Alt 18.06.12, 10:41
Standard So tickt die Börse: Auch die Besten sind in Gefahr
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Wieder einmal hat es ein grundsolides Unternehmen erwischt. Wenn der Markt gegen einen läuft, kann manchmal auch das beste Management nichts dagegen unternehmen.

Centrotherm hat diese Woche bekanntgegeben, dass ihre Avalversicherung keine Versicherungen und Kredite mehr an das Unternehmen ausgebe. Teure Bauteile für Solarfabriken werden häufig auf Kredit gekauft und erst dann bezahlt, wenn nach Fertigstellung der Fabrik die Bezahlung durch den Kunden erfolgte. Es ist ein elementarer Bestandteil des Geschäfts von Maschinenbauern, da die Bauteile eben häufig sehr teuer und individuell angefertigt sind. Wenn Centrotherm nicht schnell einen anderen Finanzierer findet, sieht es mau aus.

Ich erinnere mich an meine bislang schlimmste Empfehlung: Thornburg Mortgage. Ich habe die Aktien im Jahr 2008 empfohlen, als die Immobilienkrise "günstige" Bewertungen erzeugt hatte. Thornburg war der Musterknabe der Branche, denn das Unternehmen vergab nur Kredite an Schwerreiche, die sich ihr Feriendomizil finanzieren wollten. Die Ausfallquote war auch mitten in der Krise noch unvorstellbar gering.

Doch die Banken, mit denen Thornburg zusammen arbeitete, bekamen Probleme und strichen einfach sämtliche Kredite - so auch die für Thornburg Mortgage. Von heute auf morgen war Thornburg insolvent, die Aktie fiel ins Bodenlose.

Die Bilanz von Centrotherm sieht recht gut aus. Ich würde einen Buchwert von 15 Euro aus der Bilanz herauslesen. Doch der Buchwert hat in Krisenzeiten kaum eine Bedeutung, immerhin notieren die meisten europäischen Banken bereits seit zwei Jahren deutlich unter ihren jeweiligen Buchwerten. Mit einem Kurs von 3,50 Euro ist Centrotherm nun auf Insolvenzniveau. Der Kurs steht in keinem Verhältnis zum Wert, doch sollte es am Montag in Folge eines negativen Ausgangs der Wahlen in Griechenland zu einer europäischen Kreditklemme kommen, dann wird auch dieses solide aufgestellte Unternehmen ernste Probleme haben.

So führt eine Durststrecke in der Solarbranche gepaart mit der europäischen Schuldenkrise zum rasanten Exodus der einstigen deutschen Vorzeigebranche Solarenergie.

Sah doch zum vergangenen Wochenende alles so schön aus: Endlich beantragten die Spanier Rettungsmittel für ihre Banken. Für Frau Merkel war es wichtig, dass Spanien die Hilfsmittel beantragt und nicht die Banken. Denn so steht nun Spanien in der Pflicht und eben nicht die Banken.

Doch für Spanien bedeutet dieser zusätzliche Kredit eine weitere Ausweitung der Staatsschulden. Das Land ist somit unter den Rettungsschirm geschlüpft, muss mehr Geld zurückzahlen, und doch gibt es keinen glaubhaften Plan, wie das Land jemals seine Schulden wird abtragen können.

So war der Effekt der positiven Bankenrettung binnen weniger Stunden verpufft. Spaniens Kreditzinsen stehen heute bei 6,9%. Langweilig, denken sich einige Finanzjongleure und wenden sich Italien zu. Und so begannen die Zinsen in Italien zu klettern, zuletzt auf deutlich über 6%.

Am Wochenende wird über den Verbleib Griechenlands in der Europameisterschaft entschieden. Die Griechen müssen Russland besiegen und zwar mindestens mit einem 4:0. Leichter wäre es für die Erfinder der Demokratie, wenn sie über den Einzug in die Endrunde abstimmen könnten. Griechenland würde "Ja" stimmen, "aber wir wollen nicht 4:0 gewinnen müssen".

So könnte der Wahlausgang am Wochenende ebenfalls aussehen: "Ja", werden die Griechen zum Euro sagen, "aber wir wollen Eure Bedingungen nicht akzeptieren".

Bei der Europameisterschaft gibt es ein Prozedere, wie man mit solchen Teilnehmern umgeht: Sie werden nach Hause geschickt. Aus dem Euroland heraus kann Griechenland nicht nach Hause geschickt werden. Europa ist erpressbar, und das wird das Ergebnis der Wahlen so oder so zu Tage bringen.

In diese konfuse Nachrichtenlage hinein finden Gerüchte natürlich sofort dankbare Verstärker. Man habe sich auf eine europäische Bankenunion geeinigt, hieß es da zur Wochenmitte. Bei diesen Gerüchten müssen Sie bitte nur darauf achten, ob Deutschland dafür oder dagegen ist. Und Angela Merkel ist dagegen. Es war also nur ein Gerücht.

Gestern wurde plötzlich bekannt, dass die Notenbanken der G7 bereit seien, im Falle eines negativen Wahlausgangs in Griechenland Liquidität in die Märkte zu pumpen. Die Kurse steigen wieder. Die Finanzmärkte sind auf Drogen, und der Doktor hat einen kleinen Schuss angekündigt.

Nach einem Zick-Zack-Kurs in der abgelaufenen Woche sind die Schwankungen unterm' Strich gering. Schauen wir uns einem die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich an:

Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (14.06.2012) | Woche ?

Dow Jones: 12.652 | 0,8%
DAX: 6.139 | 0,1%
Nikkei: 8.569 | 1,3%
Euro/US-Dollar: 1,26 | 1,0%
Euro/Yen: 99,67 | 0,3%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,61% | -0,03
Umlaufrendite Dt: 1,24% | 0,23
Feinunze Gold: $1.623 | 1,8%
Fass Brent Öl: $97,77 | -2,1%
Kupfer: 7.503 | 2,8%
Baltic Dry Shipping: 912 | 4,0%


Gold und Kupfer steigen schon einmal in Vorfreude auf die konzertierte Aktion der Notenbanken an. Das Öl läuft weiter gen Süden. Es scheint, als würden hier weitere Spekulationsgeschäfte aufgelöst, was den Preis weiter drückt. Für die Wirtschaft ist das positiv, denn ein hoher Ölpreis wirkt sich wie eine Sondersteuer auf die Wirtschaft aus.

Der Run auf deutsche Bundesanleihen hat etwas nachgelassen, inzwischen strömt das Kapital verstärkt in die USA. Ja, wir erleben einen Bankrun. Kunden in den Club-Med Ländern bringen ihre Ersparnisse in Sicherheit. Und diese Sicherheit finden Sie immer mehr in US-Staatsanleihen.

Derzeit wird es also Tag für Tag schlimmer im Euroland. Es gibt keine koordinierte Politik, die eine Richtung glaubhaft vorgibt. Analysten hatten sich in der Vorwoche auf das Chaos vorbereitet und extrem viele Kursziele zurückgestuft. Nun schaut man auf die weiteren Entwicklungen, um gegebenenfalls zu Käufen raten zu können. Schauen wir uns einmal die Stimmung unter den Analysten sowie den Privatanlegern an:

Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt:

SENTIMENTDATEN

Analysten

Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
25.05.- 01.06. (139): 51% / 13%
01.06.- 08.06. (163): 42% / 20%
08.06.- 15.06. (212): 52% / 12%

Kaufempfehlungen der Analysten

Volkswagen VZ, Fresenius SE, Lafarge

Verkaufsempfehlungen der Analysten

Credit Suisse, Wacker Chemie, MVV Energie

Privatanleger

22. KW: 52% Bullen (152 Stimmen)
23. KW: 46% Bullen (169 Stimmen)
24. KW: 40% Bullen (142 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger

Saint Gobin, Technicolor, Renault

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger

Deutsche Bank, Francescas Holdgs


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Banken sind also weiterhin zu meiden. Mit Volkswagen und Lafarge werden zwei Industrieunternehmen empfohlen. In meinen Augen ist das zu diesem Zeitpunkt zu riskant. Ich würde zunächst den Wahlausgang abwarten.

TOP-ANALYSTENZIELE

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Unternehmen | Analyse v. | Kurs | Kursziel | Upside

Centrotherm | 14.6 | 3,54 € | 12,00 € | 238,98%

Heidelberg Druck | 14.6 | 1,03 € | 3,00 € | 191,26%
ThyssenKrupp | 15.6 | 11,92 € | 24,00 € | 101,34%
SAP AG | 13.6 | 45,92 € | 80,00 € | 74,22%
Volkswagen | 11.6 | 115,98 € | 200,00 € | 72,44%
Deutz | 14.6 | 4,16 € | 7,00 € | 68,27%
Lufthansa | 13.6 | 8,04 € | 13,50 € | 67,91%
Porsche | 13.6 | 40,56 € | 68,00 € | 67,65%
Rheinmetall | 11.6 | 33,69 € | 55,00 € | 63,25%
Volkswagen VZ | 13.6 | 122,65 € | 200,00 € | 63,07%


Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.

Centrotherm ist wohl nur deshalb dabei, weil der Analyst sein Kursziel nicht schnell genug reduzieren konnte. Sämtliche andere Aktien sind jedoch schon Titel, die erst bei einer konjunkturellen Besserung profitieren werden. Sind hier die Analysten ebenfalls zu langsam beim Reduzieren ihrer Kursziele oder positionieren sie sich bereits für erste Empfehlungen? Wie gesagt, es gibt heute noch keinen Grund, sich festzulegen. Wir warten ab.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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