Alt 13.05.11, 16:44
Standard So tickt die Börse: Volkswirtschaftlicher Schaden von Spekulanten
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„Mit Dir spiele ich nicht mehr“, sagt das eine Kind zum anderen im Sandkasten wenn es mehrfach unfair behandelt wurde. Die großen Ölkonzerne wie Exxon oder BP, aber auch ein Land wie Saudi Arabien werfen diese kindlich klare Aussage den Hedgefonds entgegen.

„Komm, wette gegen mich, egal ob auf einen steigenden oder fallenden Ölpreis – ich nehme jede Wette an“, rufen die Hedgefonds den Ölkonzernen zu. Mit ausgefeilten finanzmathematischen Methoden können sie jedes eingegangene Risiko an anderer Stelle ausgleichen, und unterm Strich verdienen sie meist nicht schlecht.

Doch die Ölkonzerne wollen nicht mehr wetten. Wenn sie auf einen fallenden Ölpreis wetten, entgehen ihnen Gewinne, sollte der Ölpreis dennoch steigen. Und auf einen steigenden Ölpreis zu wetten brauchen sie nicht, sie sitzen ja auf dem Öl und partizipieren damit ohnehin an einem Anstieg. Die Hedging- Bücher der großen Konzerne sind seit vielen Jahren geschlossen.

Das Öl, das sie zu 40 USD/Fass aus dem Boden holen, wirft genug Gewinn ab. Bei einem Ölpreis über 100 USD/Fass braucht man sich da nicht absichern, selbst ein Kurssturz um 20% würde bei den Ölkonzernen nicht mehr als ein Achselzucken initiieren.

Die Hedgefonds mit ihren finanzmathematischen Modellen gehen bei einem solchen Kurssturz reihenweise unter. Eine Volatilität über 80 gab es in den vergangenen drei Jahren nicht mehr, und daher ist so ein Ereignis manchmal in den finanzmathematischen Modellen nicht berücksichtigt.

Nachdem in der Vorwoche der Silbermarkt durch den US- Rohstoffmarkt auf ein verträgliches Niveau zurückgeholt wurde, folgte diese Woche der Ölmarkt. Die Margin (erforderliche Sicherheitshinterlegung) für Öl wurde erhöht. Nur ein bisschen, aber wer den Silberpreiseinbruch letzte Woche verfolgt hat, dem dürfte klar sein, dass auch beim Öl die Margin in mehreren Schritten erhöht wird.

Wenn der Ölpreis über 100 USD/Fass ein Krisenniveau signalisiert, obwohl die Lager voll sind mit Öl und Ölförderer die Produktion drosseln, dann kann etwas mit der freien Preisbildung nicht stimmen. Und die US-Rohstoffbörse ist zu dem Schluss gekommen, dass zu viele Zocker den Ölpreis beeinflussen. Endlich!

Durch die Anhebung der Sicherheitsleistungen wird der Hebel, mit dem Hedgefonds unterwegs sind, reduziert. Das reale Angebot und Nachfrage gewinnen wieder ein wenig mehr an Einfluss auf die Preisbildung. Im ersten Schritt ist der Ölpreis von 110 auf 100 USD/Fass gefallen. Ich kann mir gut vorstellen, dass die US-Rohstoffbörse erst bei einem Preis von 80 USD/Fass zufrieden ist.

Rohstoffpreise, insbesondere der Ölpreis, wirken wie eine Steuer auf die Wirtschaft. Ein rückläufiger Ölpreis ist also wie eine Steuersenkung, wie ein Konjunkturprogramm. Die Aktienkurse müssten eigentlich ein Freudenfeuerwerk veranstalten. Doch an den Tagen der größten Ölpreisverluste, beispielsweise am 5.5. brachen auch die Aktienindizes ein.

Ein hoher Ölpreis ist schlecht für die Wirtschaft, haben wir nun monatelang durch die Presse erfahren. Nun schreibt man, ein rückläufiger Ölpreis ist das Zeichen einer schwachen Wirtschaft. Und erneut sollen Sie um Himmels Willen auf gar keinen Fall Aktien kaufen, wenn man der Boulevardpresse glaubt!

Doch dieser Schnellschuss ist ein Trugschluss. Am Tag des Ölpreisverfalls stehen Hedgefonds extrem unter Druck Sicherheiten zu liefern. Es wird Bargeld generiert wo es nur geht, häufig natürlich dann durch den Verkauf anderer liquidier Vermögensgegenstände wie beispielsweise Aktien. Und so ist ein Aktienkurseinbruch am Tag der Margin-Calls nichts weiter als die Panik der Hedgefonds sich um jeden Preis Bargeld zu besorgen.

Wenn sich die Wogen glätten, steigen die Aktien – wie in dieser Woche zu sehen.

So gibt es nun einige Schnäppchen am Markt und ich habe im nächsten Kapitel gleich drei Ideen ausgearbeitet.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (12.05.2011)

Dow Jones: 12.696 | 0,9%
DAX: 7.444 | 0,9%
Nikkei: 9.649 | -2,1%
Euro/US-Dollar: 1,428 | -1,5%
Euro/Yen: 115,229 | -1,0%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,23% | 0,1
Umlaufrendite Dt: 2,93% | -0,2
Feinunze Gold USD: $1.512,95 | 1,4%
Fass Crude Öl USD: $100,02 | 0,7%
Kupfer in US$/to: 8.795 | 0,1%
Baltic Dry Shipping I: 1.320 | -1,5%



Wenn ich immer wieder über die „bösen Spekulanten“ schimpfe, dann vergesse ich nicht, dass wir mit unseren Heibel-Ticker Ideen oft genug selber spekulieren. Doch wir unterscheiden uns von Hedgefonds, von ETFs und von High Frequency Tradern, denen die Richtung des Preisverlaufs häufig egal ist, Hauptsache es bleibt volatil.

Die Aufgabe der Börse ist es, einen Marktpreis zu finden, der Angebot und Nachfrage zusammen bringt. Das ist derzeit beim Öl nicht der Fall sonst würde Saudi Arabien bei einem überschäumenden Ölpreis nicht die Fördermenge drosseln. Oder wollen Sie mir weismachen, dass Silber vor zwei Wochen 50 USD/Unze wert war, drei Tage später jedoch nur noch 34 USD/Unze? Da wird die Preisbildung von realen Entwicklungen abgetrennt und das ist nicht gut.

Es ist gut für Hedgefonds, die an volatilen Märkten verdienen. Es ist gut für ETFs, die an Provisionen verdienen, denn Silber ist nun out, warum nicht mal alles in Öl-ETFs umschichten lassen? Und es ist gut für High Frequency Trader, für Handelssysteme, die Positionen oft weniger als eine Sekunde lang halten, denn für sie ist ebenfalls Volatilität ein Segen.

Und es ist gut für die Börsenbetreiber selbst, denn sie verdienen an der Anzahl der Transaktionen und am Volumen. Insbesondere High Frequency Trader sind also „gute Kunden“ für die Börsenbetreiber. Man wird den Teufel tun ihnen das Geschäft zu erschweren.

Wir Privatanleger haben wenig Einfluss auf diese Vorgänge. Lediglich in Sachen ETFs sollten wir uns ein paar Gedanken machen. Durch den Herdentrieb in einen bestimmten ETF werden heute ganze Märkte / Branchen auf ein neues Preisniveau gehoben – die guten Unternehmen des Marktes / der Branche wie auch die schlechten. Ein ETF teilt neue Kundengelder strikt nach einem festen Schlüssel auf den ETF-Markt auf. Und dieser Schlüssel orientiert sich sehr häufig nur an der Unternehmensgröße, nicht aber an den Aussichten eines Unternehmens. Hier beginnt also bereits, der Preisfindungsmechanismus der Börse ausgehebelt zu werden.

Einmal mehr ist auch der hohe Hebel, die geringe Sicherheitsleistung, die erforderlich ist, ein maßgeblicher Preistreiber. Stellen Sie sich einmal vor, Exxon möchte sich gegen einen Preisverfall am Ölmarkt absichern. Exxon wird niemals die gesamte zukünftige Produktion durch Termingeschäfte absichern, sondern vielleicht 30%, vielleicht sogar 50%, um Schlimmes zu verhindern, ohne jedoch von einem weiteren Preisanstieg nichts mitzubekommen. Das Unternehmen wird sich überlegen, welche Preisschwankungen wirklich negative Auswirkungen auf das eigene Geschäft haben und wird einen entsprechenden Anteil absichern.

Hedgefonds hingegen überlegen nicht, welchen Anteil ihres Geldes sie mit Öl absichern könnten, sondern „das Wievielfache“. Sie haben vielleicht 500 Mio. USD Bargeld und überlegen sich nun, ob sie mit dem Zweifachen, dem Fünffachen oder gar dem Zehnfachen auf einen steigenden Preis setzen sollen. Damit jongliert der Hedgefonds nun plötzlich mit Öl im Wert von 5 Mrd. USD.

Und wenn der Hedgfondsmanager möchte, dann kann er diese 5 Mrd. USD binnen weniger Minuten in den Markt drücken. Der Ölkonzern hingegen kann nicht mal eben schnell die Fördermenge verzehnfachen, um diese Spitzennachfrage auszugleichen. Hier fehlt die Verhältnismäßigkeit. Hedgefonds sind schnell in der Lage, einen stärkeren Preiseinfluss zu entwickeln als ein Ölkonzern bzw. dessen Kunden selbst.

Unterm Strich bleibt heute leider im Ergebnis, dass diese in meinen Augen fehlerhafte Preisbildung zu volkswirtschaftlichen Schäden führt. Ein ungleichgewichtiger Preis aus realwirtschaftlicher Sicht führt zu wirtschaftlichen Entscheidungen, die eben nicht optimal sind.

Ist die Börse also ein Haifischbecken, in dem wir als Privatanleger untergehen müssen? Nein, im Gegenteil. Wenn wir ein paar dieser Vorgänge verstehen, können wir davon profitieren. Der Druck, mehr Sicherheiten anzuschaffen, führte in den vergangenen Tagen zu verhaltenen Aktienkursentwicklungen. Aktuell ist der DAX im Minus, obwohl heute das beste Wirtschaftswachstum Deutschlands seit der Wiedervereinigung veröffentlicht wurde.

Deutschland profitiert von dem Euro wie kein zweites Land in der EU. Deutschland hat seine Hausaufgaben gemacht (10 Jahre Lohnzurückhaltung) und erntet nun ein paar der Früchte.

Als Privatanleger haben wir die Freiheit, an solchen Tagen zuzugreifen, während andere in Panik verkaufen. Schauen wir einmal, wie die Stimmung aussieht:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
21.04.- 29.04. (296): 56% / 6%
29.04.- 06.05. (516): 56% / 6%
06.05.- 13.05. (548): 69% / 11%

Kaufempfehlungen der Analysten
Dt. Post, BASF, Klöckner

Verkaufempfehlungen der Analysten
Nordex, Beiersdorf, RWE

Privatanleger
17. KW: 73% Bullen (221 Stimmen)
18. KW: 67% Bullen (180 Stimmen)
19. KW: 70% Bullen (179 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Klöckner, Tepco

Verkaufempfehlungen der Privatanleger
Q-Cells, Vallourec


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Die Ungewissheit schwindet: Analysten und Privatanleger positionieren sich klar – entweder als Bulle oder als Bär. Steigender Optimismus mit einem gesunden Funken Skepsis ist ein guter Nährboden für anhaltend steigende Kurse. Ich sehe also die Stärkung des Bullenlagers nicht so kritisch.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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