Alt 22.05.11, 00:48
Standard So tickt die Börse: Gewinner und Verlierer werden offenbar
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LINKEDLN IPO VOLLER ERFOLG FÜR BANKEN UND DAS UNTERNEHMEN.

... nicht aber für Aktionäre. Der Börsengang des sozialen Netzwerkes Linkedln in dieser Woche macht mir Sorgen. Erinnerungen an die Internetblase 1999 / 2000 kommen hoch, als 200 Unternehmen an die Börse gingen, die noch keine oder kaum nennenswerte Umsätze hatten, geschweige denn Gewinne. Milliardenbeträge wurden aufgerufen und von gierigen Anlegern gezahlt. Das Ende vom Lied kennen Sie: Die meisten der 200 Internetbuden gibt es heute nicht mehr.

Natürlich ist bei Linkedln, dem Wettbewerber von Facebook, alles anders. Das Unternehmen hat schon ordentliche Umsätze und weist sogar Gewinne aus. Doch schauen wir uns einmal ein paar rudimentäre Zahlen an, um diesen irren Vorgang besser einzuordnen:

Im Jahr 2010 hat Linkedln immerhin 243 Mio. USD Umsatz gemacht, es blieben 15,4 Mio. USD Gewinn übrig. Bei einem Börsengang ist meiner Erfahrung nach ein Kurs/Gewinn-Verhältnis von 6-8 nicht selten, ich würde Linkedln also mit 15,4 Mio. USD x 8 = 123,2 Mio USD bewerten.

Ein anderer Bewertungsansatz ist das KGV in Abhängigkeit von der Wachstumsgeschwindigkeit. Der Umsatz wuchs 2009 um 50%, 2010 sogar um 80% an. Nehmen wir das Mittel von 65 so gibt es einige, die mit einem KGV argumentieren, das gleich der Wachstumsgeschwindigkeit von 65% p.a. ist. So würden wir einen Unternehmenswert von 15,4 Mio. USD x 65 = 1 Mrd. USD erhalten. Whow.

Nun, die Banken, die den Börsengang betreuten, errechneten jedoch einen Unternehmenswert von 3 Mrd. USD und bepreisten die verfügbaren Aktien mit einem Ausgabekurs von 33-35 USD.

Doch statt das Unternehmen vollständig oder zu einem großen Teil an die Börse zu bringen, wurden nur etwa ein Zehntel der Aktien angeboten. Und nun bedient man sich eines, in meinen Augen, irren Verfahrens. In den letzten Tagen und Stunden vor dem Börsengang geht es stets hoch her, die Banken telefonieren mit dem Unternehmen und mit Anlegern und versuchen, das Optimale herauszuholen.

Da nur ein Zehntel des Unternehmens zum Verkauf steht, ist es für den Kapitalmarkt ein Leichtes, diese kleine Menge an Aktien aufzukaufen. Schlimmer noch, es werden nun von den Banken Meldungen verbreitet, dass der Börsengang zweifach, fünffach oder gar zehnfach überzeichnet ist. Kein Wunder, wenn der Markt ein Milliardenunternehmen erwartet, aber nur Aktien im Wert von wenigen hundert Millionen angeboten bekommt.

Die Information, dass nur ein Zehntel angeboten wurde, ist zwar frei verfügbar, aber irgendwo im Kleingedruckten versteckt und für Anleger kaum auffindbar. Und die Banker am Telefon werden es ihnen auch nicht freiwillig sagen. Vielmehr wird der Eindruck erzeugt, dass das ganze Unternehmen zehnfach überzeichnet ist, und die ganze Welt möchte Linkedln Aktien.

Na, da lässt sich der eine oder andere Investor dann dazu hinreißen und bietet einen höheren Preis an. Und da Angebot und Nachfrage fair zusammengebracht werden sollen, gehen die Banker darauf ein und erhöhen den Emissionspreis in den letzten Stunden schrittweise.

Linkedln ging schließlich für 45 USD je Aktie an die Börse. Nur ein kleiner Anteil derer, die gezeichnet hatten, erhielt auch Aktien. Typischerweise versuchen die Banken möglichst viele Anleger mit einem kleinen Anteil zu beglücken.

Zu diesem Zeitpunkt war Linkedln also bereits 28% mehr wert, als von den Bankern im Vorfeld als fairer Wert errechnet wurde. 45 USD statt 35 USD je Aktie umgerechnet auf die Gesamtzahl der ausstehenden Aktien ergibt eine Marktkapitalisierung von über 4 Mrd. USD. Doch damit ist der irre Prozess des Börsengangs noch längst nicht beendet.

Am ersten Handelstag, typischerweise folgt dieser einer Nacht, in der die Banker eifrig die letzten Cent aus den Zeichnungswilligen herausgequetscht haben, sind die Aktien dann so gegen 10 Uhr plötzlich handelbar. Kurz zuvor haben die Zeichner erfahren, wie viele Aktien ihnen zugeteilt wurden.

Institutionelle Anleger arbeiten mit mathematischen Modellen an ihrer Portfoliostruktur. Dieses Modell wurde konsultiert bevor die Zeichnung der Linkedln Aktien eingereicht wurde, und dieses Modell hat je nach Fondsgröße oder verwaltetem Vermögen ausgespuckt, dass beispielsweise 1.000 Linkedln Aktien die „optimale“ Positionsgröße für das eigene Portfolio wären. Und obwohl 10.000 Aktien gezeichnet wurden, erhält dieser Zeichner nur 200 Aktien.

Linkedln ist ein absoluter Erfolg, soviel ist jedem Portfoliomanager zu diesem Zeitpunkt klar. Warum sonst sollte die Aktie zehnfach überzeichnet sein? Doch leider hat er nur einen kleinen Bruchteil dessen, was für sein Portfolio sinnvoll ist und wenn er das mathematische Modell missachtet, gibt es Schelte vom Chef. Was also tun? Die 200 Aktien verkaufen? Oder die fehlenden 800 Aktien zukaufen?

Bei einer Erfolgsstory wie Linkedln ist es schlimmer für den Portfoliomanager, seinem Chef verständlich zu machen, dass er nicht ausreichend Aktien kaufen konnte, um am Erfolg zu partizipieren. Besser verständlich für den Chef ist es, wenn der Portfoliomanager die fehlenden 800 Aktien völlig überteuert zukauft und am Ende mit einem (mathematisch) sauberen Portfolio aufwarten kann. Wen interessiert der Kaufkurs, wenn die Aktie ja noch 500% oder 1.000% ansteigen wird, wie alle am Markt zu diesem Zeitpunkt ja zu wissen glauben.

Sie können sich vorstellen, was nun folgt: Ein Kaufrausch für eine Aktie, von der es noch kaum frei verfügbare Stücke gibt und Kauforders ohne Limit, die den Preis sodann in ungeahnte Höhen treiben. Die Aktie von Linkedln eröffnete mit 84 USD und wurde im Tagesverlauf deutlich über 100 USD getrieben. Am Ende des Tages stand das seltene Papier bei 94 USD, Linkedln wurde somit mit einer Marktkapitalisierung von 9 Mrd. USD bewertet. Das entspricht dem 37-fachen des Umsatzes, nicht des Gewinns, des Unternehmens aus dem Jahr 2010.

Linkedln ist nun also 9 Mrd. USD wert. Es wird der Börsengang von Groupon folgen, Groupon setzt heute schon ein Vielfaches des Umsatzes von Linkedln durch lokale Werbung und Rabattangebote um. Na, und all das ist eigentlich nur ein Warmlaufen für den Börsengang von Facebook, der Mutter aller sozialen Netze. Es würde mich nicht wundern, wenn Facebook vom Start weg eines der wertvollsten Unternehmen der Welt ist – zumindest für ein paar Tage.

Denn wir haben 2000 bis 2003 gesehen, wie ein solcher Hype endet: Irgendwann werden nicht mehr die Kunden gezählt, irgendwann wird nicht mehr das „Gewinnpotenzial“ betrachtet, sondern irgendwann wird von Anlegern der tatsächliche Gewinn abgefragt. Bei Linkedln sind wir derzeit bei 15,4 Mio. USD. Ich weiß nicht, wie man diesen Betrag auf Anleger aufteilen soll, die 9 Mrd. USD eingeschossen haben, so dass alle zufrieden sind.

Fazit: Wer in den USA ein Depot hat, zeichnen kann und tatsächlich eine Anzahl von Aktien bei diesen IPOs zugeteilt bekommt, dem gratuliere ich zum „Übernachterfolg“! Nehmen Sie, was Sie am ersten Handelstag bekommen können, und freuen Sie sich über den Zeichnungsgewinn. Danach sollten Sie die Finger von diesen Aktien lassen.

DELL KAUFT SAP

Okay, vermutlich bin ich mit dieser Schlagzeile der Zeit etwas voraus. Doch die Quartalsergebnisse dieser Woche haben mir eindeutig gezeigt, dass das SAP-Geschäftsmodell ein Auslaufmodell ist. SAP schafft den Schwenk zur Cloud nicht, Salesforce.com macht sich lustig über jahrelang laufende SAP Projekte ohne Zielerreichung, und der Technokrat Leo Apotheker, ehemaliger SAP-Vorstand, führt nun auch Hewlett Packard in eine Sackgasse.

Diese Woche haben Dell und Salesforce.com ihre Quartalszahlen veröffentlicht. Salesforce.com hat wieder einmal alle Erwartungen übertroffen. In einem Interview sagte CEO Marc Benioff, unzufriedene SAP-Kunden würden in Scharen seine Dienste abrufen.

Als ehemaliger SAP-Berater weiß ich, dass das Versprechen SAPs, die Unternehmenskosten mit Hilfe der SAP-Software zu senken, nur durch sehr hohe Investitionen in die EDV-Landschaft zu realisieren ist. Information und Kostenkontrolle haben ihren Preis. Viele kleine und mittelständische Unternehmen sind an SAP-Projekten Pleite gegangen.

Weshalb die SAP-Software dennoch so erfolgreich war, erklärt sich in meinen Augen aus der Standardisierung, die eine SAP-Einführung mit sich bringt. Unternehmensteile wurden mit Standardsoftware bestückt, Übernahmen und Teilverkäufe wurden damit leichter. Die EDV-Abteilungen fusionierter Unternehmen sprachen die gleiche Sprache: SAP.

Als ich vor zehn Jahren SAP den Rücken kehrte, war das Bestreben, SAP für den Mittelstand zugänglich zu machen, schon viele Jahre alt. Verschiedenste Ansätze wurden verfolgt, inklusive dem Ansatz, der heute vielleicht als „Cloud“ bezeichnet würde: SAP Betriebsserver und Softwareinstallation für seine Kunden. Die Kunden mussten sich nur in das SAP-System einklinken.

Ich weiß nicht, warum es SAP bis heute nicht gelungen ist, diesen Ansatz zum Erfolg zu bringen und ebenfalls als Cloud-Unternehmen zu gelten. Vielleicht ist das betriebswirtschaftliche Modell, das der Software zugrunde liegt, zu starr. Vielleicht sind die Preise zu hoch. Vielleicht ist die Komplexität zu groß. Ich weiß es nicht.

Nun kommt Salesforce.com daher und behauptet, mit einer Projektdauer von 2-3 Monaten SAP Installationen zu erweitern oder Komponenten zu ersetzen. Die Kosten sind deutlich geringer als bei SAP und die Kundenzufriedenheit ist, wenn ich den Presseberichten glauben schenke, hoch.

Oracle, der größte Wettbewerber SAPs, hat unlängst SUN Microsystems gekauft. Damit hat Oracle einen der qualitativ hochwertigsten Serverhersteller ins eigene Haus geholt. SUN verfügt über gute Hardware und Software, UNIX kommt aus dem Hause SUN.

Durch diese Übernahme sprudeln nun „Cloud-Angebote“ aus dem Hause Oracle und auch Oracle hat in den jüngsten Quartalen recht gute Zahlen abgeliefert.

SAP ist in Sachen Datenbanken, Hardware und Betriebssystem noch immer auf Dritte angewiesen. Gleichzeitig beharrt man für die eigene Software auf der eigenen Entwicklungssprache ABAP. Ein Spagat, der viel Geld kostet.

Hewlett Packard hatte die Zeichen der Zeit erkannt, und unter dem Vorgänger des heutigen CEOs Leo Apotheker, Marc Hurd, hat HP Palm zugekauft, den Anbieter von Handhelds (Vorgänger von Smartphones) mit einem eigenen Betriebssystem. Seit Leo Apotheker bei HP ist, habe ich in Sachen strategischer Ausrichtung des Unternehmens diesbezüglich nicht mehr viel gehört.

HP hat diese Woche ebenfalls sein Quartalsergebnis veröffentlicht. Die Erwartungen wurden enttäuscht, Apotheker machte Produktionsengpässe aufgrund der Katastrophe in Japan für die schlechten Zahlen verantwortlich. Ich hatte Ihnen vor einigen Wochen gesagt, dass wir diesmal sehr leicht gute von schlechten Unternehmen unterscheiden können: Gute Unternehmen habe eine Katastrophe wie sie in Japan stattgefunden hat unter Kontrolle und liefern dennoch gute Zahlen. Schlechte Unternehmen haben ihr operatives Geschäft nicht unter Kontrolle und ziehen Japan als Ausrede heran.

Hewlett Packard ist direkter Wettbewerber von Dell. Unter lautem Marktgeschrei hatte HP erst vor zwei Jahren Dell als weltgrößten Computerbauer abgelöst. Dell hatte eine Identitätskrise und der Unternehmensgründer, Michael Dell, wurde zurück an die Unternehmensspitze geholt, um das Unternehmen neu auszurichten.

Wunder konnte Michael Dell nicht vollbringen, und so folgten nach seinem Amtsantritt noch viele schlechte Quartale. Ihr Autor hat Dell dann irgendwann aus seinen Augen verloren, ich glaubte nicht mehr daran, dass Michael Dell das Steuer herumreißen kann.

Doch es ist ihm gelungen. Er hat vor zwanzig Jahren erkannt, dass individuell konfigurierte Computer mit einigen leicht verständlichen Optionen gerne direkt über das Internet bestellt werden und keinen teuren Ladenvertrieb benötigen. Nun hat Michael Dell offensichtlich erkannt, dass der Computer ein Allgemeingut ist, mit dem sich nicht mehr die großen Gewinne erwirtschaften lassen. Bessere Preise lassen sich bei Dienstleistungen erzielen sowie in der Cloud. Dell hat den Unternehmensmarkt erobert und bietet all das an, was zur Zeit en vogue ist: zentrale Datensicherung, Fernadministration über virtuelle Entwicklungs- und Wartungsumgebungen sowie Software as a service, also Software, die über das Internet aufgerufen wird. Mit diesem Schwenk ist es ihm nun gelungen, nicht nur den Umsatz wieder zu steigern sondern insbesondere die Gewinnmarge nach oben zu schrauben.

Soweit meine ersten Schlussfolgerungen aus den jüngsten Quartalsergebnissen. Ich werde wohl noch tiefer in die einzelnen Geschäftsmodelle blicken müssen, um genau herauszufinden, warum Dell, Salesforce.com sowie Oracle Erfolg haben und SAP sowie Hewlett Packard nicht. Doch allein die Beobachtung der jüngsten Entwicklungen sollte uns ausreichen, um die Finger von SAP und HP zu lassen. Und, um die reißerische Überschrift nochmals aufzugreifen, vielleicht wäre SAP unter dem Dach von Dell wettbewerbsfähiger.

Bilanziell sinnvoll wäre hingegen der umgekehrte Weg: SAP kauft Dell, denn SAPs 18 Mrd. USD Jahresumsatz werden mit einer Marktkapitalisierung von 75 Mrd. USD bewertet, Dells 61 Mrd. USD Umsatz werden mit 31 Mrd. USD bewertet.

Die Wochenperformance der wichtigsten Indizes folgt anderen Ereignissen: Rohstoffkorrektur, IWF-Führungsrotation (sprich Ideologiewechsel?), Geldpolitik der Schwellenländer und Schuldenkrisen in Europa und den USA. Schauen wir uns einmal die Entwicklung der wichtigsten Indizes an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (19.05.2011)

Dow Jones: 12.605 | -0,7%
DAX: 7.358 | -1,2%
Nikkei: 9.607 | -0,4%
Euro/US-Dollar: 1,431 | 0,2%
Euro/Yen: 116,9995 | 1,5%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,17% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 2,89% | 0,0
Feinunze Gold USD: $1.498,70 | -0,9%
Fass Crude Öl USD: $98,84 | -1,2%
Kupfer in US$/to: 8.986 | 2,2%
Baltic Dry Shipping I: 1.329 | 0,7%



Aktien wurden verkauft, Rohstoffpreise (außer Kupfer!) haben den Rückwärtsgang eingelegt, und nachdem Japan nun in eine Rezession abgerutscht ist, bricht der Yen ein, während Euro und USD derzeit als kleinere Übel gelten. Mal sehen, wie sich diese Entwicklungen auf die Stimmung der Anleger auswirken:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen

29.04.- 06.05. (516): 56% / 6%
06.05.- 13.05. (548): 69% / 11%
13.05.- 20.05. (378): 56% / 9%

Kaufempfehlungen der Analysten
EADS, Hewlett Packard, ThyssenKrupp

Verkaufempfehlungen der Analysten
Banco Popolare, UBI Banca, TJX Companies

Privatanleger
18. KW: 67% Bullen (180 Stimmen)
19. KW: 70% Bullen (179 Stimmen)
20. KW: 63% Bullen (165 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Hewlett Packard, BASF, Pfleiderer

Verkaufempfehlungen der Privatanleger
Zooplus, ArcelorMittal, Sky Deutschland


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Analysten sowie Privatanleger werden wieder vorsichtiger, der Optimismus hat sich etwas abgekühlt. Wohl aufgrund der fallenden Rohstoffpreise, die als ein Indikator für eine schwächere Konjunktur gewertet werden.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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