Alt 29.04.11, 17:25
Standard So tickt die Börse: Bernanke liebt den Aktienmarkt
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Viel wurde über mögliche Überraschungen bei der an die Zinsentscheidung folgenden Pressekonferenz Ben Bernankes spekuliert. Die erste Pressekonferenz in der fast 100-jährigen Geschichte der US-Notenbank Federal Reserve (Fed). Und es gab sie, die Überraschung, doch bislang habe ich kaum Medien darüber berichten gesehen.

Die Rahmendaten fielen aus wie erwartet: Keine Zinserhöhung, Fortführung der Überschwemmung der Finanzmärkte mit Liquidität durch QE2 (Quantitative Easing - mengenmäßige Erleichterung) bis Juni, wie geplant. Und keine Aussage darüber, ob es anschließend ein QE3 geben wird, eine weitere Fortführung der Liquiditätsschwemme.

Auch die Pressekonferenz an sich ist in meinen Augen keine Überraschung. Die Fed folgt damit dem Beispiel der EZB, die seit ihrer Gründung stets großen Wert auf Transparenz gelegt hat. Vorbei sind die Zeiten des Alan Greenspans, der mit missverständlichen Aussagen stets vermied, sich irgendwie festzulegen. Bernanke hatte es bei seinem Amtsantritt gesagt und anschließend auch getan: Die Fed ist heute wesentlich berechenbarer als früher. Die Pressekonferenz ist da nur ein weiteres Mosaiksteinchen auf dem Weg zur Transparenz.

Überrascht hat mich jedoch die Antwort Bernankes auf die zynische Frage eines Reporters: „Die Arbeitslosigkeit verharre auf hohem Niveau, der US-Dollar befinde sich im Sinkflug, und die Wirtschaftsdaten der USA sind alles andere als vielversprechend“, so der Reporter. „Was habe die wiederholte Flutung der Märkte mit Liquidität denn überhaupt gebracht?“

Bernankes kurze Antwort: Steigende Aktienkurse!

Anders als in Deutschland vertrauen in den USA viel breitere Teile der Bevölkerung auf Aktienanlagen. Und steigende Aktienkurse führen in den USA zu einem steigenden Wohlstand breiter Bevölkerungsschichten. Für Bernanke ist es das kleinere Übel, die Märkte durch Liquidität aufzublähen und den Außenwert des US-Dollars zu riskieren, als eine weitere Konjunkturdelle zu sehen.

Hier unterscheidet sich die Fed von der EZB: Die EZB ist ausschließlich für die Geldwertstabilität zuständig, und wenn die Wirtschaft auf eine Rezession zusteuert, ist die Politik gefragt. Und die Politik sollte wissen (wenngleich das in den vergangenen Jahren aufgeweicht wurde), dass sie keine Unterstützung seitens der Notenbank erhalten wird.

Arbeitsmarktpolitik, Wirtschaftspolitik im Einklang mit dem Haushaltsbudget sollten seitens der Politik ein stabiles Gleichgewicht bilden. Doch dies gelingt häufig nicht, Politiker haben halt keine Ahnung von Wirtschaft (okay, eine grobe Pauschalisierung Ihres Autors, die ausführliche Variante müsste auf Abhängigkeiten von Sponsoren, auf Wahltaktik und ähnliches eingehen), und so gerät ein mögliches Gleichgewicht immer wieder aus den Fugen.

In Deutschland haben wir nun immerhin die Schuldenbremse, die uns vor den größten Fehlern der Politik bewahren soll. In den USA sieht es so aus, als habe Präsident Obama keine Chance, eine solche Regelung umzusetzen.

In Europa vertrauen wir darauf, das Regelungen wie unsere Schuldenbremse mit einer Notenbank, die auch der Wirtschaftspolitik verpflichtet ist, politisch nicht durchsetzbar wären (siehe USA). In den USA ist daher die wirtschaftspolitische Ausrichtung der Fed nicht die Folge der Politik, sondern die Ursache für das ausufernde Budgetdefizit.

Bernanke hat dies erkannt, seine Aufgabe ist nun einmal sowohl die Geldwertstabilität als auch die Wirtschaftspolitik, und er weiß, dass in dieser Konstellation keine großen Würfe seitens der Politik zu erwarten sind. Also wählt er den Weg, mit dem der Außenwertverlust des US-Dollars durch Vermögenszuwächse über die Aktienmärkte zu einem für das Volk auf nationaler Ebene ausgeglichenen Ergebnis kommt.

Es ist neu, dass ein US-Notenbankchef die Entwicklung an den Aktienmärkten in sein Kalkül einbezieht und offen dazu steht. Bislang galt die Börse als Spielplatz der Reichen, Bernanke hat erkannt, dass in den USA auch eine breite Mittelschicht vom Auf und Ab der Börsen abhängt. Und über Vermögenszuwächse an der Börse kann ein Teil der politischen Fehler aufgefangen werden.

Nun, so ist also zu verstehen, warum der US-Dollar schon konzeptionell gegenüber dem Euro die schwächere Währung ist. Und so ist auch zu verstehen, warum der Goldpreis hauptsächlich in US-Dollar gerechnet ansteigt.

Die Aktienbörse bejubelte seine Aussage mit einem Lauf zu neuen Höchstständen seit vor der Finanzkrise. Schauen wir uns die Wochenentwicklung der wichtigsten Indizes einmal im Detail an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (28.04.2011)

Dow Jones: 12.763 | 2,5%
DAX: 7.475 | 3,1%
Nikkei: 9.849 | 1,7%
Euro/US-Dollar: 1,484 | 1,4%
Euro/Yen: 121,046 | 0,7%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,31% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 3,05% | -0,1
Feinunze Gold USD: $1.533,90 | 1,8%
Fass Crude Öl USD: $112,50 | 0,3%
Kupfer in US$/to: 9.370 | -2,5%
Baltic Dry Shipping I: 1.269 | 0,6%



Der Risikoappetit ist angestiegen: Aktienkurse weltweit sind angestiegen. Die Renditen der Staatspapiere sind rückläufig. Yen und Euro sind gegenüber dem US-Dollar weiter angestiegen. Auch der Goldpreis schreibt neue Allzeithochs.

Während der Ölpreis als Indikator der wirtschaftlichen Aktivität auf hohem Niveau stabil bleibt, ist der Kupferpreis rückläufig. Während also die Finanzmärkte Bernanke vertrauen, fehlt noch die Bestätigung seitens der Wirtschaft. Erst ein steigender Kupferpreis wird als Beweis für einen weltweiten Wirtschaftsaufschwung gesehen.

Gemeinsam mit einer Reihe von herausragenden Quartalsergebnissen wurde die Stimmung unter den Anlegern angeheizt. Der Optimismus steigt, die Bären befinden sich in der Defensive. Mit einem DAX bei 7.475 Punkten kein Wunder, denn es scheint als seien die Katastrophen in Japan, die Unruhen in der arabischen Welt und die Währungsturbulenzen in der EU lediglich Randerscheinungen für die boomenden Börsenkurse. Schauen wir uns die Stimmung unter den Anlegern einmal genauer an:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
08.04.- 15.04. (260): 58% / 10%
15.04.- 21.04. (225): 55% / 8%
21.04.- 29.04. (296): 56% / 6%

Kaufempfehlungen der Analysten
Volkswagen VZ, Apple, Qualcomm

Verkaufempfehlungen der Analysten
Beiersdorf, MGM Resorts Intl., ABB

Privatanleger
15. KW: 65% Bullen (243 Stimmen)
16. KW: 71% Bullen (194 Stimmen)
17. KW: 73% Bullen (221 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Porsche, Deutsche Bank, Gazprom

Verkaufempfehlungen der Privatanleger
Nur Pennystocks


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Sell in may and go away (verkaufe im Mai und kehre der Börse den Rücken)? Dieses Börsensprichwort wird Jahr für Jahr erneut strapaziert, weil es überdurchschnittlich häufig zutrifft. Nach den exorbitanten Kursgewinnen der vergangenen Wochen werden in den nächsten Tagen viele Börsianer ihre Kursgewinne nach Hause fahren und sich auf einen geruhsamen Sommer vorbereiten.

„But always remeber to come back in september“, heißt es dann weiter (Vergiss nicht, im September zurückzukommen). Ich denke, das wird zu spät sein.

Ja, in den nächsten Wochen könnte es Gewinnmitnahmen geben, und die Börse dürfte in Folge dessen schwach laufen. Aber die Unternehmensgewinne sprudeln, Bernanke hält den Leitzins weiterhin niedrig, und sollte im Laufe des Sommers tatsächlich ein QE3 verkündet werden, dann stehen die Kurse im September wesentlich höher als heute.

Kurzfristig können Sie also gerne ein wenig traden, doch mittelfristig bleibt der Aufwärtstrend meines Erachtens intakt.

SAP: DER ZUG IST ABGEFAHREN

Allein mit Software ist heute kein Blumentopf mehr zu gewinnen: Das hat Oracle bereits erkannt und den Premium-Serverhersteller Sun Microsystems übernommen, um seine Datenbanken auf einer perfekt abgestimmten Hardware aufzusetzen. Das hat auch Hewlett Packard erkannt und Palm, den Entwickler eines eigenen Betriebssystems für Smartphones und Touchpads gekauft, um seine Hardware mit perfekt angepasster Software zu betreiben.

Das hat auch IBM erkannt und sich vom eigenen Hardwaregeschäft (Lenovo) getrennt. IBM feiert nun durch seinen Beratungszweig Erfolge.

SAP versucht jedoch noch immer, sich allein mit der Unternehmenssoftware zu behaupten. Die letzte große Investition war die Übernahme des Datenbankspezialisten Sybase, ein weiteres Softwareunternehmen.

In Sachen Hardware wird der Kunde alleingelassen. Und wenn es dann zu Unstimmigkeiten kommt, kann SAP natürlich auf die nicht passende Hardware verweisen, um sich von der Schuld zu befreien. Kunden wollen einen solchen Softwarepartner nicht.

So wundert es mich nicht, dass SAP mit seinem Quartalsergebnis auf allen Ebenen enttäuschte. Umsatz und Gewinn blieben hinter den Erwartungen zurück.

Als ehemaliger SAP-Berater und langjähriger SAP-Aktionär tut es mir nun leid, Sie vor dieser Aktie warnen zu müssen. SAP befindet sich auf dem Holzweg, das enttäuschende Quartalsergebnis wird nicht die letzte Enttäuschung gewesen sein.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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