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Soll ich es wirklich sagen? Okay, ich tue es: „Die Verhandlungen mit Griechenland um die Zahlung der nächsten Hilfstranche stehen kurz vor dem erfolgreichen Abschluss“. Ich denke, das ist die am häufigsten verwendete Schlagzeile der vergangenen Wochen ... oder Monate.
In der Gewissheit, dass wir schon in den nächsten Tagen, wenn nicht Stunden, eine positive Meldung zu diesem Thema erfahren könnten, ist die Börse nun einige Wochen lang angestiegen. Kein Wunder, nach der US-Notenbank Fed hat auch die EZB seit dem Amtsantritt Draghis die Geldschleusen geöffnet, und das allein ist schon ein bullischer Grund für die Aktienbörsen. Und da man sich derzeit sicher ist, dass für Griechenland eine Lösung gefunden wird, kann man sich endlich wieder den Aktienunternehmen zuwenden. Fundamentale Betrachtungen sind in den vergangenen Monaten viel zu kurz gekommen, und die jüngsten Quartalszahlen haben häufiger denn je zu entsprechenden Kursreaktionen geführt: Kurssprünge bei guten Zahlen und Kurseinbrüche bei schlechten. Das war in den vergangenen Monaten nicht der Fall, als die Aktien je nach Index weitgehend im Gleichschritt liefen. Es entlädt sich also eine Neubewertung der Aktien, die Kurse sind in den ersten sechs Wochen diesen Jahres extrem schnell in die Höhe geschossen. Wer jetzt all seine Aktien verkauft und den Rest des Jahres Urlaub macht, der hat schon wesentlich besser abgeschnitten als im Jahr 2011. Wie so häufig zum Beginn einer Rallye ist das Handelsvolumen hingegen extrem niedrig. Im Januar gingen so wenige Aktien über den Tisch wie sonst nur in den Flaute-Monaten Juli und August. Es ist also kaum jemand dabei bei dieser Rallye. Auch Analysten laufen wieder einmal der Entwicklung hinterher. Ist es ihnen zu verübeln? Seit Jahren werden sie nur gescholten, wenn sie nicht rechtzeitig vor einer Baisse gewarnt haben. Kein Analyst wird kritisiert, wenn er zu pessimistisch ist. Im Gegenteil, es gilt heutzutage als klug, wenn man viele Gefahrenquellen aufzeigen kann. So wird die Rallye noch lange nicht von der Masse getragen, sondern vielmehr schaut die Masse derzeit noch neidisch zu. Natürlich werden dann sofort die Krisenherde dieser Welt zitiert, wenn man auf die Perspektiven der Börsen zu sprechen kommt: Ungewissheit in Griechenland, Spannungen in Syrien, in Israel und dem Iran, und diese Woche kann man noch die um 15% eingebrochene chinesische Importquote hinzufügen. Der Ölpreis ist erneut in die Höhe geschossen und notiert über 117 USD/Fass, ... jede Menge Rechtfertigungen dafür, dass viele Anleger dieser Rallye nur unbeteiligt zuschauen, verbunden mit der heimlichen Hoffnung, dass doch eines der befürchteten schlimmen Ereignisse eintreten könnte, damit man nochmals eine Gelegenheit zum verspäteten Einsteigen erhält. Heute scheint diese heimliche Hoffnung erfüllt zu werden, denn die EU zeigt sich unerwartet hart gegenüber den Griechen. Angela Merkel wird in Griechenland wieder mit Hakenkreuz und Hitlerbärtchen in den Medien dargestellt, und die griechische Opposition hat schon deutlich gemacht, die Sparpläne im Parlament nicht durchzuwinken. Auf den Straßen wird demonstriert. Wer will es der EU und insbesondere uns Deutschen da verdenken, dass wir eine etwas breitere Zustimmung für unsere Hilfe aus dem Parlament erbitten. Wenn das, was wir als „Hilfe“ verstehen, in Griechenland nicht so gesehen wird, dann müssen wir nicht weitermachen. Unglücklicherweise wird diese Haltung in der angelsächsischen Presse nunmehr so interpretiert, dass Deutschland den Griechen durch solche Forderungen indirekt zu verstehen gibt, das Euroland doch bitte zu verlassen. Was sollen wir nun glauben? Ich halte mich seit dem 10. Dezember wieder an das, was Angela Merkel sagt, denn sie hat seither viel Gutes getan und scheint die Situation im Griff zu haben. Sie sagte in Davos unmissverständlich, dass Euroland zu Griechenland stehe. Man werde Griechenland nicht fallen lassen. Auf einen weiteren Indikator möchte ich noch zu sprechen kommen: Nouriel Roubini. Dieser End-Zeit Ökonom hat diese Woche eine Kehrtwende unternommen. Roubini ist bullisch für die nächsten Monate! Entweder Roubini hat gelernt oder die Rallye nähert sich dem Ende. Roubini ist IMMER pessimistisch, wenn die Kurse steigen. Er ist der Prototyp des Bedenkenträgers, der neben schwarzen Schwänen und Blasen nichts anderes zu sehen vermag. Wenn er nun bullisch wird, dann stimmt mich das nachdenklich. Schauen wir einmal, wie die einzelnen Indizes auf diese Entwicklungen reagiert haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES: INDIZES (09.02.2012) | DIFF Dow Jones: 12.890 | 1,5% DAX: 6.789 | 2,0% Nikkei: 8.947 | 1,3% Euro/US-Dollar: 1,328 | 1,1% Euro/Yen: 103,1875 | 3,1% 10-Jahres-US-Anleihe: 2,05% | 0,2 Umlaufrendite Dt: 1,62% | 0,1 Feinunze Gold USD: $1.723,40 | -2,0% Fass Brent Öl USD: $117,79 | 5,2% Kupfer in US$/to: 8.703 | 4,5% Baltic Dry Shipping I: 695 | 6,8% Und wieder steht der DAX an der Spitze der Wochenperformance. Und dieses Aktienplus wurde nicht aufgrund eines schwachen Euros erzielt, sondern trotz eines extrem starken Euros! Internationale Anleger strömen noch immer auf den deutschen Kapitalmarkt, um an unserer guten Wettbewerbssituation zu partizipieren. Schauen wir und nun noch die Stimmung unter Anlegern und Analysten an. Wie schon eingangs gesagt, steigt der Pessimismus insbesondere unter den Analysten, was ich für ein gutes Zeichen halte. SENTIMENTDATEN Analysten Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 20.01.- 27.01. (263): 51% / 12% 27.01.- 03.02. (294): 50% / 13% 03.02.- 10.02. (288): 46% / 13% Kaufempfehlungen der Analysten ArcelorMittal S.A., HeidelbergCement, BMW Verkaufsempfehlungen der Analysten AstraZeneca Plc., Fielmann, KPN Privatanleger 04. KW: 60% Bullen (142 Stimmen) 05. KW: 51% Bullen (145 Stimmen) 06. KW: 49% Bullen (160 Stimmen) Kaufempfehlungen der Privatanleger Commerzbank, Bank of Ireland, Centrotherm Verkaufsempfehlungen der Privatanleger Société Générale, ArcelorMittal, Axa Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel QUARTALSZAHLEN: GROUPON, LINKEDLN, WALT DISNEY Diese Woche gab es eine Reihe von Quartalsergebnissen, ich will hier nur drei kurz herausgreifen. LinkedIn, der Wettbewerber von facebook und Xing, hat gute Zahlen abgeliefert. Das soziale Netzwerk vergrößerte seine Reichweite und bestückt die Reichweite mit ordentlicher Werbung. Das Resultat: Die Mitgliederzahl stieg von 131 auf 145 Mio. Der Umsatz sprang um 50% auf 168 Mio. USD an, das meiste Geld wurde jedoch gleich wieder investiert, und so stieg der Gewinn nur von 5,2 auf 6,9 Mio. USD. Ich selbst bin dem Netzwerk gegenüber skeptisch, da ich so häufig durch unpersönliche Aufforderungen eingeladen werde, dass ich diesem Automatismus nicht die Nachhaltigkeit zuspreche, die bei facebook oder Xing zu finden ist. Xing selbst hingegen kommt gegen das technologische Angebot von facebook kaum noch an, wenngleich die Nutzerbasis qualitativ hochwertig ist. Von fehlender Nachhaltigkeit kann Groupon ein Lied singen: Jeder Deal, jedes Angebot muss ausgehandelt werden und durchläuft einen Prüfmechanismus. Der anfängliche Hype, als Groupon noch aktiv gute Angebote akquirierte und damit seine Kunden begeisterte, ist vorbei. Inzwischen kann jeder Angebote einstellen, die das technische Prüfverfahren bestehen, und Groupon wird nichts weiter als ein weiterer Vertriebskanal für Produkte, die eben keinen festen Preis haben. Während LinkedIn wenigstens noch mit dem Wachstum seiner Nutzergemeinde überzeugen konnte, zieht diese Komponente bei Groupon nicht. Es gibt kaum eine Bindung der Kunden zu Groupon, denn wenn die Angebote nicht mehr gefallen, dann schaltet man den Dienst einfach ab. Und so kann Groupon nicht argumentieren, in eine größere Reichweite zu investieren. Groupon muss inzwischen mit der bestehenden Reichweite profitabel werden. Und das ist nicht gelungen. Während sich der Umsatz immerhin verdoppelt hat, wurde die Hoffnung auf einen kleinen Gewinn hingegen nicht erfüllt, Groupon vermeldete rote Zahlen. Im Vorfeld des für dieses Frühjahr erwarteten facebook IPOs werden die jungen Internetfirmen natürlich besonders ins Auge gefasst. Es ist auch ein natürlicher Vorgang an den Finanzmärkten, dass die anderen Internetfirmen von dem steigenden Interesse profitieren: Entsprechende Fonds erhalten Mittelzuflüsse, die sie in die derzeit verfügbaren Internetfirmen investieren müssen. Und da stehen nun einmal LinkedIn und Groupon parat. Doch wenn im Frühjahr facebook an den Markt kommt, dann werden diese Gelder aus den anderen Internetbuden abgezogen, um Liquidität für die Mutter der Sozialen Netze freizumachen. Es wird rund gehen in diesem Segment und LinkedIn kann gegebenenfalls noch einige Wochen mit guten Meldungen für einen steigenden Kurs sorgen. Doch spätestens Ende März würde ich mich aus diesen beiden Aktien verabschieden. Walt Disney hingegen ist ein anderes Börsentier: Es ist ein reifes Unternehmen, das über so viele Weltmarken verfügt wie kaum ein anderes Unternehmen: Mickey Mouse bis Pirates of the Carribean oder Toy Story, Disney verfügt über Erfolgsmarken, mit denen sich gut Geld verdienen lässt. Disney hat diese Woche Zahlen vermeldet, die von Analysten mit Verwirrung aufgenommen wurden: Weniger Umsatzwachstum, dafür mehr Gewinn. Analysten rufen nach dem nächsten Blockbuster, der nächsten Erfolgsstory aus dem Hause Walt Disney. Doch CEO Bob Iger hat dieser Forderung in der Pressekonferenz eine klare Absage erteilt. Sein Unternehmen hat den Luxus, viele Erfolgsmarken im Bestand zu haben – anders als viele seiner Wettbewerber. Und anders als eben diese Wettbewerber braucht Disney eben nicht jedes Jahr wieder alles auf eine Karte zu setzen, um den nächsten Blockbuster zu produzieren. Wenn es keine zündende Idee gibt, dann kann das Unternehmen auch mal von dem Bestand leben, Investitionen zurückfahren und dafür dicke Gewinne zählen. Genau das hat Disney gemacht, und es ist für ein reifes Unternehmen ein beruhigendes Zeichen, dass nicht immer wieder alles auf eine Karte gesetzt wird. Ich werde oft nach einer Aktie gefragt, die man dem Enkelkind in die Wiege legen kann. Neben Pampers & Gamble eignet sich in meinen Augen Walt Disney dafür. CONERGY BESINNT SICH AUF SEINEN URSPRUNG + 30% 07.02.2012 Die Aktie von Conergy ist heute um 30% angesprungen, Grund dafür sind meinen Informationen zufolge Gerüchte über Gespräche und Verhandlungen für den Verkauf der Montagefirma Mounting Systems und Produktionsstandorte. Conergy hat dem Finanzmarkt kommuniziert, dass man sich auf sein ursprüngliches Kerngeschäft, die Planung und Projektierung von Solaranlagen, besinnen möchte. Heute kamen Gerüchte auf, dass Conergy auf dem Weg dorthin konsequent voranschreitet und seine Tochtergesellschaft Mounting Systems, die für das Aufstellen von Solaranlagen verantwortlich ist, verkaufen sowie die Produktion abstoßen möchte. Genaueres über Verhandlungsgespräche oder Verhandlungspartner ist jedoch nicht bekannt. Doch dieses Gerücht reicht offensichtlich bereits aus, den Kurs der Aktie in die Höhe zu treiben, aktuell notiert die Aktie mit 30% im Plus. Kein Wunder, gehören doch die Produktion und Montage zu den großen Verlustbringern des Unternehmens in schwachen Zeiten. Die Projektierung und Planung kann wesentlich schlanker betrieben werden und wird damit wesentlich konjunkturunabhängiger. Die Solarbranche befindet sich in einem „Bereinigungsprozess“, reihenweise werden Insolvenzen angemeldet, und die chinesischen Wettbewerber gewinnen weiter Marktanteile. Gleichzeitig wird immer wieder über eine beschleunigte Förderkürzung diskutiert, was sowohl die Ertragsaussichten als auch die Planungssicherheit beeinträchtigt. Mag sein, dass Conergy mit dem neuen Geschäftsmodell überleben kann. Doch bis zu einer attraktiven Aktie ist es ein weiter Weg, und der heutige Kursgewinn ist in meinen Augen lediglich etwas für kurzfristig orientierte Spekulanten. Es gibt bessere Unternehmen im Energiesektor. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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