Alt 16.05.09, 15:14
So tickt die Börse: Aktienplatzierungen belasten
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Die Diskussion über VW beherrscht das Börsengespräch. Ich meine hier nicht Volkswagen, deren Aktien ich nicht einmal mit der Pinzette anfassen würde (genauso wenig wie Porsche), sondern ich meine hier die Diskussion darüber ob wir einen V-Boden hatten oder nun einen W-Boden ausbilden.

Sie werden sich sicherlich erinnern wie gnadenlos und rasant der Ausverkauf im Januar und Februar von 5.000 auf 3.700 Punkte im DAX vonstatten ging. Und genauso rasant und gnadenlos folgte nun die Rallye, die den DAX wieder zurück bis auf 4.980 Punkte führte. Der Chart beschreibt somit ein „V".

Charttechniker halten einen V-Boden jedoch für eine seltene Ausnahme. Viel häufiger kommen W-Böden vor. Dabei würde der DAX nun ein zweites Mal einen Ausverkauf bis auf 3.700 Punkte oder knapp darüber erleiden. Erst dann, so die Puristen unter den Charttechnikern, sei die Bodenformation ordentlich abgeschlossen.

Nun lassen sich die Volkswirtschaften der Erde nicht in Charttechniken pressen und ich halte mich eher an die realwirtschaftlichen Entwicklungen, um mir meine Meinung zu bilden. Und da sehe ich schon einige positive Entwicklungen, so dass ich mir eine Weltuntergangsstimmung wie Ende Februar kaum ein zweites Mal vorstellen kann.

Dennoch sind die Aktienbörsen in dieser Woche etwas rückläufig gewesen. Der DAX ist von seinem Hoch Ende letzter Woche um bis zu 6,5% eingebrochen (von 4.980 am 7.5. auf 4.653 am vergangenen Mittwoch). Nach zuvor 26% Plus kann ich diesen Rückfall nur als Korrektürchen bezeichnen.

Doch schauen Sie sich die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes selbst an:


INDIZES (14.05.2009)

Dow Jones: 8.284 | -1,5%
DAX: 4.738 | -1,4%
Nikkei: 9.093 | -3,6%
Euro/US-Dollar: 1,353 | 1,0%
Euro/Yen: 128,63 | -3,4%
10-Jahre-US-Anleihe: 4,07% | 0,8
Umlaufrendite Dt: 3,08% | 0,0
Feinunze Gold USD: $925,75 | 1,1%
Fass Crude Öl USD: $58,42 | -0,9%
Baltic Dry Shipping I: 2.432 | 10,8%



Der japanische Yen hat gegenüber dem Euro um 3,4% zugelegt und gegenüber dem US-Dollar noch mehr. Der feste Yen schadet der Exportnation Japan, daher ist der Nikkei um so stärker eingebrochen.

Der Ölpreis schafft wie erwartet den Sprung über 60 USD/Fass nicht. Trotzdem steigt der Baltic Dry Index als Barometer des weltweiten Transportes wieder kräftig an.

Und der Dow Jones hat 1,5% abgegeben. In der Diskussion um den W-Boden geht man nun von einem erneuten Verfall des Dow Jones aus. Ich denke jedoch, die Gründe für die schwache Performance in der abgelaufenen Woche sind recht kurzfristiger Natur:

MEHR AKTIENPLATZIERUNGEN IN EINER WOCHE ALS IM LETZTEN JAHR

Wenn ein Unternehmen mehr Bargeld braucht, hat es verschiedene Möglichkeiten: Es können Bankkredite aufgenommen werden, es können auch Kredite bei Privatanlegern aufgenommen werden, diese erhalten dann Unternehmensanleihen. Allerdings müssen bei dieser Refinanzierungsart Zinsen gezahlt werden, ungeachtet des Geschäftserfolgs. Das Unternehmen kann auch Unternehmensteile verkaufen und so die Barkasse aufbessern, allerdings wird dadurch Geschäft abgegeben.

Eine dritte Möglichkeit ist es, sich mehr Anteilseigner an Bord zu holen. Es werden neue Aktien ausgestellt und verkauft. Die neuen Anteilseigner partizipieren dann am Kursgewinn und in guten Zeiten erhalten sie eine Dividende, wie alle anderen Aktionäre auch.

Der Belastungstest der 19 größten US-Banken hat für neun der Banken ergeben, dass die Eigenkapitaldecke zu gering ist. Die Banken haben nun sechs Monate Zeit, frisches Kapital zu generieren.

Der erste Weg, Kredit oder Unternehmensanleihe, ist derzeit unattraktiv für das Unternehmen, denn Investoren verlangen von Banken derzeit einen horrenden Risikoaufschlag bei der Verzinsung ihres Kapital. Nein, der Kreditmarkt ist derzeit für Banken nicht brauchbar.

Der zweite Weg, der Verkauf von eigenen Geschäftsteilen, bedeutet natürlich eine Verkleinerung der Bank und welcher Bankchef wird das freiwillig tun? Folgt doch die Rangordnung der Banker strikt der Bilanzsumme ihres Unternehmens. Lediglich völlig irrwitzige Abenteuer würde man in dieser Phase nun verkaufen, wie beispielsweise das China-Engagement der Bank of America.

Also bleibt der dritte Markt, es werden neue Anteilseigner gesucht. Die alten Anteilseigner sind damit zwar nicht glücklich, denn der Gewinn, der bislang auf ihre Schultern verteilt wurde, muss künftig zusätzlich mit den neuen Anteilseignern geteilt werden. Doch mit dem Rücken an der Wand bleibt kaum eine andere Alternative.

So haben in der abgelaufenen Woche die folgenden Banken neue Aktien platziert bzw. entsprechendes angekündigt:

Wells Fargo
Morgan Stanley
Fifth Third Bancorp
PNC Financial
BB&T Corp.
Huntington Bancshares


Bank of America und Citigroup lassen sich noch etwas Zeit, aber ich gehe davon aus, dass auch dort Aktienplatzierungen vorgenommen werden.

Aktienplatzierungen werden in der Regel direkt an Großinvestoren verkauft. Man sucht sich vorzugsweise langfristig orientierte Fonds, bei denen nicht zu befürchten ist, dass sie die Aktien in wenigen Wochen schon wieder abstoßen.

Diese Fonds sind derzeit aber auch diejenigen Käufer an der Börse, die für steigende Kurse sorgen. Wenn also ein Fondsmanager gerade die Entscheidung getroffen hat, das Engagement in Morgan Stanley um 50 Mio. USD hoch zu fahren und diese Aktien über die Börse kaufen möchte, dann wird er sich über den Anruf seines Brokers freuen, der ihm Aktien für diese Summe zu einem Festpreis knapp unter dem aktuellen Börsenkurs anbietet.

Der Fondsmanager braucht somit nicht zu fürchten, in steigende Kurse hinein kaufen zu müssen. Außerdem werden die Gebühren deutlich geringer ausfallen. An der Börse jedoch fällt dieser Fondsmanager in den nächsten Tagen als Käufer weg.

Die Summen also, die jetzt noch im Bankensektor investiert werden sollen, können über die Aktienplatzierungen recht komfortabel an entsprechende Aktienpakete gelangen. Damit vermindert sich der Kaufdruck auf die Aktien und der Aufwärtstrend erhält erst einmal eine Verschnaufpause, wie wir sie in diesen Tagen sehen.

Aber die Börse besteht ja nicht nur aus Bankaktien, werden Sie zu recht einwenden. Tatsächlich sind in den vergangenen Tagen auch eine ganze Reihe weiterer Aktienplatzierungen gemeldet und durchgeführt worden. Nach den 26% Plus in den vergangenen neun Wochen gibt es auch in den anderen Branchen Unternehmen, die jetzt wieder ihre Aktien nutzen, um an frisches Kapital zu kommen.

Ford (F) hat Aktien im Wert von 1,6 Mrd. USD ausgegeben, um mit den eingenommenen Barmitteln seine Krankenversicherungszusagen für seine Pensionäre zu finanzieren. Nein, ich würde weder in Ford, noch in GM oder Chrysler investieren.

Nordic American Tanker (NAT) beispielsweise sammelt 128 Mio. USD mit einer Aktienplatzierung ein um neue Tankschiffe zu kaufen.

Dry Ships hat Aktien im Wert von 475 Mio. USD am Markt platziert. Im Unterschied zu Nordic American Tanker, die mit den neuen Barmitteln expandieren wollen, handelt es sich bei Dry Ships schon um die dritte Aktienplatzierung seit vergangenem November. Dry Ships ist hoffnungslos überschuldet und von der Wirtschaftskrise überrascht worden und sucht händeringend nach Barmitteln. Nordic American Tanker hat keine Schulden und kann das frische Kapital zum Expandieren einsetzen.

Der Chemieriese Dow Chemical (DOW) hat angekündigt, Aktien im Wert von 2 Mrd. USD zu platzieren.

MGM Mirage (MGM), Hotelkette aus Las Vegas, hat Aktien im Wert von 1 Mrd. USD platziert.

US-Steel (X) hat vor 10 Tagen 1,5 Mrd. USD aus einer Aktienplatzierung bzw. einem Wandelangebot eingenommen.

...das sind die Aktienplatzierungen, die mir in den vergangenen Tagen ins Auge gesprungen sind. Sie müssen sich vorstellen, dass diese Aktienplatzierungen ein zusätzliches Angebot an Aktien darstellen, das von Käufern aufgesogen werden muss. Zusätzlich zu den Transaktionen, die ohnehin täglich an den Börsen geschehen und die Kurse definieren.

Und wenn ich mir dieses zusätzliche Angebot von Aktien anschaue dann muss ich sagen: Minus 6,5% beim DAX? Minus 5,5% im DOW Jones? Niedlich! Wenn das mal alles ist.

Vor diesem Hintergrund werden Sie auch die bullische Stimmung unter Analysten und Privatanlegern verstehen, obwohl die Kurse absacken:


SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen

24.-30. Apr (126): 62% / 38%
01.-05. Mai (165): 62% / 38%
08.-15. Mai (216): 62% / 38%

ANALYSTEN KAUF
Deutsche Börse, Telefonica, Renault

ANALYSTEN VERKAUF
Douglas, EADS, MLP


PRIVATANLEGER:
Aktuell 60,2% Bullen (-3%, 83 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.854

PRIVATANLEGER KAUF
Fannie Mae, Freenet

PRIVATANLEGER VERKAUF
General Motors, Commerzbank


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Es wird ja gekauft, was das Zeug hält, aber das Angebot aufgrund obiger Aktienplatzierungen ist eben unnatürlich groß, so dass die Kurse eben doch etwas abgesackt sind.

OBAMA SOLL ARBEITEN, NICHT QUATSCHEN

Ich fürchte Präsident Obamas Reden immer mehr. Ja, ich stehe voll hinter ihm und ich finde es gut, dass er den aus den Fugen geratenen Finanzkapitalismus etwas zurecht stutzt. Doch er sollte handeln und nicht reden.

Es sollte nicht der US-Präsident sein, der den CEO von General Motors nach Hause schickt. So etwas kann ein US-Präsident hervorragend delegieren. Es ist nicht seine Aufgabe, für Personalentscheidungen in der freien Wirtschaft einzutreten. Aber in der Presse wurde unmissverständlich wiedergegeben, dass Rick Wagoner gehen musste, weil Präsident Obama ihn nicht mehr wollte.

Somit muss Obama nun für den Nachfolger, Henderson, gerade stehen und der legt sich gerade mit der Deutschen Regierung an. Bei dem Versuch, Opel zu retten, schießt Henderson gegen die Vorschläge der Bundesregierung. Ich hoffe, dass dies nicht auf Obama zurückfällt.

Ungeachtet dessen frage ich mich, ob wir in Deutschland eine Automarke Opel wirklich brauchen. Für künftige Autos werden nun wirkliche Innovationen gefragt sein und da ist Opel nicht bekannt für. Vielleicht würde es den verbleibenden Marken helfen, mehr zu investieren, wenn sie sich den Marktanteil von Opel aufteilen können.

Eine weitere Entscheidung, die direkt von Präsident Obama ins Volk gegeben wurde, ist die der begrenzten Managementvergütung bei Banken. Er hat gefordert, die Managementgehälter bei Banken grundsätzlich festzulegen und zu begrenzen. Damit ist er deutlich über das Ziel hinaus geschossen, denn es ist ja schon seit Monaten durchgesetzt, dass diejenigen Banken, die staatliche Hilfen in Anspruch genommen haben, keine Boni und keine exorbitanten Gehälter mehr auszahlen dürfen. Warum nun alle anderen Banken, also auch die gesunden und guten, mit einbeziehen?

Und warum muss er so etwas entscheiden? Dafür gibt es die Börsenaufsicht SEC, die auch in diese Bereiche hinein funken kann. Er könnte der SEC seine Vorstellungen als Auflage übermitteln und deren Umsetzung dann der SEC überlassen, die ist ohnehin viel näher am Thema dran.

Denn Obama vermischt gute Ansätze mit teilweise unsinnigen Handlungsanweisungen. Sein guter Ansatz ist, dass man Managementgehälter dahingehend umstrukturieren soll, dass nicht mehr der kurzfristige Erfolg des Unternehmens maßgeblich ist, sondern der langfristige Erfolg. Unsinnig ist jedoch in meinen Augen die Vorgabe von Höchstgrenzen für die gesamte Branche.

Aber gut, wenn ich Obama hier an dieser Stelle auf fachlicher Ebene auch kritisieren mag, so ist seine Vorgehensweise doch sehr sympathisch: Er ist nun einmal Präsident und die Menschen wollen auch einmal seine Meinung hören. Er muss nur aufpassen, dass es ihm nicht negativ ausgelegt wird, wenn seine Meinung am Ende nicht umgesetzt wird.

Ganz ähnlich sehe ich seinen Vorstoß im Gesundheitssystem: Obama sprach sich für eine Strafsteuer für Unternehmen aus, die ihren Arbeitnehmern keine Krankenversicherung anbieten. Um das zu verstehen, müssen Sie wissen, dass es in den USA grundsätzlich ein anderes Gesundheitssystem gibt als bei uns. Viele Amerikaner haben keine Krankenversicherung und sind im Falle eines Falles mittellos. Wenn sie in ein Krankenhaus eingeliefert werden, müssen sie zunächst nachweisen, dass sie zahlen können, bevor ein Arzt sich um sie kümmert.

Das muss natürlich verbessert werden. Doch wie die Verbesserung aussehen wird, dass sollte Obama eben erst einmal den entsprechenden Ausschüssen überlassen. Mit seinen vorschnellen Aussagen verunsichert er die gesamte Gesundheitsbranche.

FAZIT

Techniker reden von dem W-Boden, eine große Zahl von Aktienplatzierungen wurde vorgenommen und Obama verunsichert durch vorschnelle Aussagen. In dieser Woche sind die Indizes nur um 1,5% zurück gegangen. In meinen Augen ist das ein ziemlich großes Zeichen von Stärke, oder?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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