Alt 11.04.09, 22:53
So tickt die Börse: Gruppenrotation und Torschlusspanik
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Am Gründonnerstag verabschiedete sich der Dow Jones mit einem Plus von 3,14% in die Osterferien. War es das? War das schon die Konsolidierung und geht es nun in die nächste Phase der Erholungsrallye?

Ist Ihnen schon aufgefallen, wie Analysten und Anleger derzeit unterschiedlich agieren: Analysten stufen noch immer reihenweise Unternehmen herunter, die mit konjunkturellen Problemen zu kämpfen haben: Autoaktien, Banken und Versicherungen, Stahl- und Rohstoffkonzerne, Infrastrukturunternehmen und Technologieaktien. Gleichzeitig sind genau das die Aktien, die in den vergangenen Wochen am meisten zulegen konnten. Und, auch nach teilweise 100% Kursgewinn, wie bei der von mir am 26.2. empfohlenen Centrotherm Aktie, ist von Ermüdung der Rallye keine Spur.

Der Hintergrund ist ganz einfach: Immer mehr Anlegern wird bewusst, dass die befürchtete Weltwirtschaftskrise nicht kommen wird. Wir hatten eine Rezession, diese weitete sich tatsächlich aktuell zu einer Depression aus, doch inzwischen sind die Rahmenbedingungen gesteckt, um eine Erholung für das zweite Halbjahr zu gewährleisten.

Und wenn die Krise endet, dann werden die krisenanfälligen Aktien am stärksten profitieren. Genau diejenigen Unternehmen, die vor wenigen Wochen noch gegen eine drohende Insolvenz kämpfen mussten, werden dann Kursgewinne erzielen, die wir in unserem Leben wohl nicht mehr so häufig zu sehen bekommen werden.

Anleger, die in den vergangenen zwei Jahren sukzessive auf krisenresistente Aktien umgesattelt haben, verkaufen nun ihre Pharma- und Einzelhandelsaktien und kaufen die oben genannten Aktien trotz der Verkaufsempfehlungen der Analysten. Und so, wie ein Short-Squeeze die falsch positionierten Bären zu Deckungskäufen zwingt, so zwingt die Rallye die falsch positionierten langfristig orientierten Anleger zum schnellen umswitchen der Positionen. Das haben wir am Gründonnerstag beispielsweise gesehen, als die Börse ohne besonderen Anlass plötzlich heftig nach oben stieg.

Hier die Wochenperformance der wichtigsten Indikatoren, wobei die Aktienbörsen im Wochenvergleich nur durch die Rallye am Gründonnerstag ins Plus gedreht sind:

INDIZES (09.04.2009)

Dow Jones: 8.083 | 0,8%
DAX: 4.491 | 2,4%
Nikkei: 8.964 | 2,5%
Euro/US-Dollar: 1,314 | -2,5%
Euro/Yen: 131,98 | -2,4%
10-Jahre-US-Anleihe: 2,93% | 0,0
Umlaufrendite Dt: 3,11% | 0,1
Feinunze Gold USD: $883,20 | -1,0%
Fass Crude Öl USD: $52,24 | -0,5%
Baltic Dry Shipping I: 1.478 | -1,9%



Ich habe mir inzwischen ein paar Gedanken zum Baltic Dry Index gemacht, der in den vergangenen Wochen kräftig eingebrochen ist. Ist dies der Vorbote des Endes der Rallye oder handelt es sich nur um die Konsolidierung des vorherigen Anstiegs um 200%? Nun, ich bin zum Schluss gekommen, dass es sich nur um eine Konsolidierung handelt. Denn, wenn dieser Transportindex die Logistik-Industrie beschreibt, dann müssten UPS, TNT, Fed-Ex, die Deutsche Post und viele andere Logistikunternehmen ebenfalls kräftig Federn lassen. Doch das ist nicht der Fall, die Logistik-Aktien haben in den vergangenen Wochen kräftig zugelegt.

Es wird also mehr verschickt als zuvor und die Logistik-Aktien zeigen dies.

Die Stimmung unter den Analysten hat sich insgesamt kräftig aufgehellt, wobei überwiegend konjunkturresistente Werte empfohlen werden, während die konjunktursensiblen Aktien zum Verkauf empfohlen werden.

Aber es verwundert kaum, dass nach den Kursgewinnen der vergangenen Wochen die Stimmung insgesamt deutlich positiver geworden ist. Eine ganze Reihe von Bären sind inzwischen in das Lager der Bullen übergesiedelt.


SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen

13.-20. Mär (171): 55% / 45%
21.-27. Mär (149): 49,5% / 50,5%
03.-10. Apr (202): 62% / 38%

ANALYSTEN KAUF
Deutsche Post, Novo-Nordisk, TNT

ANALYSTEN VERKAUF
Strabag, Schneider Electric, Leoni


PRIVATANLEGER:
Aktuell 54% Bullen (+9%!, 68 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.367

PRIVATANLEGER KAUF
HypoRealEstate, Swiss Re, Eneri

PRIVATANLEGER VERKAUF
General Motors, Solon, Commerzbank


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

GENERAL MOTORS

Das Unternehmen ist angezählt: Rick Wagoner musste gehen und der Nachfolger arbeitet nun, Gerüchten zufolge, an einem Plan, um eine staatlich abgesicherte Insolvenz schnell über die Bühne zu bringen. Es sollen, wiederum Gerüchten zufolge, einige Marken eingestanzt werden, während andere Marken ohne die Last der schlechten Marken dann gut überleben könnten.

Wenngleich GM anschließend nicht mehr so mächtig wäre wie zuvor, und wenngleich viele Arbeitsplätze, bei GM sowie bei Zulieferern, verloren gingen, so würde doch ein Kern anschließend überlebensfähig bleiben und das ist das kleinere Übel. So etwas wie den Kohlepfennig gibt es in den USA nicht, und GM würde sich zu einem solchen idealistisch protegierten Zuschussunternehmen entwickeln, wenn nicht tabula rasa gemacht würde.

VERSICHERUNGEN: PROBLEME WERDEN GRÖßER, LÖSUNG IN SICHT

Sie erinnern sich vielleicht an meine Korrespondenz mit dem Versicherungshändler, der die maroden Anlagegeschäfte der Versicherungen ankreidete. Er schickte mir diese Woche noch einen Link zu einem Artikel, aus dem hervor geht, dass der Zweitmarkt für Lebensversicherungen quasi nicht mehr existent ist. Wer also seine Lebensversicherung vorzeitig veräußern möchte, der findet derzeit keinen Käufer dafür.

Das liegt daran, dass bislang solche Versicherungen von Händlern aufgekauft wurden, die diese dann wiederum bündelten und weiterverkauften. Nach den Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre wird es Sie nicht wundern, dass dies heute kaum noch möglich ist, egal wie gut die zugrunde liegenden Lebensversicherungen sind.

Doch aus den USA höre ich weit optimistischere Meldungen: Dort wurde es in der abgelaufenen Woche Versicherungen gestattet, auf das TARP-Programm zuzugreifen. Moralisten heben den Zeigefinger und sprechen wieder einmal von Moral Hazard, von der Gefahr, die skrupellosen Versicherungen für ihre kriminellen Machenschaften zu belohnen. Doch die Alternative ist auch nicht viel schöner: Wenn die Versicherungen nicht mehr für ihre Versicherungsleistungen gerade stehen können, dann werden ganze Industriezweige mit in den Abgrund gerissen.

Durch das TARP-Programm können sich die Versicherungen nun refinanzieren, ihre Versäumnisse in der periodengerechten Anlagepolitik ausgleichen, während der Staat im Gegenzug dazu Anteile an den Versicherungen übernimmt. Die Versicherungswirtschaft wird weiter funktionieren, die Aktionäre und Eigentümer der Versicherungen hingegen werden für die Verluste heran gezogen. Es ist also ein Mittelweg.

Ich finde das gut, kann also die Sorgen, mit denen ich die Versicherungsbranche beobachtet habe, ein wenig zurück fahren.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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