktie schon in wenigen Wochen wieder auf alten Höchstständen notieren wird.

Kritisch wird es dann in drei Monaten, wenn F5 beweisen muss, dass dieses Quartalsergebnis ein einmaliger Ausrutscher war. Um den Termin des nächsten Quartalsergebnisses herum würde ich die Aktie meiden, insbesondere da ich schon einmal mit falschem Optimismus in einem solchen Fall auf die Nase gefallen bin: Cisco.

Ich bin bereits mehrfach darauf eingegangen: Wachstumsunternehmen werden von Wachstumsfonds gekauft. Hedgefonds und Trader stürtzen sich auf die wenigen Aktien an der Wallstreet, die mit hohen zweistelligen Wachstumsraten aufwarten können und jubeln die Kurse höher und höher. Der Pakt, den das Unternehmen mit den Spekulanten schließt, beruht auf Gegenseitigkeit: Solange das Unternehmen die Erwartungen übertrifft, jubeln die Spekulanten die Aktie in ungeahnte Höhen. Hält sich das Unternehmen nicht an den Pakt, verabschieden sich die Spekulanten ohne Rücksicht auf Verluste, wie wir diese Woche sehen konnten.

Meiner Einschätzung nach ist hier die Aktie kurzfristig kaputt und nicht das Unternehmen oder die Branche. Die Branche oder auch die Trends Cloud Computing, Datensicherungszentren sowie Mobiles Internet sorgen für einen enormen Investitionsbedarf in die Infrastruktur von Unternehmen. Das „Internet“, wie wir es kennengelernt haben, wird es in drei Jahren kaum noch geben. Informationen werden über Smartphones und Tablets abgerufen, der Computer wird nur noch zum wirklichen Arbeiten genutzt (Schreiben, Malen, Rechnen, ...). Lesen, Videos und TV sehen oder auch E-Mails bearbeiten (kurze Texte!) wird auf anderen Geräten erfolgen, für die es egal ist, ob sie gerade über das heimische WLAN-Netz online sind oder über UMTS oder LTE.

Für den Smartphonetrend haben wir seit einiger Zeit eine passende Aktie in unserer Beobachtungsliste.

Schauen wir einmal, wie die Börsenindizes mit dieser Flut an Quartalsberichten umgegangen sind.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (21.01.2011)

Dow Jones: 11.823 | 0,3%
DAX: 7.024 | -0,7%
Nikkei: 10.274 | -2,1%
Euro/US-Dollar: 1,355 | 1,4%
Euro/Yen: 112,17 | 1,2%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,46% | 0,2
Umlaufrendite Dt: 2,75% | 0,1
Feinunze Gold USD: $1.348,97 | -0,8%
Fass Crude Öl USD: $97,15 | 6,0%
Baltic Dry Shipping I: 1.393 | -3,7%
Kupfer in US$/to: 9.379 | -2,8%



Der Trend hält an: Die US-Börse läuft deutlich besser als der DAX oder der Nikkei. Nach einem schlechten Jahr 2010 hat der Dow Jones Aufholpotential, das nun von der Republikanerbeteiligung an der Obama-Regierung freigesetzt wird.

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
31.12.- 07.01. ( 97): 55% / 4%
07.01.- 14.01. (322): 46% / 12%
14.01.- 21.01. (286): 58% / 8%

Kaufempfehlungen der Analysten
Apple, BP Plc, Philips Electronics

Verkaufempfehlungen der Analysten
Hannover Rück, Banco Popolare, Beiersdorf

Privatanleger
01. KW: 82% Bullen (258 Stimmen)
02. KW: 74% Bullen (231 Stimmen)
03. KW: 61% Bullen (231 Stimmen)

Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 7.095

Kaufempfehlungen der Privatanleger
E.On, Citigroup, Q-Cells

Verkaufempfehlungen der Privatanleger
Schlott Gruppe, Pfleiderer, Spir Communication S.A.


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Analysten haben vielfach die aktuelle Rallye verpasst und laufen nun mit ihren Aufwertungen der Realität hinterher. Privatanleger hingegen werden aufgrund des nunmehr hohen Kursniveaus schon wieder vorsichtiger. Sie verhalten sich noch immer so, wie es in den vergangenen zehn Jahren stets ratsam war: Nach heftigen Kursgewinnen folgte stets eine heftige Gegenbewegung, also werden frühzeitig Gewinne mitgenommen. Zu früh?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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