Alt 20.12.08, 18:18
So tickt die Börse: Geldschleusen voll geöffnet
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So, das Jahr ist gelaufen, die letzten wichtigen Entscheidungen sind in dieser Woche gefallen. Jetzt kommt Weihnachten, viele Feiertage und Silvester und im neuen Jahr dauert es nicht mehr lange bis Obama das Ruder übernimmt.

US-LEITZINS AUF 0 – 0,25%

Am Dienstag hat die US-Notenbank den US-Leitzins auf die Bandbreite von 0 - 0,25% gesenkt. Banken können sich nun über Nacht fast kostenfrei so viel Geld leihen wie sie wollen. Bernanke hat zusätzlich noch angekündigt, dieses niedrige Zinsniveau für eine sehr lange Zeit zu halten. Darüber hinaus kauft er alles an Krediten und Kreditderivaten auf, was es an den Märkten so gibt. Ich würde sagen, Bernanke hat erkannt, dass Inflation keine Gefahr mehr ist. Leider hat er es etwas spät erkannt.

In Japan wurde heute ebenfalls der Leitzins gesenkt: Von 0,3% auf 0,1%. Auch in Japan ist also kein weiterer Spielraum für Zinssenkungen mehr vorhanden.

Niedrige Zinsen führen irgendwann in der Zukunft einmal zu Inflation, wenn die Notenbank die Liquidität nicht rechtzeitig wieder aus dem Markt holt. Die Inflationserwartung für Yen und US-Dollar zeigte sich in dieser Woche durch eine Rallye des Euros gegenüber diesen beiden Währungen. Schauen Sie selbst:


INDIZES (18/12/2008)

Dow Jones: 8,605 | 0.5%
DAX: 4,756 | -0.2%
Nikkei: 8,667 | -0.6%
Euro/US-Dollar: 1.391 | 4.6%
Euro/Yen: 124.29 | 4.3%
10-Jahre-US-Anleihe: 2.07% | -0.6
Umlaufrendite Dt: 2.93% | -0.2
Feinunze Gold USD: $837.52 | 3.5%
Fass Crude Öl USD: $42.36 | -16.7%


OPEC DROSSELT TGL. FÖRDERMENGE UM 2,2 MIO FÄSSER / TAG

Bei 29 Mio. Fässern pro Tag, die von der OPEC aus dem Boden geholt werden, ist die Reduzierung um 2,2 Mio. Fässer schon ganz schön heftig. Es soll den Ölpreis stabilisieren und damit nicht zuletzt auch wieder die Einnahmen der Ölscheichs, die Milliardenprojekte in Dubai laufen haben, aufbessern.

Doch der Ölpreis ist nach dieser Meldung weiter gefallen und erreichte zwischenzeitlich sogar ein 4-Jahrestief bei 34 USD/Fass. Trotz der Drosselung der Fördermenge ist der Ölpreis weiter eingebrochen.

Liegt es etwa am festen US-Dollar? Nein, denn der US-Dollar war schwach. Und ein schwacher US-Dollar führt eigentlich, so war es zumindest in den vergangenen Jahren, zu einem steigenden Ölpreis. Doch derzeit stimmt diese Relation nicht.

Ich habe immer gesagt, dass sämtliche Projekte für alternative Energien, sei es Solar, Kohleverflüssigung, Brennstoffzelle, oder was weiß ich noch, alle Projekte werden mit einem Ölpreis von 40 USD/Fass kalkuliert. Sollte der Ölpreis darunter fallen, dann besteht kein (wirtschaftlicher) Bedarf an Alternativen. Auch politisch ist eine Menge Idealismus notwendig, um Solarprojekte weiter zu fördern. In Deutschland haben wir glücklicherweise diesen Idealismus. In anderen Ländern werden wohl einige Solarprojekte eingestanzt.

Auch die Tiefseebohrungen nach Öl, ich hatte Transocean lange Zeit in meiner Empfehlungsliste, wird mit einem Ölpreis unter 40 USD/Fass unrentabel. Transocean kann sich darauf einstellen, dass einige Aufträge storniert werden. Die Unternehmen werden bei einem Ölpreis unter 40 USD/Fass lieber die Vertragsstrafe für die Stornierung zahlen, als eine Ölbohrinsel für 600.000 USD Tagesmiete zu betreiben, während das Öl reichlich und billig aus den arabischen Elefantenfeldern sprudelt.

Ist es nun das reichliche Angebot, das den Ölpreis fallen lässt, oder ist es die fehlende Nachfrage? Nun, die Amerikaner haben ihre Ölreserven aufgefüllt. Ich nehme an, dass auch Deutschland und viele andere Länder die niedrigen Preise schon längst zum „voll tanken" der nationalen Reservekanister genutzt haben. Also ist tatsächlich die Nachfrage gering.

Außerdem haben wir inzwischen Gewissheit darüber, dass wir in einer Rezession leben, die USA sogar schon seit einem Jahr. Und die Angst geht umher, dass nach der Rezession nun eine Depression ansteht, fallende Preise also, Deflation und ein Rückgang des Bruttoinlandsproduktes. Das wird ja nun auch von offizieller Seite erwartet, alle deutschen Wirtschaftsinstitute sagen eben dieses für das Jahr 2009 vorher.

All das drückt auf den Ölpreis. Dabei ist aber jedem Beobachter klar, dass die Welt sich weiterdrehen wird, dass der Ölverbrauch schon allein aufgrund des weltweiten Bevölkerungswachstums und ansteigenden Wohlstands immer weiter ansteigen wird. Ein Ölpreis unter der Marke von 40 USD/Fass ist da schon ein Signal, dass dann auf eine Weltwirtschaftskrise hindeuten könnte...

...aber das wäre meiner Ansicht nach vorschnell gefolgert, denn so wenig, wie der Ölpreis bei 147 USD/Fass das physische Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage widerspiegelte, so wenig tut er es nun unter 40 USD/Fass auch. Meiner Ansicht nach gibt es noch immer viele institutionelle Anleger, die mit großen Summen auf einen steigenden Ölpreis gesetzt haben. Und diese Positionen müssen noch immer aufgelöst werden. Und diese Liquidationsverkäufe gehen weiter, auch wenn der Ölpreis schon lächerlich günstig ist.

RETTUNG DER BIG 3 AUS DETROIT

Okay, Bush hat es nun doch gemacht. Heute hat er 17 Mrd. USD Kredit für General Motors und Chrysler zur Verfügung gestellt. Nachdem der Kongress ein eigenes Auto-Hilfspaket abgelehnt hat, griff Bush nun auf das 700 Mrd. USD Rettungspaket von Hank Paulson zurück das eigentlich für den Finanzsektor gedacht war.

Während im Kongress noch harte Regeln und Vorschriften für die Big 3 diskutiert wurden, die dann jedoch aufgrund der Ablehnung nicht zum Zuge kamen, wird das Geld von Paulson nun einfach zur Verfügung gestellt. Bedingungen gibt es nicht, allerdings gibt es ein paar warme Worte von Bush: „Wenn ihr damit nicht anständig umgeht und bis Ende März nicht ein tragfähiges Modell für die Autoindustrie Amerikas gefunden habt, dann nehme ich Euch das Geld wieder weg". Doch Ende März heißt der Präsident Obama und da es keinen Kongressbeschluss für diese Aussage von Bush gibt, kann Obama einfach alles ganz anders machen.

Na, ich bin mal gespannt, ob General Motors den versprochenen radikalen Umbau wirklich schafft. Die Aktie würde ich jedenfalls nicht einmal mit einer Kneifzange anfassen.

Bush hat in seiner heutigen Ansprache, in der er diese Schritte begründete, deutlich gezeigt, wie sehr ihm diese Lösung gegen den Strich geht. Mehrfach hat er gesagt, dass die Lösung des Marktes eigentlich unter normalen Umständen die beste wäre, und dass eine Insolvenz der Autoindustrie sicherlich den Weg frei machen würde für etwas Neues. Doch leider sei die amerikanische Wirtschaft derzeit nicht in einer „normalen" Verfassung und könne eine solche Insolvenz daher nicht verkraften. Und so greift er also in den Markt ein, obwohl er das eigentlich am liebsten gar nicht tun würde.

MADOFF SKANDAL WIRD DER SEC ANGELASTET

Die amerikanische Security Exchange Commission, SEC, die vergleichbar ist mit unserer Börsenaufsicht BaFin, hat bei der Aufsicht von Madoffs Netzwerk versagt. 1998 wurde schon einmal eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet, man fand aber nichts. Auch 2002 wurden aufkeimende Fragen nicht weiter verfolgt. Es gab einige wenige, die sich trauten, vor dem Madoff-Netzwerk zu warnen. Doch gehört wurden sie nicht. Im Grunde genommen wird vor jedem in der Finanzbranche irgendwann einmal gewarnt.

Lediglich der SEC muss man den Vorwurf machen, ihrer Aufsichtspflicht nicht nachgekommen zu sein. Und wenn die SEC sich nun aus der Affäre ziehen will mit der Ausrede, sie habe die Mittel nicht gehabt, so wird auch das nicht mehr akzeptiert: Das Madoff Schneeballsystem fällt in ihren Bereich und wenn sie die Mittel zur Aufsicht nicht hat, dann muss sie diese eben bei der Politik beantragen. Nichts dergleichen ist jedoch geschehen. SEC Chef Christopher Cox, ich habe ihn immerhin schon im April diesen Jahres als Taugenichts entlarvt, wird seinen Hut nehmen müssen. Er hat die Bear Stearns Pleite nicht kommen sehen, er hat die Uptick-Rule gestrichen. Er hat sich wann immer es ging aus der Verantwortung gezogen und rief nach freien Märkten über alles.

Obama hat sich nun für Mary Shapiro entschieden, sie soll die Börsenaufsicht von Aktien (SEC) und Rohstoffen (CFTC) zusammenlegen. Zumindest hat sie sich kürzlich für einen solchen Weg ausgesprochen und Obama würde sie wohl kaum nehmen, wenn er diesen Weg nicht gut finden würde.

PAULSON WILL NUN DOCH DIE ZWEITE TRANCHE DER 700 MRD. USD

Nachdem US-Finanzminister Hank Paulson Anfang Dezember noch groß verkündet hat, die zweite Hälfte des Rettungspakets für die Finanzmärkte unangetastet dem neuen Präsidenten übergeben zu wollen, hat er sich nun im Rahmen der Autorettung geäußert, dass er wohl auch noch mehr aus dem zweiten Teil seines Rettungstopfes entnehmen und daher die Freigabe beantragen werde.

Da muss es doch ziemlich schlimm bestellt sein um die US-Wirtschaft und das Finanzsystem, wenn er in so kurzer Zeit eine 180 Grad-Drehung vollzieht.

OBAMA WILL KONJUNKTURPROGRAMM ÜBER 775 MRD. USD

Okay, der Finanzmarkt ist die eine Baustelle und ist sicherlich der Ursprung der Krise. 700 Mrd. USD wurden schon von Hank Paulson zu dessen Rettung eingeholt.

Nun möchte Obama das Ausufern auf die Realwirtschaft verhindern. Die Arbeitslosenquote ist bereits angesprungen. Experten erwarten eine Arbeitslosigkeit von über 10% für das Jahr 2010 in den USA. Diese verlorenen Jobs will Obama durch kräftige Investitionen in die Infrastruktur auffangen. Dafür werde er direkt nach seiner Amtseinführung am 20. Januar ein 775 Mrd. USD Programm auf den Weg bringen.

BUSHS BILANZ: KATASTROPHAL!

Jetzt führen Sie sich diese Ereignisse einmal vor Augen: Milliarden-Ausgaben in den Finanzsektor, in die Realwirtschaft, Zinsen auf 0% verbunden mit dem Versprechen, alles zu kaufen, was es gibt sowie der Garantie, Bankenpleiten zu verhindern, billiger Ölpreis, neue Chefs für die wichtigsten Wirtschaftsämter und die Rettung der Autos. Die USA steht zum Ende der Amtszeit Bushs am Rande des Abgrunds, die Bilanz Bushs ist eine Katastrophe.

Welche weiteren Mittel bleiben einem neuen Präsidenten der USA? Eigentlich sind alle Mittel ausgeschöpft. Die USA brauchen also einen Präsidenten, der Mut und Hoffnung machen kann. Na, und den haben sie. Ich bin gespannt, ob es Obama gelingen wird, das Steuer herum zu reißen. Ich bin gespannt, ob wir Europäer noch rechtzeitig eigene Schritte unternehmen, um ein Übergreifen auf unsere Wirtschaft zu verhindern. Derzeit sehe ich da keine ausreichenden Mittel.

Jetzt ist Wochenende, dann die Weihnachtswoche, dann schon bald Silvester. Es wird in diesem Jahr nichts mehr passieren. Das Jahr wird abgeschrieben als das schlechteste Jahr, das jeder Marktteilnehmer jemals an der Börse erlebt hat. Hoffen wir auf das Neue Jahr.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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