Alt 09.09.11, 20:10
Standard So tickt die Börse: Personenkarussell Yahoo!, Bank of America, Solar Millennium
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Heute geht’s zur Sache: Haben wir den Boden gesehen oder handelte es sich diese Woche nur um eine kleine Zwischenerholung? Ich widme mich in Kapitel 03 ausführlich dieser Frage. Vorweg nur eines: Wenn Sie sich anschauen, welche Aktien diesen Dienstag und Mittwoch anstiegen, dann finden Sie kein einheitliches Thema darin: Sowohl die konjunkturabhängigen Auto- und Industriewerte haben kräftig zugelegt, als auch die krisensicheren Einzelhändler und Pharmatitel.

Immerhin war der Goldpreis eingebrochen und Italien hat sich für eine Einführung der Schuldenbremse ausgesprochen. Die Schweiz verlor ihre geldpolitische Unabhängigkeit und ein Unternehmen nach dem anderen bestätigt die jeweiligen Jahresprognosen. Positive Entwicklungen sind also vorhanden. Doch reicht das?

YAHOO! FEUERT CEO CAROL BARTZ

Aber schauen wir uns zunächst einmal die Geschehnisse dieser Woche an. Der Verwaltungsrat von Yahoo! hat per Telefon seinen CEO gefeuert. Carol Bartz war vor zweieinhalb Jahren an Bord geholt worden, um beim in die Jahre gekommenen Internetportal das Ruder herumzureißen.

Zwischenzeitlich wurde ein Übernahmeangebot von Microsoft ausgeschlagen, immerhin hat Microsoft 47 Mrd. USD für das Unternehmen geboten. Heute ist es noch 17 Mrd. USD wert.

Zwischenzeitlich ist die Suchlogik an Microsoft ausgelagert worden. Das, womit Yahoo! Internetnutzer einfing, wird nun vom Wettbewerber Microsoft gegen eine Gebühr zur Verfügung gestellt.

Zwischenzeitlich sind soziale Netze in aller Munde. Das Internet ist im Mobilfunknetz unterwegs und Cloud-Dienste sprießen wie Pilze aus dem Boden. Wer nicht in einem dieser drei Bereiche unterwegs ist, hat keine Chance. Carol Bartz hat alle drei Bereiche verschlafen.

Der Hauptumsatzbringer, Bannerwerbung, wird immer mehr von Anbietern sozialer Netzwerke angegriffen, wie beispielsweise von facebook.

Carol Bartz hat es nicht leicht gehabt. Yahoo! war schon am Taumeln als sie an Bord kam. Sie musste sich gegen den Mitgründer Jerry Yang behaupten, der seine Stärke im Asiengeschäft sah und dort leidliche Erfolge feierte. Gegen Yang einen Strategiewechsel durchzusetzen war wohl nicht möglich.

Bartz beschwert sich nun öffentlich über die Art und Weise, wie sie gefeuert wurde: Der Verwaltungsratschef habe ihr am Telefon ein von Anwälten verfasstes Schreiben vorgelesen. Sie habe ihm vorgeworfen, er habe nicht den Mut, es ihr direkt ins Gesicht zu sagen. So hinterlässt dieser Schritt von Yahoo! bei mir einen faden Nachgeschmack: Bartz ist weg, einen Nachfolger gibt es nicht.

Anders als in Deutschland ist der Verwaltungsrat in den USA sehr einflussreich, insbesondere wenn es um die strategische Ausrichtung des Konzerns geht. Durch die Auswahl des CEOs bestimmt der Verwaltungsrat die künftige Richtung des Konzerns. Verwaltungsratschef Roy Bostock hatte Bartz geholt und damit offensichtlich kein gutes Händchen gehabt. An der Qualifikation von Bartz gibt es bis heute kaum Kritik, lediglich an ihrer strategischen Ausrichtung. Und die strategische Ausrichtung eines Kandidaten kennt man bevor man ihn (in diesem Fall: sie) zum CEO ernennt.

Nun ist der Fehler in meinen Augen nicht Bartz zuzuschreiben sondern wenn, dann Bostock. Doch der sitzt nach wie vor im Chefsessel und darf sich nun nach einem neuen CEO umschauen.

Der Aktienkurs von Yahoo! ist in Folge des Rausschmisses von Bartz um 7% angesprungen. Ich kann das verstehen, denn es konnte nicht so weitergehen. Doch um bei Yahoo! einen wirklichen Strategiewechsel zu erzielen muss die Rolle des mächtigen Mitgründers Jerry Yang neu definiert werden und ein neuer Verwaltungsratsvorsitzender mit neuen Zielen her.

Yahoo! hat eine überaus treue Nutzergemeinde. Ihr Autor beispielsweise hat sich einfach an die Darstellungsweise der Finanzdaten von Aktienunternehmen bei Yahoo! Finance gewöhnt und nutzt dies täglich. Doch das Unternehmen ruht sich nun schon seit 5 Jahren auf den erreichten Lorbeeren aus, Neuerungen gab es nicht mehr. Dabei fallen mir jede Menge Dinge ein, die verbessert werden könnten.

Ich fürchte, weder Bartz noch Bostock haben ein Verständnis davon, wie die Informationsgesellschaft von morgen aussehen könnte. Die Aktie bleibt damit auch nach dem Rausschmiss von CEO Bartz für mich gefährlich. Erst wenn Bostock ersetzt wird, werde ich mir die Strategie des Unternehmens neu anschauen. Bis dahin lasse ich die Finger davon.

Fazit: Yahoo! ohne Bartz ist besser als zuvor. Doch ob das gut genug ist bezweifle ich.

STRATEGIEWECHSEL BEI BANK OF AMERICA

Ganz anders geht man bei der Bank of America vor. CEO Brian Moynihan wurde an die Spitze des Unternehmens berufen, um als Saubermann mit den vielfältigen Vorwürfen der durch die Immobilienkrise geschädigten Kunden umzugehen. Entsprechend vollmundig waren seine Ankündigungen: Er werde jede Forderung einzeln prüfen, er werde die Immobilienkredite, wenn notwendig, einzeln mit den institutionellen Kunden durchgehen, um etwaige Fehler aufzudecken.

Daraus wurde nichts, die Bank of America hat inzwischen viele Milliarden an Entschädigung an die Regierung sowie an einige institutionelle Kunden überwiesen. Und noch immer ist kein Ende in Sicht, immer neue Klagen werden aus dem Hut gezaubert. Es hat den Anschein, dass der Saubermann ausgenutzt wird.

Hintergrund: Im Rahmen der Finanzkrise hat die Bank of America zwei andere Finanzinstitute gekauft: Countrywide und Merrill Lynch. Countrywide war der skrupelloseste Hausfinanzierer. Mit laxen Bonitätsprüfungen erhielten selbst Arbeitslose und Personen mit schlechtem Kreditrating ihre Immobilienfinanzierung. Als das System zusammenbrach, fing die gut positionierte Bank of America den strauchelnden Immobilienfinanzierer Countrywide auf.

Merrill Lynch war, nach Lehman Brothers, der skrupelloseste Anbieter von „innovativen Finanzmarktprodukten“, wie beispielsweise CDOs und CDSs, also die toxisch verpackten Immobilienkredite. Auch Merrill Lynch kam in der Krise unter die Räder und wurde von der Bank of America aufgefangen.

Die Bank of America hat jahrelang den Verlockungen des schnellen Geldes widerstanden und war daher in der Krise ein Fels in der Brandung. Natürlich wurde also zum Aufräumen bei Countrywide und Merrill Lynch ein Urgewächs aus dem Hause Bank of America bestellt: Brian Moynihan.

Doch es scheint, als dauern die Aufräumarbeiten unendlich lange an. Ein Ende ist nicht in Sicht. Nun bringt das Unternehmen potentielle Nachfolger in Position. Diese Woche wurden im Rahmen eines Personenkarussells zwei Manager nach Hause geschickt und die Spitze des Investmentbankings mit Tom Montag, einem ehemaligen Goldman Sachs Manager, besetzt.

Es erinnert mich ein wenig an Anshu Jain bei der Deutschen Bank. Niemand möchte die Bank in die Hände eines Investmentbankers legen, denn ihnen haftet der Ruf von Revolverhelden an. Doch die Jungs erwirtschaften die größten Gewinne für die Banken, und genau das wollen eben die Aktionäre, die Miteigentümer sehen.

Mit Tom Montag wird nun bei der Bank of America ein Mann vom Kaliber des Anshu Jain in Position gebracht, um CEO Moynihan einmal zu beerben, wenn er nicht mehr zu halten ist. Während Moynihan um Aufklärung bemüht ist und moralisch für die Verwerfungen der übernommenen Institutionen gerade steht, würde ein Montag keine Skrupel haben, die eigene Bank zu shorten, um drohende Strafzahlungen durch Tradinggewinne aufzufangen.

Ich weiß, das ist verboten. Doch ich habe Ihnen letzte Woche dargelegt, wie man um solche Verbote herum kommen kann.

Fazit: Schade für die Kunden und schade für die Moral des Finanzsektors (falls es dort eine Moral gibt). Gut für die Aktie von Bank of America.

SOLAR MILLENNIUM STREITET MIT EX-CEO CLAASSEN

Vielleicht erinnern Sie sich: Letztes Jahr trat der ehemalige EnBW-Chef Utz Claassen überraschend an die Spitze von Solar Millennium. Mit 9 Mio. Euro wurde sein Einstieg erkauft, die Aktie machte einen Freudensprung.

Schon 74 Tage später warf er das Handtuch: Er sei vom Aufsichtsrat mit viel zu optimistischen Prognosen geködert worden. Für seinen Ausstieg will er nun nochmals 7 Mio. Euro kassieren. Das wäre ein stolzer Tagessatz von 216.000 Euro. Nicht schlecht.

Inzwischen hat Solar Millennium völlig überraschend bekanntgegeben, das Geschäft mit den Parabolspiegeln einzustellen und zum normalen Solarunternehmen zu werden. Mein erster Gedanke: Wofür brauchen wir überhaupt noch ein Solar Millennium?

Das Ausscheiden von Utz Claassen war schon spektakulär genug und ließ viele Fragen offen. Heute ist der Aufsichtsrat von Solar Millennium noch nahezu unverändert so zusammengesetzt wie vor der Bestellung von Utz Claassen. Ich habe daher seither stets von einem Investment in diese Aktie abgeraten. Der Kurs ist seither von 20 auf 3 Euro eingebrochen.

Fazit: Mindestens so wichtig wie das Geschäftsmodell und die Bilanz ist das Management für ein Unternehmen. Personalentscheidungen ein wenig zu hinterfragen bringt häufig neue Aspekte ans Licht die für eine Anlageentscheidung wichtig sein können.

Bei Yahoo! und der Bank of America ist das letzte Wort noch nicht gesprochen, doch ich ahne schon jeweils, wohin die Reise geht. Bei Solar Millennium ist die Sache nun gelaufen, und wer noch investiert ist sollte meines Erachtens nehmen was er noch kriegt.

Schauen wir uns einmal die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (08.09.2011) | Diff

Dow Jones: 11.296 | 1,3%
DAX: 5.408 | -3,2%
Nikkei: 8.727 | -0,6%
Euro/US-Dollar: 1,390 | -3,6%
Euro/Yen: 107,717 | -3,3%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,99% | -0,2
Umlaufrendite Dt: 1,72% | -0,2
Feinunze Gold USD: $1.867,00 | 5,5%
Fass Crude Öl USD: $88,65 | 4,3%
Kupfer in US$/to: 9.041 | 1,5%
Baltic Dry Shipping I: 1.782 | 12,6%


Am Montag blieben die US-Märkte geschlossen und wir waren hier in Europa auf uns selbst gestellt. Oder anders ausgedrückt: Internationale Anleger, die verkaufen konnten, mussten in Europa verkaufen, weil die USA geschlossen war. So brach der DAX um 5% ein.

Am Dienstag ging es dann nochmals abwärts bis in den USA das Licht angeschaltet wurde und die Kurse drüben bei weitem nicht den Ausverkauf nachvollzogen.

Genau bei 5.150 Punkten machte der DAX am Dienstag Nachmittag kehrt (das war mein Korrekturziel!) und holte ein wenig des erlittenen Verlustes auf.

So hat der DAX im Wochenvergleich kräftig Federn gelassen (-3,2%), während Dow Jones und Nikkei wesentlich besser abschnitten.

Mitte der Woche entschied sich die Schweiz dafür, ihre geldpolitische Unabhängigkeit aufzugeben, da der Schweizer Franken zu teuer geworfen ist. Als „sicherer Hafen“ strömten gigantische Summen in die Schweiz, ich berichtete häufiger darüber. Insbesondere Schwellenländer haben den Schweizer Franken den Weltwährungen US-Dollar und Euro vorgezogen.

Doch der dadurch steigende Wert des Schweizer Franken stand in keinem Verhältnis mehr zur Kaufkraftparität, zur Wirtschaftsleistung des Landes oder zu sonstigen werthaltigen Maßstäben. Die Löhne in der Schweiz sind dadurch im internationalen Vergleich auf ein so hohes Niveau gestiegen, dass jegliche Exporte der Schweiz nicht mehr wettbewerbsfähig zu werden drohten.

Und so hat die Schweizer Nationalbank entschieden, den Wechselkurs des Schweizer Franken auf 1,20 CHF/EUR festzusetzen und diesen Wechselkurs im Markt durch aktive Verkäufe der heimischen Währung sicherzustellen.

Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass die Schweizer Nationalbank US-Dollar und Euro kauft. Am Wechselkurs zwischen dem Euro und dem US-Dollar ändert das wenig. Es zeigt jedoch, dass ein Land im Alleingang nur schwer einen vernünftigen Wechselkurs sicherstellen kann, wenn die Finanzmärkte einmal ihren Fokus auf die Währung gelenkt haben.

Es könnte nun zu einem Kräftemessen zwischen der Schweizer Nationalbank und Währungsspekulanten kommen. Währungsspekulanten halten jegliche Einflussnahme auf den Wechselkurs von offizieller Stelle für eine Verzerrung in die falsche Richtung.

Doch in diesem speziellen Fall gehe ich nicht davon aus, denn es ist offensichtlich, dass der Außenwert des Schweizer Franken nichts mehr mit der Wirtschaftsleistung seines Landes zu tun hat, und es ist somit auch offensichtlich, dass der Wechselkurs zum Euro mittelfristig wieder deutlich höher stehen wird als bei 1,20 CHF/EUR. Sprich: Der Franken wird mittelfristig fallen.

Für Währungsspekulanten wären hier also nur kurzfristige Gewinne drin. Gleichzeitig ist der bisherige Wechselkursanstieg kaum von Spekulanten erzeugt worden sondern vielmehr von Anlegern aus Schwellenländern, die einen sicheren Hafen suchten. Die Spekulanten haben sich also meines Erachtens noch gar nicht gegen die Schweiz formiert.

Somit erwarte ich für einen längeren Zeitraum einen nunmehr stabilen Wechselkurs bei 1,20 CHF/EUR und dann irgendwann einen eher schwächeren Franken (Richtung 1,40 CHF/EUR).

Schauen wir einmal, was die Stimmung unter den Anlegern macht:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
19.08.- 26.08. (399): 54% / 10%
26.08.- 02.09. (362): 59% / 10%
02.09.- 09.09. (548): 54% / 8%

Kaufempfehlungen der Analysten
Bayer, Sanofi, Diageo

Verkaufempfehlungen der Analysten
E.On, Lagardere, RWE

Privatanleger
34. KW: 66% Bullen (184 Stimmen)
35. KW: 74% Bullen (191 Stimmen)
36. KW: 58% Bullen (199 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Klöckner, Deutz, BASF

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Hermes Intl., Q-Cells


Während die in dieser Erhebung befragten Anleger verhalten optimistisch sind, sehen die Umfrageergebnisse bei anderen Sentiment-Erhebern wesentlich bullischer aus. Bei animusX ist das strategische Sentiment unvermindert bullisch, Anleger sehen die niedrigen Kurse also überwiegend als Einstiegskurse und glauben an eine schnelle Erholung. Bei der Umfrage unter institutionellen Anlegern von der Deutschen Börse wurde gar ein 2-Jahres-Hoch im Optimismus erreicht.

Ich weiß nicht, ob diese optimistische Stimmung einen Boden signalisiert. Eher würde ich den Optimismus als gefährlich ansehen. Wenn die nächste schlechte Meldung kommt, könnte die Enttäuschung groß sein, der Ausverkauf könnte sich fortsetzen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 15:26 Uhr.
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