Alt 27.10.14, 20:50
Standard Islam als Chance für einen Neubeginn und einen Systemwandel
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Die Islamkrieger im Irak/Syrien und in Nigeria bringen den Islam in Verruf.

Am 26. Oktober war nach islamischer Zeitrechnung Neujahr (Hedschra), womit auch immer Neujahrwünsche und „gute Vorsätze“ für das neue Jahr verbunden sind. Am 26. Oktober gab es aber auch schwere Auseinandersetzungen im Köln bei einer Demonstration von 5000 Nazis und Hooligans gegen Salafisten, die gewaltsam eskaliert und an das Ende der gewaltsamen Maidan-Demonstrationen erinnerten, wo zum Schluss auch gewaltbereite Nazis äußerst bedrohlich gegen die Polizei vorgingen und damit auch einen Putsch ermöglichten.

Salafisten ist eine ultrakonservative Strömung des fundamentalistischen Islams, der von den meisten Moslems aber nicht verfolgt wird. Der Ausdruck wird aber auch gebraucht, um bestimmte Lehren des sunnitischen Islam zu bezeichnen. Der Salafismus bezeichnet im Alltagsgebrauch die „Rückwärtsgewandheit“ von Muslimen, die versuchen, die Sitten und Gebräuche des 7. Jahrhunderts als angebliche Tradition in der modernen Welt zu leben. Radikale und extremistische bzw. fundamentalistische Islamisten, die eine Schreckensherrschaft im Irak/Syrien und auch in Nigeria verbreiten, sind genau das Gegenteil von dem, was die meisten der 1,6 Mrd. Moslems wollen, nämlich Frieden. Allerdings fällt es ihnen immer noch schwer, sich von den radikalen Islamisten abzugrenzen und sich aktiv mit ihnen auch verbal auseinander zu setzen, denn die radikalen Islamisten sind gewalttätig. Die Islamkrieger im Irak/Syrien und in Nigeria bringen den Islam insgesamt in Verruf und schädigen ihn.

Wenn man auch dieses Vorgehen der Fundamentalisten zu Recht für unzeitgemäß und kontraproduktiv hält, kann die produktive Auseinandersetzung mit den „wahren“ Werten und Normen des Islams auch positive Lerneffekte für das gegenwärtige kapitalistische Wertesystem hervorbringen, die die Gesellschaft und Wirtschaft voranbringen und zum Positiven wandeln kann. Was dringend geboten ist. Das kapitalistische Wertesystem ist auch geprägt von Egoismus (auf Länderebene=Nationalismus), Gier und Machtsterben, was auch zu Kriegen für die Erhaltung der kapitalistischen Werte führen kann. Vordergründig genannt werden dann die Werte wie Freiheit und Demokratie für den man sich einsetzten müsse und für Menschrechte. In Wahrheit geht es dann aber auch um Gewinnstreben (auch im Ausland), Rohstoffe und Absatzmärkte, die wichtig sind in einer Konkurrenzwirtschaft.

Wir sollten allmählich von der Konkurrenzwirtschaft in eine Kooperationswirtschaft übergehen, um das gegenwärtige System, das zu Übertreibung und Blasenbildung neigt, besser auszubalancieren. Der Appell von Angela Merkel, Obama & Co, die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern (zur Not durch Abwertung der Währung), ist der falsche Weg. Besser wäre es, die Kooperationsfähigkeit zu verbessern und Hilfen zu geben, um die Kooperationsfähigkeit und Zusammenarbeit zu verbessern, von denn dann alle in einer offenen Volkswirtschaft profitieren. Auch beim Wachstum sollte man allmählich von einem quantitativem Wachstumspostulat zu einem qualitativem Wachstumspostulat übergehen.

Dabei sollten auch islamische Werte in die Diskussion kommen, um ein besseres Gesellschafts- und Wirtschaftssystem zu schaffen, das mehr Chancengleichheit, Gerechtigkeit und Ausgewogenheit bietet. Die dritte Säule des Islams wird Zakat genannt. Es ist die Verpflichtung für jeden diejenigen zu unterstützen, die Hilfe benötigen. Die „Almosen“ sollen vor allem denen gegeben werden, die ihre Arbeit anbieten und etwas aus ihrem Leben machen wollen, aber nicht die Chancen haben wie die Vermögenden. Es ist also eine Art Vermögensabgabe für Hilfsbedürftige. So etwas fehlt jetzt insbesondere in Südeuropa mit einer Jugendarbeitslosigkeit von über 50%. Hier hat ganz eindeutig das kapitalistische System mit der Massenarbeitslosigkeit bei Jugendlichen versagt. Es mangelt hier an Solidarität, wie insgesamt in der Gesellschaft. Wichtig für Schwellenländer ist auch die Hilfe zur Selbsthilfe, was auch noch wesentlich verbessert werden könnte.

Ich interpretiere die „Almosen des Islam“ in der modernen Zeit als einen Appell an die Business Angel, noch mehr für Personen zu tun, die Innovationen hervorbringen können. Es sollte - von mir auch aus gerne steuerlich begünstigt - mehr privates Kapital von Vermögenden in den Bereiche Venture Capital und Private Equity gegeben werden, auch um Arbeitsplätze zu schaffen und Innovationen zu fördern. Der Islam sieht hier einen Prozentsatz von 10 Prozent vor, den jeder Vermögende ganz unabhängig von den Steuern denjenigen geben sollte, die ihre Arbeit anbieten. Dies sollte nach meinem Verständnis von den 10% je zu Hälfte für soziale Zwecke und die anderen Hälfte zur Beteiligung an innovativen Unternehmen und Existenzgründungen verwendet werden.

Im arabischen Raum wird überwiegend mit eigenem Geld finanziert. Schulden sind verpönt. Auch ich bin ein Anhänger der Eigenfinanzierung, des Eigenkapitals und des Aktienkapitals, auch des Beteiligungskapitals (Venture Capital und Private Equity), weil dies ein unternehmerischer Absatz ist. Hier wäre durch eine internationale Kooperation, auch über das Internet, viel mehr möglich als es bisher der Fall ist. Man bräuchte aber auch ein Ethik-Kommission und und Rating-Agentur für Geldgeber, was auch über das Internet möglich wäre.

Für das Bankgeschäft ist das Zinsverbot (Sure 2, Vers 278 u.a. in engerer Auslegung Wucher) von besonderer Wichtigkeit. Im weiteren Sinne darf man nicht mit Geld Geld verdienen. Auch dieses könnte ein Diskussionspunkt für ein Veränderung der westlichen Finanzwirtschaft werden, denn durch Zinseszins werden Vermögende immer reicher und diejenigen, die hohe Schulden haben immer ärmer. Zudem gibt es Finanz-Oligarchien in der westlichen Welt, die die Chancengleichheit geradezu behindern.

Im Islam gilt es auch die Regel, den anderen mit Respekt zu betrachten. Auch der Familiensinn und die Bereitschaft innerhalb der Familie vor allen den Alten zu helfen, ist sehr ausgeprägt. Auch dies würde einer modernen Gesellschaft, die mit der demographischen Entwicklung zu kämpfen hat, gut zu Gesicht stehen.

Auch sind Spekulation verboten, mit denen man mit Geld Geld macht wie bei Leerverkäufen, die dem sogenannten Gharar. Auch sind Wetten (Maysir) verboten wie bei Spielautomaten oder auch Derivate oder Währungsspekulationen. Jede Wette ist unproduktiv, da nichts produziert wird. In unserer kapitalistischen von Finanz-Oligarchen beherrschten Welt ist das Volumen der Derivate mit 700 Billionen US-Dollar aber weit größer als das Volumen der produktiven Wirtschaft. Hätte man doch mehr auf die Werte des Islams gehört! Der Islam predigt viele immaterielle Werte und Tugenden, die denen der Bibel ähneln. Hier sollte man mehr die Gemeinsamkeiten als Gegensätze suchen und finden.

Unternehmensbeteiligungen sind im Islam jedoch erlaubt. Dabei sollte aber die Gier im Zaum gehalten werden. Dadurch ließe zumindest eine Blasenbildung vermeiden. Wichtig und erlaubt sind Geschäfte, die nicht nur einem, sondern die gesamten Wirtschaft fördern. Angemessen und erwünscht sind also win-win-Situationen. Es gibt schon eine Reihe von Sharia-Indices aus der Indexfamilie des Dow Jones oder Standard&Poors oder den FTSE Islamic Index, wo nur Unternehmen aufgenommen werden, die nichts mit Glücksspiel, Prostitution, Waffen, Schweinfleisch oder Alkohol zu tun haben. Noch besser wären ergänzend Indices, wo nur Unternehmen mit einer verantwortbaren Ethik, Umweltbewusstsein und sozialem Engagement reinkommen.

Durch islamischen Werte und islamischen Tugenden könnte auch unser Wirtschaft- und Gesellschaftssystem verbessert werden. Umgekehrt sollte/könnte sich der Islam auch Gedanken machen, wie sich die friedlichen Islamisten von den radikalen Islamisten auch durch Argumente besser unterscheiden. Der friedfertige Moslem sollte für seine Werte auch auf die Straße gehen und Gewalt von radikalen Moslems grundsätzlichen verdammen. Die geschieht noch zu wenig. Der Moslem sollte aber auch andere Religionen respektieren und nicht immer von den „Ungläubigen“ sprechen.

Auch bei der Koranauslegung sollten die Moslems zu einer Einigung finden, denn der Koran wird von Land zu Land sehr unterschiedlich interpretiert, was auch an den falschen Übersetzungen liegen und falschen Übermittlungen seit dem 7. Jahrhundert liegen mag. Der Prophet Mohamed selbst konnte weder lesen noch schreiben und ließ daher durch den Erzengel Gabriel - nicht zu verwechseln mit unserem Wirtschaftsminister - verkünden und publizieren. Der Islam muss sich mehr öffnen und mehr offene Diskussionen zulassen. Der Tag der offen Tür am Freitag in einer Moschee in Deutschland und auch das Predigen in Deutsch sind schon erste gute Ansätze des Aufeinanderzugehens, aber dies ist noch nicht genug. Es ist ein Unding, dass Im Irak/Syrien Moslems gegen Moslems (Sunniten gegen Schiiten) kämpfen und massenhaft töten. Dies wollte Allah mit Sicherheit nicht.

Eine Religion sollte niemals dogmatisch politisch instrumentalisiert werden, schon gar als Begründung für gewaltsame Auseinandersetzungen. Mehr Diskussion (nach innen und außen), mehr Presse- und Meinungsfreiheit und ein Überdenken der Rolle der Frau im Islam würde auch den Islam modernisieren und zu einem besseren Gesellschafts- und Wirtschaftssystem führen. Beidseitige Reformen würden die Weltwirtschaft bereichern und voranbringen, die nun vor großen Herausforderungen und möglicherweise einer großen Wirtschaft- und Finanzkrise steht.

Aber Krisen sind die Chancen zum Wandel und zur Weiterentwicklung. Der Westen sollte sich mit seinen westlichen Werten und der Wertegemeinschaft also mehr Gedanken machen, wie man das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem verbessern kann, damit mehr Chancengleichheit, Solidarität, Hilfsbereitschaft und Gerechtigkeit entsteht, wobei – wie aufgezeigt - einige Werte aus dem Islam dabei durchaus hilfreiche Gedankenanstöße sein können. Umgekehrt sollte der Islam nicht ins Mittelalter zurückfallen wollen, sondern auch die Möglichkeit des Fortschritts nutzen. Dabei müssen im Mittelpunkt dabei immer der Mensch und das menschliche Potential stehen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Andreas Männicke die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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