Beitrag gelesen: 14601 x |
||
Zu viel läuft schief. Die Inflation war absehbar, auch die Spannungen mit China und Russland sind nicht neu. Doch eine europäische Notenbank, die sich eher um die Schulden Italiens kümmert als um die Inflation, das hätte ich in diesem Ausmaß nicht erwartet.
Am Mittwoch kam der EZB-Rat zu einer Sondersitzung zusammen, weil die Zinsspanne von italienischen Staatsanleihen zu Bundesanleihen "zu groß" wurde. Notenbankdirektorin Isabel Schnabel ließ verlauten, die EZB werde solche Entwicklungen nicht zulassen. Die Geldpolitik könne und werde auf "ungeordnete Neubewertungen" von Risikoaufschlägen "grenzenlos" reagieren. "Grenzenloses" Vorgehen hätte ich mir im Rahmen der Aufgabe der EZB gewünscht, bei der Inflationsbekämpfung. Doch davon ist keine Rede. Ich habe den Eindruck, die Schuld wird nicht auf die Liquiditätsflutung der vergangenen Jahre geschoben, sondern auf den Ukraine-Krieg, auf die Lieferkettenprobleme, auf Corona, auf ... nur nicht auf die EZB, die dafür die Verantwortung trägt. Der Wert einer Währung wird auch durch das Vertrauen bestimmt, das ein Volk in seine Währung und somit in die Stabilität seiner Währung hat. Wenn die für die Geldwertstabilität verantwortliche Organisation sich aus der Verantwortung stiehlt, stattdessen Klima-Anleihen propagiert und Ölförderfinanzierungen in Bankbilanzen als Malus markiert, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, dass die Entwertung in Form der Inflation in die Höhe schießt. Doch das größte Rätsel gibt uns derzeit China auf. Warum hält Präsident Xi an der Null-Covid-Strategie fest? Wie kann sich China leisten, die größte Stadt des Landes, Shanghai, in den Lockdown zu schicken und einen Konjunkturrückgang von 23% zu verkraften? Warum greift China nicht auf die Impfmittel des Westens zu? Wie kann sich ein Staatschef halten, der so - aus westlicher Sicht - unsinnige Entscheidungen trifft? Und wie kann sich ein Staatschef im Kreml halten, der einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine führt? China hat längst gemerkt, dass man sich Taiwan viel leichter holen kann, wenn der Westen sich bereits in der Ukraine verausgabt. Fast hat man den Eindruck, es stecke ein teuflischer Plan hinter den geopolitischen Verwerfungen. Ich habe mir vorhin die Rede von Putin auf dem Wirtschaftsforum in St. Petersburg angehört. Er liefert die Antwort: Wie kann der "Westen", mit einer Milliarde Menschen sich anmaßen, die gesamte Welt mit 7,5 Mrd. Menschen zu dominieren? Warum darf eine Elite von 1 Mrd. Menschen entscheiden, dass die Systeme der verbleibenden 6,5 Mrd. Menschen minderwertig sind? Es war der Aufruf an die gesamte Welt, Russland zu folgen und sich dem Westen entgegen zu stellen. Es geht also gar nicht um die Ukraine, sondern um die westliche Dominanz. So betrachtet befinden wir uns erst am Anfang einer ziemlich gefährlichen Auseinandersetzung. Und so betrachtet dürften die Verluste an den Aktienmärkten das Letzte sein, was uns beschäftigt. US-Notenbank handelt vernünftig Bereits gestern habe ich ausführlich die Entscheidung der US-Notenbank kommentiert. Der große Zinsschritt von 0,75% war in meinen Augen gut. Noch besser waren die anschließenden Erläuterungen im Q&A von Fed-Chef Jay Powell. Er hat das klare Ziel ausgegeben, die Inflation zu bekämpfen, selbst wenn dadurch die Arbeitslosigkeit ansteigt. Er zeigte, dass viele Effekte, die den US-Markt stören, aus dem Ausland importiert werden: Wieder die Lieferkettenprobleme aufgrund des China-Lockdown und die hohen Nahrungsmittelpreise aufgrund des Ukraine-Kriegs. Aber Powell übernahm Verantwortung und sagte, er werde die Inflation auf das Ziel von 2% zurückführen, ohne sich von einer eventuell höheren Arbeitslosigkeit ablenken zu lassen. Die Aktienmärkte stiegen am Mittwoch Abend nach diesen Erläuterungen an. Doch am Donnerstag früh brachen die Kurse dann ein: Die europäischen Finanzmärkte wurden ausverkauft und der Ausverkauf weitete sich dann auch auf die USA aus, so dass es am späten Donnerstag Abend zu einem Ausverkauf an den US-Börsen kam, den ich als Kapitulation bezeichnen würde. Plötzlich dominierte die Sichtweise, dass Powell und die US-Notenbank mit der Aufgabe der Inflationsbekämpfung überfordert seien. Es sei zu spät oder gar nicht möglich, weil eben externe Effekte die Inflation treiben. Am heutigen Freitag gibt es eigentlich keine Hoffnung mehr. Chinas und Russlands teuflischer Plan, die westliche Dominanz zu beenden, scheint aufzugehen. Völlig inkompetente Politiker und Entscheidungsträger im Westen werden wie die Lämmer zur Schlachtbank geführt. Putin habe sein Ziel, die Eroberung des Ostens der Ukraine, erreicht und gehe als Sieger aus dem Krieg hervor. Und China mache den Lockdown nur, um die Lieferketten in den Westen zu unterbrechen. Es scheint keinen Ausweg zu geben. Daher der Ausverkauf. Und, so die Meinung vieler Börsenprofis, die Aktienmärkte müssen noch viel tiefer fallen, denn mangels Lösungen seien selbst die konservativsten Unternehmensprognosen nicht zu halten. Das klingt schon ziemlich nach Angst und Panik. In dieser Argumentationslinie ist die heutige Verschnaufpause im Crash nur eine Gelegenheit für Anleger, weitere Aktienpositionen zu verkaufen. Wir handeln anders, wir nutzen solche Tage, um Aktien in unser Portfolio zu holen, die uns gut durch die Krise bringen. Denn auch diese Krise wird irgendwann enden. Wir wissen nur noch nicht wann. Schauen wir mal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben: Wochenperformance der wichtigsten Indizes INDIZES (16.06.22) Woche Δ Σ '22 Δ Dow Jones 29.841 -5,2% -17,9% DAX 13.126 -4,6% -17,4% Nikkei 25.963 -6,7% -9,8% Shanghai A 3.476 1,0% -8,9% Euro/US-Dollar 1,05 -0,4% -7,7% Euro/Yen 141,47 0,3% 8,2% 10-Jahres-US-Anleihe 3,21% 0,06 1,70 Umlaufrendite Dt 1,57% 0,26 1,85 Feinunze Gold $1.839 -1,3% 0,8% Fass Brent Öl $112,82 -6,7% 43,2% Kupfer $9.120 -5,1% -5,9% Baltic Dry Shipping $2.462 5,1% 11,1% Bitcoin $20.618 -29,9% -56,1% Um 5% ist der DAX zur Stunde im Wochenvergleich eingebrochen, um 7% der Nikkei, in China hingegen konnten die Aktien um 1% zulegen. Nun bricht auch der Ölpreis und das Kupfer ein, Rezessionsängste drücken nun die Rohstoffpreise. Die Argumente für oder gegen bestimmte Aktien, Rohstoffe oder andere Anlageklassen sind derzeit willkürlich: Solange es negativ ist, wird's schon passen. Der Bitcoin (-30%) befindet sich im freien Fall. Völlig unerfahrene Anleger flüchten aus dieser Anlageklasse. Niemand weiß, wo der Ausverkauf enden wird. Ob dies bei den aktuell 20.000 USD bereits der Fall ist, oder aber erst bei 10.000 bis 12.000 USD, wo die Rallye im Herbst 2020 begann, ist noch offen. Aber ich habe Ihnen hiermit mal den worst case von 10.000-12.000 USD genannt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
|