Alt 27.06.10, 01:38
Standard So tickt die Börse: The bid underneath
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Lieber breche mich mir die Zunge ab, als den Heibel-Ticker mit
Anglizismen zu durchtränken. Doch manchmal ist das Englisch,
oder besser das Amerikanisch, einfach zu prägnant, als dass es
sich so einfach übersetzen ließe. Also habe ich heute den
Spruch, der mich seit einigen Wochen verfolgt, auf Englisch
weitergegeben.

„There is a bid underneath“ heißt übersetzt „es gibt ein Gebot
darunter“. Damit sprechen Börsianer aus, was sie im täglichen
Handel erleben. Wenn die Kurse im Rahmen eines Ausverkaufs
unter eine bestimmte Grenze fallen, dann kommen plötzlich
Kaufaufträge in den Markt. Ab einem bestimmten Kursniveau endet
der Ausverkauf und die Kurse stabilisieren sich. Damit wird ein
sehr komplexer Vorgang kurz und prägnant beschrieben.

Der Begriff „Bodenbildung“ passt nicht zu dieser Aussage, denn
ein Boden bildet sich auch, wenn die Verkäufer fertig sind. The
bid underneath sind jedoch Käufer, die aktiv werden, egal wie
groß die Verkaufsorders sind, die noch in den Markt gegeben
werden.

Im DAX haben wir in den vergangenen Wochen erlebt, dass ab
einem Niveau von 5.700 Punkten etwa plötzlich Kaufinteresse
entsteht und ein weiterer Kursrutsch vermieden wird. Beim Dow
Jones liegt dieses Niveau bei 9.700.

Der amerikanische Ausdruck gefällt mir deshalb so gut, weil
darin noch einige weitere Zusammenhänge beleuchtet werden. Ein
bid, also ein Gebot, ist etwas anderes als abebbende Verkäufe.
Und underneath, also darunter, zeigt, dass der Pessimismus bis
dorthin überwiegt und die Kurse fallen.

Derzeit haben wir eine Reihe von ungelösten Problemen.
Ausufernde Staatsverschuldung, Sparzwang der Industrieländer
mit der Gefahr des Abwürgens jeglichen Konjunkturaufschwungs.
BPs Ölkathastrophe, inzwischen mit dem Risiko einer geregelten
Insolvenz des größten britischen Steuerzahlers, sowie in den
USA eine schwache Wirtschaft und schlechte
Arbeitsmarktentwicklung aufgrund von Obamas Gesundheits- und
Finanzmarktreformen. In China wird noch immer von restriktiven
geldpolitischen Schritten gesprochen, die das dortige
Wirtschaftswachstum beeinträchtigen könnten. Kurz gesagt, es
gibt genügend Gründe, um jeden Tag erneut für einen Ausverkauf
zu sorgen. Hiobsbotschaften können aus allen diesen
Problembereichen täglich veröffentlicht werden.

So ist es in den nächsten Wochen in meinen Augen kaum möglich,
dass DAX und Dow Jones deutlich über ihre Jahreshöchststände
steigen, wenn nicht diese Problembereiche gelöst sind. Nähert
sich der DAX den 6.300 Punkten, so ist das Risiko einer Meldung
aus den genannten Problembereichen sehr groß. Besser gesagt,
die Meldung kommt so oder so, aber bei einem DAX-Stand von
6.300 wird sie negativ ausgelegt.

Bei einem DAX-Stand von 5.700 hingegen werden Anleger sagen,
das ist bereits in den Kursen enthalten. Der Problembereich ist
bekannt und es handelt sich nur um einen weiteren Beweis, dass
dieser Problembereich nun tatsächlich wahrgenommen und somit
bald gelöst wird.

Gleichzeitig haben wir in den vergangenen Monaten
Quartalsergebnisse von Unternehmen gesehen, die durch die Bank
weg (Doppelbedeutung beabsichtigt) wesentlich besser waren als
erwartet. Und wenn ich mir die Nachrichtenlage zur
Geschäftsentwicklung der von mir beobachteten Unternehmen
anschaue, dann wird auch die im Juli beginnende Berichtssaison
wieder überwiegend positiv ausfallen.

An einen doppelten Boden der Finanzmarktkrise von 2008 / 2009
glauben Anleger also kaum noch, stattdessen greifen sie bei
5.700 beherzt zu, um die nächste Rallye, wann immer diese nun
auch beginnen werde, mitzunehmen.

Wir befinden uns also in einem Sommerloch, in einer
Warteposition. Insbesondere Exportweltmeister Deutschland wird
meines Erachtens gestärkt aus dieser Marktphase hervorgehen,
das werfen uns unsere EU-Partner sowie die USA sogar vor.

Die angesprochenen Problembereiche beobachte ich sehr eng und
je näher wir uns an eine Lösung bewegen, desto wahrscheinlicher
wird ein Ausbruch der Börsen nach oben. Im nächsten Kapitel
werde ich den Stand der Dinge beleuchten. Doch schauen wir uns
zunächst die Wochenperformance der wichtigsten Indizes an:

INDIZES (24.06.2010)

Dow Jones: 10.152 | -2,7%
DAX: 6.115 | -1,7%
Nikkei: 9.737 | -2,6%
Euro/US-Dollar: 1,231 | -0,6%
Euro/Yen: 110,445 | -1,8%
10-Jahres-US-Anleihe: 3,12% | -0,1
Umlaufrendite Dt: 2,18% | 0,0
Feinunze Gold USD: $1.244,08 | -0,1%
Fass Crude Öl USD: $76,20 | -2,0%
Baltic Dry Shipping I: 2.502 | -10,1%


Zum Wochenbeginn hat die Meldung aus China für Euphorie an den
Börsen gesorgt (siehe Kolumnen-Ticker in Kapitel 05). Doch nach
dem Überschreiten der angesprochenen Marke von 6.300 Punkten im
DAX folgte wieder eine pessimistischere Berichterstattung und
folglich legte der DAX einen Rückwärtsgang ein.

Entsprechend hat sich das Sentiment maßgeblich verschlechtert:

SENTIMENTDATEN

ANALYSTEN:
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
04.06.- 11.06. (138): 50% / 14%
11.06.- 18.06. (155): 48% / 22%
18.06.- 25.06. (169): 41% / 12%

ANALYSTEN KAUF
BASF, Lufthansa, Volkswagen VZ

ANALYSTEN VERKAUF
Porsche, LDK Solar, SABMiller

PRIVATANLEGER:
23. KW 2010: 54% Bullen (75 Stimmen)
24. KW 2010: 52% Bullen (73 Stimmen)
25. KW 2010: 53% Bullen (67 Stimmen)
Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute:6.216

PRIVATANLEGER KAUF
Société Générale, France Telecom, Credit Agricole

PRIVATANLEGER VERKAUF
Boston Properties


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise
erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Ich würde hier insbesondere den Rückgang der Kauf- sowie
Verkaufsempfehlungen durch Analysten betrachten, was für mich
für eine Verunsicherung bei den Analysten spricht. Die
verhältnismäßig hohe Anzahl an „Halten“-Empfehlungen ist ein
Zeichen dafür, dass Analysten aufgrund des hohen DAX-Standes
für Kaufempfehlungen lieber die nächste Korrektur abwarten
wollen.

Neben der aktuellen Betrachtung zu den verschiedenen
Problembereichen, mit denen wir uns derzeit immer wieder
beschäftigen, habe ich im nächsten Kapitel eine Detailanalyse
zu Celesio vorgenommen. Der Pharma-Logistiker hat meines
Erachtens die Zeichen der Zeit erkannt und sucht händeringend
nach neuen Verdienstmöglichkeiten, so nun durch eine
Kooperation mit dem US-Konzern Medco Health. Celesio ist
innovativ und günstig bewertet, doch ob ich in diese Aktie
investieren würde, ist eine andere Frage.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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