Alt 29.10.16, 07:20
Standard So tickt die Börse: Viele Übernahmen zum Scheitern verurteilt
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In den vergangenen zwei Wochen pendelte der DAX zwischen 10.500 und 10.800 Punkten. Eine Handelsspanne von 2,8%, sowas macht der DAX in volatilen Zeiten an einem Tag. Dabei tobt die Berichtssaison, wir haben die Woche mit den meisten Quartalsberichten hinter uns und wenn wir ein wenig auf die veröffentlichten Zahlen schauen, gibt es kolossale Unterschiede zwischen den einzelnen Unternehmen.

Banken gehören zu den Überraschungssiegern dieser Berichtssaison. Der große Aktionismus auf dem M&A-Markt (Fusionen und Übernahmen) ist nur ein Faktor, der den Banken große Gebühreneinnahmen sicherte. Dabei sind viele der angekündigten Übernahmen in meinen Augen noch lange nicht in trockenen Tüchern, einige wurden bereits abgesagt.

Abgesagt wurde beispielsweise die Übernahme von KLA Tencor durch LAM Research, nachdem die US-Justizbehörde (DoJ) Bedenken über schädliche Auswirkungen auf den Wettbewerb geäußert hat. Halliburton und Baker Hughes haben ihre Fusion abgesagt, nachdem sowohl die US-, als auch die EU-Kartellbehörden hohe Auflagen angekündigt hatten.

Beide Fusionen bzw. Übernahmen fühlten sich kartellrechtlich auf der sicheren Seite. Jahrzehntelang wurde bei solchen Zusammenschlüssen kontrolliert, ob die beiden Unternehmen im gleichen Markt unterwegs sind, also Überlappungen haben und welchen Marktanteil sie nach dem Zusammenschluss haben würden. Beide Zusammenschlüsse erfolgten zwischen Unternehmen der gleichen Branche, jedoch mit vollkommen unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Märkten. Mit herkömmlichen Bewertungsmaßstäben der Kartellbehörden gab es nichts daran auszusetzen.

Doch die Kartellbehörden haben sich geändert: Heute wird auch die absolute Größe eines entstehenden Unternehmens betrachtet und die entstehende Marktmacht gegenüber dem Kunden beurteilt, nicht gegenüber dem Wettbewerb. Sprich: Wenn das entstehende Unternehmen eine Größe erreicht, mit der es Kunden über eine große vertikale Wertschöpfungskette in seine Abhängigkeit bringen kann, wird der Zusammenschluss untersagt.

Aus heutiger Sicht ist es nicht mehr vorstellbar, dass die Fusion zwischen Continental Airlines und United Airlines genehmigt würde. Obama hat das noch 2010 getan. Anschließend blieb den verbleibenden American Airlines und US Airways nichts andere übrig, als ebenso zu fusionieren, was sodann 2013 von Obama ebenfalls genehmigt wurde. In den USA ist der Wettbewerb der Fluglinien dadurch drastisch zurückgegangen, die Airlines weisen heute wieder kräftige Gewinne aus.

Aktuell stehen noch Bayer - Monsanto, DuPont - Dow Chemical, ChemChina - Syngenta und seit dieser Woche auch AT&T - Time Warner auf dem Programm. Ich halte es für sehr fraglich, dass alle drei Fusionen erfolgreich abgeschlossen werden können. Allen voran habe ich meine Zweifel an der beabsichtigten Übernahme von Monsanto durch Bayer.

Auch bei dieser Übernahme führen die beiden Unternehmen erneut als Hauptargument gegen die Kartellbehörde an, dass sich die Geschäftsbereiche kaum überschneiden würden. Doch wenn wir uns die Agrochemie bis zum Genmais anschauen, dann wird schnell klar, dass hier die komplette Wertschöpfungskette von Bauern abgedeckt wird - einmal abgesehen von den Landmaschinen. Syngenta wird derzeit von ChemChina übernommen, auch hier entsteht ein Konzern, der die Abhängigkeit seiner Kunden fördert.

Ein zu großer Agrar-Konzern hätte Auswirkungen auf die Agrarwirtschaft der Welt, und die Agrarwirtschaft hängt heute schon in fast jedem Land der Welt am Tropf der staatlichen Fördermittel.

So dürfen die Meldungen der vergangenen Wochen nicht verwundern, in denen die Kartellbehörden Verzögerungen in der Untersuchung der Vorgänge ankündigen. Die EU verlange ChemChina weitere Zugeständnisse ab, zu denen die Chinesen nicht bereit seien, heißt es in einer Meldung von vor drei Tagen. Im September hatte die EU-Kartellbehörde die Untersuchungen zu Bayer-Monsanto gestoppt, im Oktober wieder aufgenommen und sodann eine Entscheidung nicht vor Februar 2017 angekündigt. Auch in den USA verzögert sich der Zusammenschluss von DuPont und Dow Chemical, die Unternehmen gaben diese Woche bekannt, ebenfalls nicht vor Februar 2017 mit einer Entscheidung zu rechnen.

Unternehmensberater haben derzeit ein leichtes Spiel: Weltweit sind die Wachstumsraten niedrig, gleichzeitig müssen CEOs der großen Unternehmen Wachstum vorweisen. Wenn Wachstum nicht organisch, also im eigenen Unternehmen, erzeugt werden kann, dann vielleicht durch Übernahmen und Fusionen. Und noch nie waren solche Abenteuer so günstig zu finanzieren, viele der großen Konzerne zahlen für ihre Unternehmensanleihen weniger als 1%. Da ist ein CEO, der es nicht wenigstens versucht, fast schon als dumm zu bezeichnen, oder?

Nun, so einfach ist das nicht. Ich gebe zu, dass die Zeit für Übernahmen durchaus günstig ist. Auch die Unternehmensbewertungen sind noch nicht zu hoch. Doch ich fürchte, dass viele Übernahmen in diesen Tagen überhastet und mit den falschen Argumenten betrieben werden. Nicht mehr die Konsolidierung des Wettbewerbs wird von Kartellbehörden kritisch beäugt, sondern die Macht gegenüber dem Kunden. Aus dieser Perspektive dürften viele der aktuell laufenden Übernahmen scheitern.

Bleibt die diese Woche angekündigte Übernahme von Time Warner durch AT&T. Ich erinnere mich an die Übernahme von AOL durch Time Warner vor sechzehn Jahren. Damals galt der Verlag Time Warner als verstaubt und sollte sich mit dem Internetgiganten AOL in die neue Welt bewegen. Die Geschichte ging schief, heute gehört AOL zu Verizon und betreibt die Huffington Post. Heute gilt Time Warner als der moderne Lieferant von dem, was die Leute wollen: Content. Und AT&T gilt als verstaubter Versorger, der sich für das neue Zeitalter des "content is king" rüsten möchte (den Ausdruck kenne ich schon seit fünfzehn Jahren).

AT&T möchte seine Abhängigkeit von Google vermindern und versucht, ein Gegengewicht aufzubauen. Die Kartellbehörde hingegen wird sich anschauen, welche vertikalen Dienste aus dem Hause AT&T angeboten werden und wird letztlich zugunsten des Kunden beurteilen, ob AT&T durch die verschiedenen Angebote Preisbündel wird schnüren können, die zum Nachteil des Kunden sein könnten.

Wenn ich mir nun noch überlege, dass Hillary Clinton künftig im Weißen Haus einziehen könnte, dann sehe ich auch diese beabsichtigte Übernahme als gefährdet.

Freuen tut sich am Ende nur einer: Die Bank.

So, jetzt wissen Sie, warum die Banken so "überraschend" gute Zahlen veröffentlicht haben.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES 27.10.2016 Woche Δ

Dow Jones 18.222 0,3%
DAX 10.717 1,3%
Nikkei 17.336 2,8%
Shanghai A 3.258 1,6%
Euro/US-Dollar 1,09 -1,0%
Euro/Yen 114,60 0,3%
10-Jahres-US-Anleihe 1,85% 0,09
Umlaufrendite Dt -0,02% 0,08
Feinunze Gold $1.268 1,1%
Fass Brent Öl $50,83 -1,7%
Kupfer 2.176 2,3%
Baltic Dry Shipping 798 -9,8%



Die Aktienindizes sind seitwärts gelaufen, mit leichter Tendenz nach oben, wobei sie einen Teil der Gewinne in späten Wochenverlauf wieder abgegeben haben.

Die Konjunkturdaten in den USA stabilisieren sich, inzwischen gilt eine Zinserhöhung für die Dezember-Sitzung der US-Notenbank unter Janet Yellen als sicher und entsprechend legt der US-Dollar gegenüber dem Euro leicht zu (Euro ist um 1% gefallen).

Die Aussicht auf höhere Zinsen wirkt sich nun auch langsam auf den Anleihemarkt aus, wo das Zinsniveau leicht angestiegen ist (+0,1% sowohl in den USA, als auch in Deutschland). Dieser moderate Zinsanstieg kann sich schnell zu einem Problem für den Aktienmarkt auswachsen.

Sollten die Konjunkturdaten in Europa in den kommenden Wochen stabil bleiben, wird sich der Druck auf EZB-Chef Mario Draghi erhöhen, nach der Dezember-Sitzung der EZB den Ausstieg aus der Liquiditätsflutung anzukündigen. Wir erinnern uns: Bislang läuft das Anleihekaufprogramm der EZB mit 80 Mrd. Euro monatlich noch bis März 2017. An den Finanzmärkten wachsen die Sorgen über ein Anschlussprogramm.

Sollte die EZB ihr Kaufprogramm unvermindert mit 80 Mrd. Euro pro Monat fortführen, so rechnet man mit einer Ausweitung der kaufbaren Titel, denn heute schon gilt der entsprechende Markt als leer gefegt. Die Alternative, das Schrittweise zurückfahren des Kaufprogramms, steht der Erwartung entgegen, dass das zarte Wachstum der Eurozone im kommenden Jahr an Fahrt verlieren werde.

Allen Bestrebungen nach höheren Zinsen weltweit steht die astronomische Schuldenlast der westlichen Staaten gegenüber, die ein höheres Zinsniveau kaum tragen könnten. Zumindest nicht mit Wachstumsraten unter 2%.

So bleibt es vermutlich bei der Gratwanderung von EZB als auch fed, die Hoffnung auf höherer Zinsen am Leben zu halten, vielleicht mal einen minimalen Schritt zu unternehmen, ohne jedoch das Zinsniveau insgesamt nennenswert nach oben zu drücken.

Für die kommenden zwei Monate bis zum Dezember-Termin der Fed sollten wir vorsichtig sein mit Dividendentitel, die derzeit als Alternative zu festverzinslichen Anleihen gehandelt werden. Sie könnten gemeinsam mit den niedrig verzinsten Anleihen leiden, während sich Anleger auf die Zinsanhebung einstellen.

Gold ist diese Woche leicht angestiegen. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir einen nennenswerten Anteil in unserem Portfolio in Gold halten und das würde ich auch jedem Anleger empfehlen. Gold ist die Versicherung im Portfolio gegen Finanzmarktturbulenzen. Und derzeit laufen sich Hedgefonds warm, um bei nächster Gelegenheit Italien auf's Korn zu nehmen.

Der Ölpreis hält sich um 50 USD/Fass, was am oberen Ende der von mir erwarteten Handelsspanne ist. Das Niveau ist schon wieder ausreichend hoch für viele US-Ölkonzerne, mit horizontaler Fördertechnik alte Bohrlöcher erneut zu erschließen. Baker Hughes und Halliburton erfreuen sich voller Auftragsbücher.

Die weitere Richtung des Ölpreises wird wohl erst am 30. November entschieden werden, wenn die OPEC in Wien tagt. ich habe mich bereits festgelegt, dass ich eine Einigung für sehr unwahrscheinlich halte. Doch bis dahin könnte der Ölpreis im Vorfeld noch deutlich höher steigen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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