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Vorab eine Richtigstellung zur Ausgabe von vergangenem Freitag: Die US-Notenbank hat nicht den Leitzins angehoben, sondern den Diskontsatz. Während der Leitzins in den USA der Zielzins der Fed ist, zu dem sich Banken ihre bei der Notenbank hinterlegten Reserven gegenseitig ausleihen können, dient der Diskontsatz als Zins für Ausleihungen der Geschäftsbanken von der Notenbank selbst.
Die Relevanz des Diskontsatzes ist sehr gering, das Volumen der Ausleihungen direkt von der Notenbank betrug vor einer Woche nur rund 17 Mrd. USD. Die Ausleihungen der bei der Notenbank hinterlegten Reserven unter den Geschäftsbanken untereinander betragen ein Vielfaches davon. Somit ist die Anhebung des Diskontsatzes zum jetzigen Zeitpunkt überwiegend ein symbolisches Zeichen. Zum einen zeigt die Fed damit, dass nicht mehr so viele Geschäftsbanken direkt auf die Notenbank zugreifen, dass also das Vertrauen der Geschäftsbanken untereinander wieder vorhanden ist, so dass der rekordtiefe Diskontsatz nicht länger aufrecht erhalten bleiben muss. Zum anderen gibt die Fed durch diesen Schritt das deutliche Signal an die Märkte, dass man die Zinsen nicht zu lange auf dem niedrigen Niveau belassen wird – auch nicht den Leitzins. Meine Interpretation von vor einer Woche bleibt also gültig. Und meine vor einer Woche formulierte Überraschung war natürlich nicht angebracht, denn es war ja nicht der Leitzins, der angehoben wurde, sondern lediglich der Diskontsatz. WOCHENRÜCKBLICK Die Commerzbank hat im abgelaufenen Jahr wesentlich mehr Verlust erwirtschaftet, als dies von Analysten erwartet wurde. Vorstandschef Blessing steht unter Beschuss, denn er hat die Rückzahlung der staatlichen Hilfen mit viel zu optimistischen Zielen in Aussicht gestellt, wie sich nun herausstellt. Ich habe vor einem Jahr im Heibel-Ticker PLUS eine Detailanalyse von der Commerzbank und der Deutschen Bank vorgenommen und riet damals vom Kauf der Commerzbank ab. Als Grund gab ich genau das an, was nun eingetreten ist: Die Commerzbank wird noch lange die staatlichen Hilfen zurückzahlen müssen und kann unter diesem Druck vorerst nicht so flexibel neue Geschäftsfelder aufbauen wie die Deutsche Bank. Dennoch, die Meldung der Commerzbank hat die deutschen Anleger geschockt und der DAX ist diese Woche deutlich schwächer als Dow Jones und Nikkei. Übrigens: Die Allianz ist auf der Gewinnerseite zu finden. Können Sie sich erinnern, dass die Dresdner Bank einst von der Allianz an die Commerzbank verkauft wurde? Direkt im Anschluss war die Commerzbank unter den staatlichen Rettungsschirm geflüchtet. Können Sie sich daran erinnern, dass ich hinter diesen beiden Aktionen boshaft vermutete, dass die Allianz sich ihre toxischen Derivate vom Hals schaffte? Nun, aus heutiger Sicht sieht es ziemlich stark danach aus, als sei die Vermutung begründet gewesen. Die Commerzbank verkündet eine negative Überraschung nach der anderen und ich kann mir nicht vorstellen, dass heute, drei Jahre nach Beginn der Finanzkrise, der Vorstandschef Blessing noch immer seine eigenen Bücher nicht kennt. Solche Probleme kann ich höchstens hinter der Dresdner Bank vermuten, die noch immer nicht voll von der Commerzbank verstanden wird. Und dennoch verkneift sich Blessing konsequent einen Fingerzeig auf die Dresdner Bank als schwarzes Schaf. Immerhin hatte er selbst sich für die Übernahme stark gemacht. Und als inzwischen halbstaatliches Unternehmen sitzt Blessing nun noch immer fest im Sattel, trotz der akuten Probleme. Ob man sich damals schon über die bevorstehende schwere Zeit geeinigt hatte? Die Allianz auf der anderen Seite erfreut sich wachsender Umsätze, möchte die Dividende anheben und verliert kein Wort über etwaige toxische Derivate im Bestand. Dabei trat die Allianz Branchenkennern zufolge in den vergangen Jahren immer wieder als Käufer von gerade diesen Derivaten auf. Wo sind diese Papiere hin? Nun, die Antwort muss leider Ihrer Phantasie überlassen bleiben. Doch nicht nur die Commerzbank schockierte diese Woche mit einer negativen Überraschung. Merck KGaA enttäuschte seine Aktionäre mit einer Reduzierung der eigenen Prognose. Die in der Testphase befindlichen neuen Medikamente würden mit stärkeren Risiken behaftet sein als zunächst gedacht. Die Aktie von Merck KGaA ist um 10% eingebrochen. Der Energieversorger RWE ist um 5% eingebrochen. Grund hierfür war die Veröffentlichung der Geschäftszahlen für 2009, die einen stärkeren Rückgang der Stromnachfrage im Krisenjahr auswiesen als erwartet. Gleichzeitig sprach Vorstandschef Dr. Großmann von einer nur langsamen Erholung der Energiemärkte, so dass es noch ein paar Jahre dauern werde, bis das Niveau von vor der Krise wieder erreicht werden könne. Mit einem Minus von ebenfalls 5% ist auch die Deutsche Post für das schlechte Abschneiden des DAX in dieser Woche verantwortlich. Es wird wieder einmal über die Abschaffung des Steuerprivilegs für die Deutsche Post diskutiert und so wie es aussieht könnte die Steuerfreiheit für Porto zur Jahresmitte bereits fallen. Nun, soweit ein kleiner Überblick über die Meldungen, die in dieser Woche für eine durch alle Branchen hinweg schlechte Stimmung sorgten. Schauen Sie sich einmal die Wochenperformance der einzelnen Indizes an: INDIZES (25.02.2010) Dow Jones: 10.321 | -0,7% DAX: 5.532 | -2,6% Nikkei: 10.126 | 0,0% Euro/US-Dollar: 1,359 | 0,7% Euro/Yen: 121,3 | -2,1% 10-Jahre-US-Anleihe: 3,64% | -0,2% Umlaufrendite Dt: 2,74% | -0,1% Feinunze Gold USD: $1.108,74 | 0,1% Fass Crude Öl USD: $78,26 | -0,4% Baltic Dry Shipping I: 2.711 | 0,3% ANLEIHEN AUF REKORDKURS 2,74% beträgt die Umlaufrendite derzeit in Deutschland. Als vor anderthalb Jahren Lehman Brothers Pleite ging und die Finanzwelt kurz vor dem Abgrund stand, folgte eine weltweit konzertierte Aktion der Notenbanken, die Zinsen fielen auf ein Rekordtief und die Umlaufrendite sackte auf 2,71%. Heute, nachdem die Wirtschaft sich augenscheinlich erholt hat, sind wir nur wenige Pünktchen von diesem historischen Zinstief (sprich Hoch der Anleihenkurse) entfernt. Der Schuldige ist schnell zur Hand: Griechenland. Es ist nicht die Solidität der Deutschen Anleihen, die sie so beliebt macht, sondern der Mangel an Alternativen. Institutionelle Anleger, die bislang das „attraktive“ Zinsniveau von Griechenland nutzten, um eine Überrendite zu erzielen, werden langsam vorsichtig hinsichtlich der griechischen Anleihen. Wenn schon auf dem Fokus-Titelblatt die Griechen als Lügner bezeichnet werden und eine alte griechische Statue der EU den Mittelfinger zeigt, dann ist es tatsächlich fraglich, ob die Deutschen den Griechen zu Hilfe eilen werden. Nächsten Monat wird Griechenland eine neue Staatsanleihe anbieten. In Deutschland möchte niemand diese Anleihe, diese Meldung geht heute sukzessive von so ziemlich jeder Bank in Deutschland über den Ticker. Der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) zufolge sind Deutsche Banken mit 32 Mrd. Euro die drittgrößten Gläubiger Griechenlands. Doch wenn ich die bekannten Engagements der einzelnen Banken zusammen addiere, fehlen mir einige Milliarden. Hier die Zahlen, die ich über Reuters finden konnte: <10 Mrd. EUR: HRE 3,1 Mrd. EUR: Eurohypo, Tochter der Commerzbank 1,3 Mrd. EUR: Postbank (Deutsche Bank hat nur kleine Position) 1,0 Mrd. EUR: WestLB, sollen in Bad Bank ausgelagert werden <300 Mio. EUR: Bayern LB Wenn ich diese Zahlen aufsummiere, komme ich nicht einmal auf die Hälfte der 32 Mrd. Euro. Von der LBBW liegen mir keine Zahlen vor. Welche weiteren großen Gläubigerbanken kann es in Deutschland noch geben? Wo sind die griechischen Staatsanleihen im Wert von gut 15 Mrd. Euro versteckt? Wer auch immer nennenswerte Positionen im Portfolio ausweist, er verhält sich derzeit ganz still. Der Vorstoß von Schäuble und Merkel von vor zwei Wochen, die schon über konkrete Finanzhilfen sprechen wollten, wurde nicht nur von mir heftig kritisiert, sondern insbesondere auch von der breiten Bevölkerung, die eben kein „Betrügerland“ (ich zitiere hier nur den Focus) subventionieren möchte. So verschärft sich der Ton zwischen Griechenland und Deutschland und die deutschen Staatsanleihen steigen im Kurs während der Risikoaufschlag für griechische Papiere erneut in die Höhe schnellt. Sicherheit, und zwar transparente und nachhaltige Sicherheit, gewinnt immer mehr an Bedeutung und so ist es in meinen Augen nur eine Frage der Zeit, bis die Rendite unter 2,71% rutscht und einen neuen Rekord markiert. Und all das zu einer Zeit, in der nicht einmal Deutschland die Stabilitätskriterien von Maastricht erfüllt. So ist die niedrige Umlaufrendite in meinen Augen nicht als Zeichen der Stärke zu werten, sondern lediglich Ausdruck der mangelnden Alternativen. Und, oh Wunder, eine andere Alternative schreibt ebenfalls täglich neue Rekorde: Der Goldpreis in Euro. Eigentlich, und ich weiß, das „eigentlich“ ein blödes Wort ist, eigentlich sollten also auch die anderen Alternativen Rekorde verzeichnen: Aktien. Denn die Quartalsergebnisse von zwei Drittel aller Unternehmen fielen besser aus als erwartet. Die Unternehmen wagen teilweise vorsichtig das Wort „Aufschwung“ in den Mund zu nehmen. Aber dennoch steigt die Börse nicht an. So haben die Aktienanleger gelernt, dass ein kollabierender Finanzsektor auch die Aktienbörse und anschließend auch die Realwirtschaft mit in den Keller reißen kann. Viele Aktien sind in meinen Augen derzeit viel zu günstig bewertet. Sollte sich das Griechenland-Problem, und in dessen Kielwasser dann auch das Portugal- und Spanien- und ...-Problem lösen lassen, so erwarte ich eine Aktienkursrallye. Schauen wir uns einmal an, wie sich Analysten und Privatanleger in diesem Umfeld fühlen: SENTIMENTDATEN ANALYSTEN: Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 05.-12. Feb (366): 66% / 34% 12.-19. Feb (357): 75% / 25% 19.-26. Feb (349): 69% / 31% ANALYSTEN KAUF Fresenius Medical Care, Bilfinger & Berger, Allianz ANALYSTEN VERKAUF Commerzbank, Solon, Q-Cells PRIVATANLEGER: 6. KW 2010: 62% Bullen (72 Stimmen) 7. KW 2010: 65% Bullen (63 Stimmen) 8. KW 2010: 50% Billen (76 Stimmen) Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 5.654 PRIVATANLEGER KAUF Merck KGaA, BNP Paribas PRIVATANLEGER VERKAUF Q-Cells Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Privatanleger werden skeptisch und unsicher. Bei den Analysten ist die Zuversicht unverändert groß. Analysten betrachten überwiegend die Unternehmenssituation und es wäre nicht das erste Mal, dass Analysten eine Finanzkrise nicht vorhersehen. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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