Alt 01.04.12, 23:18
Standard So tickt die Börse: Schatten von Facebook bereits an der Wallstreet
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Heute erkläre ich Ihnen einmal etwas über die Funktionsweise der Wallstreet, die Mutter der Finanzmärkte aus Übersee. In diesen Tagen sind merkwürdige Dinge an der Wallstreet zu beobachten: IPOs schießen plötzlich in die Höhe. Was steckt dahinter?

Facebook, das Mega-Event für den IPO-Markt 2012. Doch lassen Sie mich die Zusammenhänge der Reihe nach aufzeigen.

Nehmen wir einmal an, Sie interessieren sich für einen IPO (Initial Public Offering, Börsengang). Nehmen wir beispielsweise einmal den IPO von Annie’s, dem Anbieter von organischen Lebensmitteln wie Pizza, Chips, Salat- und Grillsaucen bis hin zu Frühstücksmüslis.

Um zu entscheiden, ob Sie Interesse an diesem IPO haben, müssen Sie sich zunächst einmal das Geschäft des Unternehmens anschauen. Mit seinen organischen Speisen liegt das Unternehmen voll im Trend der gesundheitsbewussten Ernährung und könnte tatsächlich langfristig Erfolg haben. Belassen wir es bei dieser kurzen Einschätzung zum Geschäft, denn das allein reicht noch lange nicht.

Als nächstes müssen Sie sich die IPO-Unterlagen anschauen. Wie hoch haben die Banken, die den Börsengang begleiten (in diesem Fall Credit Suisse und J.P. Morgan) das Unternehmen bewertet? Ist der Ausgabepreis je Aktie fair, günstig oder vielleicht schon zu hoch?

Nun, Annie’s wächst mit 25% p.a. im Umsatz und wurde mit einem KGV von etwa 30 bewertet. Das ist noch okay, da insbesondere im laufenden Jahr ein Gewinnsprung in Aussicht gestellt wurde. So wurde der IPO zu einem Kurs von 14-16 USD angekündigt.

Dann beginnt das Spiel, das ich hasse. Im Stundentakt wird nun der IPO-Preis durch die Emissionsbanken „angepasst, um Angebot und Nachfrage in Einklang zu bringen“. So ein Quatsch: Der Preis wird so lange erhöht, wie alle Interessenten mit einem Appetitshäppchen versorgt werden können. Die Banken verdienen schließlich Provisionen in Abhängigkeit vom Verkaufspreis.

So bewegte sich der Preis in den Stunden vor der Erstnotiz dann von 14-16 USD auf 19 USD. Wer den IPO gezeichnet hatte, der erhielt nun also Aktien zu 19 USD statt 14 oder 16 USD, es sei denn, er hatte explizit seine Zeichnung limitiert und damit riskiert, nicht dabei zu sein.

Nun müssen wir uns anschauen, wie viele Aktien überhaupt in den Markt gegeben werden. Die Banken haben ausgerechnet, dass Annie’s rund 250 Mio. USD wert sein könnte, zum IPO-Preis von 19 USD betrug der Unternehmenswert bereits 315 Mio. USD. Es hat sich jedoch inzwischen eingebürgert, zunächst nur einen sehr kleinen Anteil der Aktien über den IPO in den Markt zu geben und weitere Papiere zu einem späteren Zeitpunkt und dann hoffentlich besserem Kurs nachzuschieben.

So stehen für den IPO 5 Mio. der 15 Mio. Aktien zur Verfügung, also 33%. Das ist in diesem Fall schon ein ganz schön großer Batzen, Tranchen unter 20% sind keine Seltenheit. Ziel ist es sodann auch bei Annie’s, in den kommenden Monaten den Streubesitz von den aktuellen 33% auf 66% bis 75% zu erhöhen, bis eben alle Aktien im Streubesitz sind, die kein Insider mehr behalten möchte.

Dieser Prozess ist wohldefiniert und birgt weitere Provisionen für die emittierenden Banken Credit Suisse und J.P. Morgan. Das heißt, je höher der Aktienkurs steigt, desto mehr werden nicht nur die Verkäufer der Aktien einnehmen, sondern auch die Banken.

Es ist daher eine bekannte Strategie der Banken, jedem Interessenten nur einen kleinen Teil der gezeichneten Anzahl an Aktien zukommen zu lassen. Da es sich vielfach um institutionelle Anleger handelt, die mit mathematischen Modellen eine bestimmte Positionsgröße für Annie’s errechnet haben, kann man darauf warten, dass diese Anleger nach dem IPO weitere Aktien einkaufen, um die gewünschte Positionsgröße zu erreichen.

Es ist somit sichergestellt, dass vom ersten Augenblick an Käufer für die Aktien am Markt aktiv sind.

Hier treffen wir nun auf eine Weggabelung: Ein Teil der institutionellen Anleger spielt das IPO-Spiel nur für den schnellen Gewinn. Sie hoffen auf „Zeichnungsgewinne“, also auf einen höheren Kurs am ersten Handelstag als man über die Zeichnung gezahlt hat, um die zugeteilte Position, egal in welcher Größe, sofort mit Gewinn zu verkaufen.

Es ist so etwas wie das Katz und Maus Spiel der Emissionsbanken mit den institutionellen Anlegern: Haben die Banken den IPO zu niedrig bepreist? Gibt es also einen Kursanstieg am ersten Tag? Oder haben die Banken den Kurs bereits zu hoch angesetzt, und befindet man sich im Minus, wenn die Aktie erstmals frei gehandelt wird?

Aus Sicht der Banken, die noch einen Sack voll weiterer Aktien in den nächsten Monaten in den Markt geben wollen, sind diese Spekulanten unbeliebt. Deren Gewinnmitnahmen am ersten Tag versauen die ganze Kalkulation. Eigentlich sollten doch die institutionellen Anleger zusätzlich Aktien einkaufen und dadurch den Kurs in die Höhe treiben. Wenn nun aber mehr Spekulanten am Markt sind, dann kann die Nachfrage der institutionellen Anleger mit ihrer Wunschpositionsgröße locker befriedigt werden und anschließend sinkt der Kurs.

Sie merken es, wir reden schon lange nicht mehr über den fairen Wert des Unternehmens. Hier geht es nur noch um das Katz und Maus Spiel der Wallstreet.

So ist es für einen Privatanleger fast unmöglich, einen IPO im Vorfeld sinnvoll zu bewerten. Wenn die Banken zudem vielleicht noch schlechte Provisionen ausgehandelt haben und die Geschichte einfach nur hinter sich bringen wollen, dann schütten sie in kurzer Zeitabfolge die weiteren für den Streubesitz vorgesehenen Aktien in den Markt und verhindern so jede Kurserholung. Der Kurs kann so mitunter über Monate viel zu niedrig notieren und dort unten bleiben.

Bei Annie’s war dies nicht der Fall. Im Gegenteil. Die Aktie eröffnete bei 31,77 USD! Also 67% über dem ohnehin schon hohen Emissionspreis. Und damit nicht genug, in den beiden folgenden Tagen stieg die Aktie unaufhaltsam weiter an, inzwischen notierte sie schon bei 40 USD.

Damit steht das KGV bei 100! Fangen Sie mir also nicht mit einer fairen Bewertung an. Vielmehr scheint es, als gebe es nur institutionelle Anleger, die ihre Wunschpositionsgröße einkaufen. Es scheint kaum Spekulanten geben, die den schnellen Gewinn einstecken wollen. Woran mag das liegen?

Facebook! Das Mega-Event des Jahres 2012. Ein paar Eckdaten sind schon bekannt, so will das Unternehmen mit rund 100 Mrd. USD bewertet werden und Aktien im Wert von rund 5 Mrd. USD über den IPO an die Börse bringen. Das sind 5% des Unternehmenswertes. 5% für den seit Jahren erwarteten heißesten IPO seit langem. Das ist nichts. Da muss man mit seinem Banker geschlafen haben, um ein paar Aktien über den IPO zugeteilt zu bekommen...

...oder man hat sich auf andere Art und Weise in der jüngsten Vergangenheit gefällig gezeigt. Was ist schon der 100 Mio. USD IPO von Annie’s gegenüber den 5 Mrd. USD bei Facebook?

Wenn der Facebook IPO kommt, ich rechne im Frühjahr damit, dann werden sich die Emissionsbanken in ihren Datenbanken anschauen, welche Kunden denn „zuverlässig“ sind und welche nicht. Und als zuverlässig gelten nicht die Spekulanten, die ihre Zuteilung am ersten Handelstag auf den Markt schmeißen und den Kurs kaputt machen. Als zuverlässig gelten die Kunden, die ihre Zuteilung möglichst lange halten, damit die Banken ungestört die „Kurspflege“ in die eigene Hand nehmen können und möglichst hohe Kurse für die weiteren Platzierungen erzielen.

Wenn ich die Absicht hätte, 10 Mio. USD des Facebook IPOs zu zeichnen, würde ich heute schon jeden IPO meiner Bank mit einer kleinen Summe zeichnen und die Position mindestens bis nach dem Facebook IPO halten. So schreibt man sich eine gute Visitenkarte.

Sie werden also in den nächsten Wochen eine Menge Meldungen über „erstaunlich gut gelaufene“ IPOs an der Wallstreet hören. Doch glauben Sie nicht, dass dies mit den jeweiligen Unternehmen zu tun hat, die an die Börse gegangen sind. Es ist das Buhlen der institutionellen Anleger um eine gute Position beim Mega-IPO dieses Jahres, dem IPO von Facebook.

Wer von Ihnen also ein US-Depot hat, der kann in den nächsten Wochen ruhig etwas mutiger werden, wenn Ihnen Aktien aus einem IPO angeboten werden.

Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES:

INDIZES (29.03.2012) | DIFF

Dow Jones: 13.146 | 0,8%
DAX: 6.875 | -1,5%
Nikkei: 10.115 | 1,0%
Euro/US-Dollar: 1,329 | 0,2%
Euro/Yen: 109,4415 | -0,1%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,17% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 1,53% | -0,2
Feinunze Gold USD: $1.656,25 | 0,3%
Fass Brent Öl USD: $122,26 | -1,4%
Kupfer in US$/to: 8.360 | -0,4%
Baltic Dry Shipping I: 922 | 2,2%



MERKEL DEUTET BEFRISTETE ERHÖHUNG DES ESM DURCH IGNORIEREN DER BEREITS GELEISTETEN HILFEN AN – 26.3.12

Merkel kündigt Absicht der Erhöhung des ESM um die bereits ausgereichten Hilfen (etwa 200 Mrd. Euro) an.

Soeben hat Bundeskanzlerin Angela Merkel auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben, intern über die Möglichkeit zu diskutieren, den ESM mit seinem Volumen von 500 Mrd. Euro zur zweiten Jahreshälfte starten zu lassen, ohne die bisher ausgereichten Hilfen an Griechenland, Portugal und Irland im Volumen von rund 200 Mrd. Euro vom ESM übernehmen zu lassen. Mit anderen Worten: Der ESM wird vorübergehend auf 700 Mrd. Euro erhöht und vermindert sich im Laufe der nächsten Jahre automatisch um die Rückzahlungen aus den bisher geleisteten 200 Mrd. Euro, bis dann das Volumen von 500 Mrd. Euro letztlich übrig bleibt.

Es ist der internationale Druck, der Merkel zu diesem Schritt veranlasst: Die 500 Mrd. Euro werden als nicht ausreichend gesehen, um europäische Staaten gegen Spekulanten abzusichern. Insbesondere wenn gleich zu Beginn 200 Mrd. Euro an den auslaufenden EFSF gezahlt werden müssten, um die bereits geleisteten Hilfen zu übernehmen. Christine Lagard, Vorsitzende des IWF, hat ihre Hilfen an einen höheren Beitrag Europas, und damit Deutschlands, geknüpft. Im Raum steht die Summe von einer Billionen Euro. Deutschland geht hier also einen Schritt auf die Verhandlungspartner zu und erhöht auf 700 Mrd. Euro.

Für die Aktienbörsen ist dieser Schritt zunächst einmal bullisch, denn mehr Geld für Staatshilfen bedeutet weiterhin mehr Geld im Umlauf, was den Euro schwächt und die Kurse treibt. Wir dürfen gespannt sein, welche Summe für den ESM am Ende der Verhandlungen, die am kommenden Wochenende mit den EU-Finanzministern stattfinden werden, steht.


Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt:

SENTIMENTDATEN:

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
09.03.- 16.03. (171): 43% / 14%
16.03.- 23.03. (233): 53% / 13%
23.03.- 30.03. (229): 46% / 18%

Kaufempfehlungen der Analysten
Gagfah, Unicredit, VTG

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Solarworld, Heineken, Enel Green Power

Privatanleger
11. KW: 75% Bullen (132 Stimmen)
12. KW: 62% Bullen (152 Stimmen)
13. KW: 70% Bullen (193 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Total S.A., Natixis S.A., Hecla Mining

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Praktiker, MAN SE, Nicox S.A.


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Ohh je, die Analysten sind zu Hauf ins Börsenlager übergesiedelt, nur noch 46% Kaufempfehlungen und ein Sprung auf 18% Verkaufsempfehlungen. Es hat den Anschein, dass einige Unternehmen inzwischen ihren fairen Wert erreicht haben, die kolossale Unterbewertung vom Dezember letzten Jahres ist weitgehend abgebaut.

Nun kommt es auf die weitere Konjunkturentwicklung an. Diese ist in den USA derzeit recht vielversprechend, Deutschland ist ein Fels in der Brandung Europas, allerdings hat der Rest Europas arge Probleme und seitens Chinas wurden in den vergangenen Tagen ebenfalls wieder schlechtere Konjunkturdaten vermeldet.

TOP ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Firma | Analyse vom | Kurs | Ziel | Upside

SUESS MICROT. | 28.03 | 7,09€ | 13,00€ | 83,36%
MEDIGENE | 26.03 | 1,51€ | 2,60€ | 72,19%
ARQUES IND | 26.03 | 309€ | 5,30€ | 71,52%
IVG IMMOBIL | 28.03 | 2,47€ | 4,00€ | 61,94%
4SC AG | 28.03 | 2,63€ | 4,00€ | 52,09%
HOCHTIEF | 29.03 | 47,97€ | 70,00€ | 45,92%
RHOEN-KLINIKUM | 29.03 | 15,12€ | 22,00€ | 45,50%
TUI AG | 29.03 | 5,68€ | 8,20€ | 44,37%
CEWE COLOR | 26.03 | 31,71€ | 45,50€ | 43,49%



Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.

Laufen wir nun in eine heftige Korrektur der exorbitanten Kursrallye seit vergangenem Dezember oder bleibt es beim heutigen schnellen Ausverkauf?
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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