Alt 13.07.10, 12:16
Standard Gründe für die Rallye: Obamas Sinneswandel
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Liebe Börsenfreunde,

wie versprochen noch ein kurzes Update zum Wochenverlauf, da die Ausgabe am vergangenen Freitag anlässlich des 100. Geburtstags meiner Großtante etwas kurz geraten war. Ich habe tatsächlich ein Interview mit meiner Großtante führen können und konnte ein paar interessante Antworten für Sie in Erfahrung bringen. Die Frage, die uns alle interessiert ist natürlich, wie schafft man es, durch Krieg, Inflation, Währungsreform und diverse Systemumstellungen sein Vermögen bzw. monatliches Einkommen bis ins hohe Alter zu sichern. Das Interview werde ich für die Ausgabe am kommenden Freitag aufbereiten.

Am vergangenen Mittwoch ist die US-Börse abgehoben. Nach Monaten der schlechten Performance gegenüber dem DAX und dem Nikkei konnte sich der Dow Jones plötzlich zu einer fulminanten Rallye aufbäumen. Was war geschehen?

Nun, neben den Konjunkturdaten, den Arbeitsmarktdaten und dem inzwischen üblichen EU-Gerangel um Sparen oder nicht gab es in den USA eine Entwicklung, die hierzulande kaum Beachtung fand: Obama hat sich FÜR eine Stärkung der US-Unternehmen ausgesprochen. Das klingt selbstverständlich und Sie werden mir unzählige Zitate liefern können, in denen er das auch früher bereits getan hat. Doch diesmal glaube ich ihm. Lassen Sie mich ein wenig ausholen.

Obama war mit vollmundigen Versprechungen angetreten: Gesundheitsreform, etwas, das seit Jahrzehnten kein US- Präsident wirklich erfolgreich angefasst hatte. Neue Finanzmarktregeln, bislang unmöglich gegen die Lobby der Wallstreet. Umweltfreundliche Energiepolitik, absolut industrieschädigend, wenn Sie den Kommentaren in den USA glauben. Und Bildungsreform, wo doch kein Geld zur Verfügung steht.

Sein Ergebnis: Bildungsreform: Ja, da hat er irgendwie doch ein wenig Geld abgezwackt. Bei den verhältnismäßig geringen Kosten im Vergleich zum derzeit ausufernden Haushaltsbudget war das wohl irgendwie drin.

Umweltfreundliche Energiepolitik: Hier hat Obama sich zurückgezogen. Zumindest spart er mit vollmundigen Versprechungen. Er stellt sich gut mit der heimischen Industrie, im Ausland hat er jedoch stets ein offenes Ohr für die Forderungen anderer Länder. Das ist schon mehr, als seine Vorgänger zu diesem Thema beigetragen haben. Ich habe den Eindruck, dass er darauf baut, dass der Druck aus dem Ausland bei diesem Thema groß genug wird, um einen ausreichenden Rückhalt in der Bevölkerung zu schaffen.

Die neuen Finanzmarktregeln sind zwar nicht so streng, wie ursprünglich angekündigt. Doch die Einsichtnahme bzw. Meldepflicht für die Finanzmarktteilnehmer sind wesentlich ausgeweitet worden, und die Einflussnahme der Regierung bis hin zur Abwicklung (kontrollierte Auflösung) eines großen Finanzinstitutes wird den Finanzsektor wesentlich transparenter und dadurch vertrauenswürdiger machen. Das Ziel ist nicht erreicht, doch die Richtung stimmt. Und das ist doch schon einmal etwas in der Politik.

Und schließlich die Gesundheitsreform, oder das Reförmchen, ist zwar ebenfalls wesentlich schwächer ausgefallen als ursprünglich versprochen, doch auch hier stimmt die Richtung und immerhin hat Obama es geschafft, etwas zu verändern.

Nach diesen Teilerfolgen, stets zu Lasten der Industrie (Unternehmen tragen die steigenden Gesundheitskosten, Unternehmen tragen die Kosten der Meldepflichten, Unternehmen zahlen auch die sich langsam erhöhenden Umweltauflagen) hat Obama in der vergangenen Woche nun offensichtlich beschlossen, erst einmal auf Schmusekurs mit den Unternehmen zu gehen. Seine Wahlversprechen hat er, wenn auch nicht vollständig so doch nach bestem Gewissen im Rahmen der Möglichkeiten umgesetzt.
Unternehmen werden bluten.

Nun ist es an der Zeit, sich um den Arbeitsmarkt, und damit um die Unternehmen zu kümmern. Kein Wunder bei obigem Programm, dass Unternehmen in den vergangenen Monaten keine Lust hatten, neue Stellen zu schaffen. Wer weiß, was dem wild gewordenen US- Präsidenten als nächstes einfällt. So ist es kein Wunder, dass die Barreserven der Unternehmen exorbitant angewachsen sind, Investitionen wurden zurückgehalten. Lieber wurde eine Dividendenerhöhung bekannt gegeben, denn zusätzlich zu den unternehmerunfreundlichen Änderungen drohte eine Anhebung der Kapitalertragssteuern, um die hohen Staatsschulden zu finanzieren.

Die Richtung Obamas war einfach wie offensichtlich: Der Staat verpflichtet Unternehmen mehr und mehr zu sozialen Leistungen für die Arbeitnehmer. Gleichzeitig zeigte sich der Staat als großzügiger Auftraggeber und kurbelte durch Konjunkturprogramme die Wirtschaft an. Die Vorsicht bzw. Unsicherheit der Unternehmen versuchte der Staat auszugleichen. Der Staat, wie sollte es anders sein unter einem linken Präsidenten, wird immer mehr an sich reißen, so die Befürchtung.

Doch dann kam der vergangene Mittwoch: Der Tag, an dem Obama seine Kleider (Partei?) wechselte. Obama stellte sich vor die laufenden Kameras und versprach, die Kapitalertragssteuer, die Präsident Bush so stark gesenkt hatte, nicht wieder zu erhöhen, sondern auf dem niedrigen Niveau zu belassen. Auch für die Mehrzahl der Unternehmen wolle er keine zusätzlichen Steuerlasten erfinden, so sein Versprechen.

Und wenn ein Präsident sich auch mal versprechen kann, so nahm sodann US-Finanzminister Tim Geithner die letzten Zweifel vom Tisch, als er sich von Larry Kudlow auf CNBC interviewen ließ. Kudlow ist bekannt als ultra-rechts, ist also sicherlich kein angenehmer Gesprächspartner für Geithner. Doch Kudlow selbst gab am Ende des Gesprächs zu, dass Geithner durchaus ein schlüssiges Konzept vorgelegt hat.

Ich gehe davon aus, dass Geithner nicht zufällig am Tag des Kleiderwechsels von Obama bei Kudlow im Fernsehen erschien. Das war eine abgesprochene Aktion, um der Bevölkerung und insbesondere den Unternehmen zu signalisieren, dass einige der wesentlichen links-orientierten Wahlversprechen nun umgesetzt sind und dass man sich nun wieder um die Stabilisierung der Wirtschaft kümmern werde.

Und diese Aufgabe hat Geithner meines Erachtens meisterlich gelöst. Sein Konzept, als Finanzminister steckt er natürlich inhaltlich hinter dieser Vorgehensweise, hat ein besonderes Augenmerk auf den kostengünstigsten und gleichzeitig effektivsten Konjunkturprogrammpunkt gelegt: PLANUNGSSICHERHEIT.

Nachdem die Reformen der vergangenen Monate zu einem Quasi- Stillstand bei vielen Unternehmen geführt hatten, liegt sein Hauptaugenmerk nun darauf, die bestehenden Steuern und Gesetze für eine längere Periode stabil zu halten und dies den Unternehmen mitzuteilen. Es ist die Nachricht: „Schaut her, was wir verändert haben – arrangiert Euch damit und richtet Euch darauf ein, dass dies nun für zehn Jahre so bleiben wird.“

In dem Interview mit Larry Kudlow hat Geithner mehrfach Steuern aufgelistet, die er bis 2020 in ihrer heutigen Form festschreiben möchte.

Ich muss schon sagen, dass gefällt mir sehr gut. Das macht den Eindruck, dass ein Konzept hinter den Änderungen steckt. Ein Konzept, dass für einige Jahre Bestand haben wird. Wann haben Sie so etwas zuletzt von der Politik gehört?

Wenn Sie Englisch sprechen, können Sie das Interview hier anschauen – es ist in zwei Videos aufgeteilt: http://www.cnbc.com/id/38150012

China, aber auch Brasilien und Indien sowie eine ganze Reihe weiterer asiatischer und südamerikanischer Staaten reden schon wieder von einem Aufschwung. Die rohstoffreichen Länder Kanada und Australien haben bereits ihren Leitzins erstmalig wieder angehoben. Und Europa sowie Japan brummen zwar noch nicht, doch eine gesundete Wirtschaft ist deutlich zu erkennen und die Arbeitslosenzahlen gehen deutlich zurück. Nur in den USA dümpelt der Arbeitsmarkt suboptimal vor sich hin, Investitionen werden aufgeschoben und die US-typischen Wachstumsraten sind außer Reichweite.

Ich kann mir gut vorstellen, dass dieser Richtungswechsel Obamas für eine Kursrallye an den Aktienmärkten sorgen wird, die nicht nur ein paar Tage, sondern vielleicht ein paar Wochen anhalten kann. Es folgen ab nächster Woche die Quartalsergebnisse vieler Unternehmen und auch diese werden meiner Einschätzung nach überwiegend positiv ausfallen. Die Ampel steht also auf grün, gut dass wir in den vergangenen Wochen punktuell nachgekauft haben.

Hier noch die Wochenperformance der wichtigsten Indizes:

INDIZES (11.07.2010)

Dow Jones: 10.193 | 4,7%
DAX: 6.093 | 4,0%
Nikkei: 9.548 | 3,7%
Euro/US-Dollar: 1,258 | 0,6%
Euro/Yen: 111,35 | 1,2%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,05% | 0,1
Umlaufrendite Dt: 2,22% | 0,0
Feinunze Gold USD: $1.198,74 | -0,2%
Fass Crude Öl USD: $74,80 | 3,7%
Baltic Dry Shipping I: 1.902 | 19,1%


Heftige Gewinne, allen voran im Dow Jones. Der Ölpreis ist ebenfalls angestiegen. Der „sichere Hafen“, das Gold hat leicht abgegeben.

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
18.06.- 25.06. (169): 41% / 12%
25.06.- 02.07. (146): 55% / 14%
02.07.- 09.07. (178): 54% / 12%

ANALYSTEN KAUF
Continental, TUI, Siemens

ANALYSTEN VERKAUF
Marks & Spencer, Dt. Telekom, Leoni

PRIVATANLEGER:
25. KW 2010: 53% Bullen (67 Stimmen)
26. KW 2010: 61% Bullen (68 Stimmen)
27. KW 2010: 56% Bullen (66 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 5.896

PRIVATANLEGER KAUF
Forsys Metals, Aixtron

PRIVATANLEGER VERKAUF
Arques, Envio


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Und eins noch: Weder Spanien noch Holland hat schöner gespielt als Deutschland. Also: Für den Unterhaltungswert unseres Nationalsports hat die Deutsche Mannschaft mehr getan, als jede andere Mannschaft der WM. So können wir uns über den dritten Platz freuen und zählen darauf, dass unsere junge Mannschaft genug Erfahrung gesammelt hat, um in vier Jahren in Brasilien das Ding nach Hause zu holen.

Take share,

Ihr
Börsenschreibel

Stephan Heibel

Chefredakteur und
Herausgeber des
Heibel-Ticker
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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