Alt 02.04.11, 16:41
Standard So tickt die Börse: Party like it’s 1999
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INTERNETBLASE 2.0.

Oh mein Gott, elf Jahre ist das schon her, dass die Internetblase nach der Jahrtausendwende zerplatzte. Im Januar 2000 hatte Time Warner ein Angebot für AOL abgegeben. AOL wurde in diesem Angebot so hoch bewertet, dass ich an eine weitere Steigerung der Preise nicht mehr glauben konnte und in meinem damaligen Börsenbrief diese Übernahme als die Nadel bezeichnete, mit der die Internetblase zum zerplatzen gebracht wird.

Zu diesem Zeitpunkt wurden Unternehmen nicht mehr nach ihrem Gewinn bewertet, denn KGVs konnten mangels Gewinnen nicht berechnet werden. Als Kurs / Umsatz - Verhältnisse, die als Argumentationshilfe herangezogen wurden, im dreistelligen Bereich landeten (sprich: Unternehmen wie Infospace wurden mit mehr als dem hundertfachen Jahresumsatz bewertet!), behalf man sich durch ein drittes Argument: Das „Potential“.

Es wurde nicht mehr geschaut, wie viel Gewinn das Unternehmen macht. Es war auch egal, wie viel Umsatz erzielt wurde. Man nahm eine Geschäftsidee, betrachtete die ganze Welt und berechnete das Umsatzpotential. Dann legte man noch eine „moderate“ Gewinnmarge von 25% zugrunde, und schon hatte man ein zwei Jahre altes Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von vielen hundert Millionen US-Dollar.

Nun, das böse Erwachen kam stehenden Fußes, Nasdaq und der „Neue Markt“ fielen in den folgenden drei Jahren um 80%.

Ich könnte mir vorstellen, dass wir derzeit am Beginn einer Internetblase 2.0 stehen. Gestern ging in China Qihoo 360 Tech (QIHU) an die US-Börse. Das Unternehmen behauptet, in China das drittgrößte Internetunternehmen zu sein (nach Baidu und Sina), zumindest gemessen an der Nutzerzahl. Nach dem Internetbrowser sei der eigene Browser „360 Safe Browser“ der am häufigsten genutzte in China.

Qihoo finanziert sich durch Werbeeinblendungen im Browser. Es bietet den Kunden ein Paket an Lösungen, mit dem sicheres Surfen im Internet sichergestellt sein soll. Für die Nutzung der eigenen Produkte müssen sich die Kunden jedoch die Werbung gefallen lassen.

Die Nachfrage nach dem IPO war gigantisch. Die Aktien wurden mit 16 US-Dollar ausgegeben und sprangen am ersten Handelstag noch auf 34 US-Dollar. Qihoo ist damit meinen Berechnungen zufolge mit über 3 Mrd. US-Dollar bewertet.

Soll ich Ihnen verraten, wie viel Umsatz das Unternehmen im Jahr 2010 gemacht hat? 60 Mio. US-Dollar. Wir sind also wieder bei einem Kurs / Umsatz – Verhältnis (KUV) von 50 angelangt. Der Gewinn? 5 Mio. US-Dollar. Das KGV ist immerhin berechenbar und beträgt 600!

Bis zu einem KUV von 100 kann sich die Aktie noch verdoppeln ;-) Aber Sie wissen ja, wie das endet: böse!

Doch ich glaube nicht, dass Qihoo eine einmalige Geschichte ist, vielmehr sehe ich Anzeichen dafür, dass ein Internethype 2.0 gerade erst im Entstehen ist. In diesem und im nächsten Jahr wollen die folgenden Unternehmen noch an die Börse gehen: Facebook, Twitter, LinkedIn (Xing-Konkurrenz), Groupon (lokale Coupon-Werbung) und Zynga (Online-Spiele).

Venture Capitalists, also Risikoanleger, die in den vergangenen elf Jahren Internetfirmen mit Risikokapital versorgt haben, sehen die Erntezeit gekommen. Sie bringen ihre Unternehmen an die Börse.

Diese IPOs (Initial Public Offerings - Börsengänge) werden dazu führen, dass die Bewertungsmaßstäbe auf andere Internetfirmen übertragen werden. Netflix beispielsweise hat ein KGV von 80 und eine Marktkapitalisierung von „nur“ 12 Mrd. US-Dollar. Das Unternehmen löst das Fernsehen über Antenne, Kabel und Satellit ab und schickt die Filme über das Internet. Video-Verleih Blockbuster ist durch Netflix bereits so gut wie aus dem Geschäft gedrängt worden. Quartal für Quartal übertrifft Netflix die Erwartungen und erobert die US-Haushalte im Sturm, nun wird Europa angegangen.

Finden Sie, 12 Mrd. US-Dollar für den künftig führenden Video-Anbieter der Welt sind fair? Nein, wenn ich mir dieses POTENTIAL anschaue, dann kann das Unternehmen gerne zehnmal soviel wert sein. Doch das KGV steht schon bei 80, und alles über 20 ist zu hoch. Was nun?

Nun, die IPOs, die irgendwo im Nirwana bepreist werden, können Vergleichswerte liefern, die einen weiteren Kursanstieg ermöglichen. Wenn wir dann hören, dass auch auf den Facebook-Seiten Videos eingebunden werden können, dann wird auch das Bewertungsniveau von Facebook für einen Vergleich herhalten können.

So gesehen ist Netflix ja eigentlich spottbillig. Das KUV beträgt nur 6.

Ich hoffe, Sie erkennen den Sarkasmus zwischen den Zeilen. Ungeachtet dessen möchte ich an der von mir erwarteten Internetparty 2.0 teilhaben. Ich denke, die Kurse werden noch kräftig ansteigen, bevor das böse Erwachen kommt. Warren Buffet würde nun sagen: „Die Bewertungen sind nicht nachvollziehbar, und deswegen investiere ich dort nicht.“ Und er hat Recht. Doch bevor das böse Erwachen kommt, wird es zuerst noch exorbitante Kursgewinne geben.

Ich möchte Sie daher ermutigen, sich mit den neuen Geschäftsmodellen der Internet 2.0 Unternehmen auseinanderzusetzen und zu schauen, welche existierenden Unternehmen davon profitieren könnten, wenn diesen neuen Geschäftsmodellen ein Preisschild angehängt wird.

Der Künstler, der früher einmal als „Prince“ bekannt war ;-) sang: „Tonight I’m gonna party like it’s 1999“ (Heute Nacht werde ich feiern als wäre es 1999). An der Börse lässt sich auch an unsinnig hohen Bewertungen noch viel Geld verdienen. Aber passen Sie auf, dass Sie nicht der letzte Gast der Party sind, denn später singt Prince: „...Parties weren’t meant to last“ (Parties dauern nicht ewig). Ich möchte nicht, dass Sie eines Morgens mit einem Kater aufwachen.

Fazit: Die Bewertungen für soziale Netze und für lokale Werbung sind schon zu hoch, doch sie werden noch weiter ansteigen. Zu viele IPOs stecken noch in der Pipeline.

In Libyen ist es fraglich, welche Schlagkraft die Rebellen überhaupt noch haben. Gleichzeitig scheint Gaddafi über einen Abgang zu verhandeln. Gerüchten zufolge ist auch eine Teilung Libyens im Gespräch. Das Wochenende birgt also viele Überraschungen.

Die Situation in Japan wird täglich schlimmer. Die Dramatik der Schlagzeilen konnte diese Woche jedoch nicht mehr gesteigert werden, so tritt die Katastrophe langsam hinter anderen Meldungen zurück.

In der EU hat der Kampf um die Verteilung des Rettungsfonds bereits begonnen, Irland steht vor dem Hintergrund des jüngsten Bankenstresstests in der Pole-Position.

Nach der Abschaltung der Atomkraftwerke in Deutschland dürfen wir uns auf höhere Strompreise einstellen. Zusätzlich verklagt RWE nun die Bundesregierung auf entgangene Gewinne. Ein eventueller Schadensersatz wird ebenfalls beim Steuerzahler landen.

Man sollte meinen, dass die Börsen vor dem Hintergrund dieser Nachrichtenlage einbrechen. Doch das Gegenteil ist der Fall. Die Kurse steigen.

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (31.03.2011)

Dow Jones: 12.320 | 1,2%
DAX: 7.041 | 1,6%
Nikkei: 9.708 | 2,9%
Euro/US-Dollar: 1,417 | -0,1%
Euro/Yen: 118,4395 | 3,2%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,30% | -0,1
Umlaufrendite Dt.: 3,04% | 0,1
Feinunze Gold USD: $1.435,15 | 0,3%
Fass Crude Öl USD: $107,19 | 1,7%
Kupfer in US$/to: 9.387 | -3,4%
Baltic Dry Shipping I: 1.530 | -2,2%



Hey, der Yen ist endlich eingebrochen. Endlich! Seit Monaten sehnt sich die japanische Regierung einen exportfreundlichen schwachen Yen-Kurs herbei. In Folge der Katastrophe war die erste Reaktion des Yen ein (in meinen Augen irrationaler) Anstieg, Notenbanken weltweit intervenierten. Doch nun scheint der Yen endlich seinen Aufwärtstrend umzukehren.

Das Gold notiert wieder auf Höchstkursen – doch nur gemessen in US-Dollar. Dank des hohen Euro-Wechselkurses hat die Goldrallye uns hier in Europa noch kaum erreicht, es ist noch nicht zu spät zum Kaufen.

Der Kupferpreis ist rückläufig – doch in meinen Augen letztmalig für eine längere Zeit.

Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung entwickelt hat:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
11.03.- 18.03. (327): 56% / 9%
18.03.- 25.03. (278): 56% / 7%
25.03.- 01.04. (278): 61% / 10%

Kaufempfehlungen der Analysten
Siemens, Porsche, Bayer

Verkaufempfehlungen der Analysten
Q-Cells, Nordex, RWE

Privatanleger
11. KW: 43% Bullen (218 Stimmen)
12. KW: 75% Bullen (193 Stimmen)
13. KW: 68% Bullen (165 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Bank of Ireland, Renault, Nordex

Verkaufempfehlungen der Privatanleger
Tepco (Tokyo Electric Power), Camaieu S.A., Baidu


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Analysten haben eine aktive Woche hinter sich: Die letzte Woche des Quartals. Da sieht es schon sehr schlecht aus, wenn man den Verlierer des Quartals noch auf „Kaufen“ stehen hat und die Quartalsgewinner auf „Verkaufen“ oder Halten“. So wurden in dieser Woche schnell noch die Bewertungen an die Kursperformance angepasst, damit beim quartalsweisen Bewertungsgespräch keine allzu großen Böcke im eigenen Verantwortungsbereich gefunden werden können.

So erklärt sich der gleichzeitige Anstieg der bullischen und bärischen Analysteneinschätzungen.

Privatanleger hingegen bekommen schon wieder weiche Knie, seit der DAX über 7.000 Punkte gesprungen ist. Privatanleger können es kaum fassen, dass ein Krieg in Libyen, ein Atomunfall in Japan und ein absehbarer Währungskollaps an der Börse mit steigenden Kursen beantwortet werden. So werden die Privatanleger vorsichtiger.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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