Alt 27.07.15, 10:13
Standard Dramatischer Kurseinbruch von 8,5% in Schanghai
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TOKIO/SCHANGHAI (Dow Jones) - Minuszeichen haben zum Wochenauftakt an den Kurstableaus der Börsen in Ostasien dominiert. Krasse Ausreißer nach unten waren die chinesischen Börsen. Nach einem Minus von deutlich über 2 Prozent im Vormittagshandel ging der Shanghai-Composite in der zweiten Tageshälfte in den freien Fall über. Am Ende des Tages stand ein Kurseinbruch von 8,5 Prozent auf 3.724 Punkte zu Buche. Das war praktisch zugleich das Tagestief und bedeutete den stärksten Tagesverlust seit Februar 2007. Offenbar ist ein Test, ob die Börse auch ohne staatliche Stützungsmaßnahmen wieder stabil ist, nach hinten losgegangen.

An der mit Schanghai verbundenen Nachbarbörse in Hongkong verlor das Marktbarometer 3,2 Prozent. In Taiwan fiel der Index um 2,4 Prozent auf ein Neunmonatstief. Nach schwachen Vorgaben vom Freitag aus Europa und den USA, wo der Dow Jones die schwächste Börsenwoche seit Januar verzeichnete, verlor der Tokioter Nikkei-Index 0,9 Prozent auf 20.353 Punkte. In Seoul ging es um 0,3 Prozent bergab.

Marktteilnehmer sprachen von einer offensichtlich weiter sehr fragilen Lage an den chinesischen Börsen. Sie hatten sich zuletzt nur mit Hilfe staatlich gelenkter Käufe zu einem Teil von ihren massiven Verlusten seit Juni erholen können. Spekulationen, wonach sich diese unterstützenden Käufe verlangsamt haben sollen, sorgten im Verlauf des Montaghandels für massiven Verkaufsdruck. Der Markt traue der politischen Einflussnahme nicht, hieß es. Und noch stehe der chinesische Aktienmarkt nicht wieder auf seinen eigenen Beinen.

"Die vorangegangene Unterstützung der Regierung wird offensichtlich nicht durchzuhalten sein", warnte Fu Xuejun, Marktstratege bei Huarong Securities. "Sie dürften heute ihre Stützungsmaßnahmen zurückgefahren haben, um zu testen, ob der Markt widerstandsfähiger geworden ist. Die Regierung will die staatlichen Fonds zur Stabilisierung des Marktes einsetzen, und nicht etwa dazu, den Index über Nacht wieder auf 5.000 Punkte nach oben zu treiben", erläuterte der Experte. Er rechnet damit, dass der Staat in den nächsten beiden Tagen wieder stützend auf den Plan treten wird.

Zu Monatsbeginn hatten 21 Brokerhäuser zugesagt, den Index solange zu stützen, wie er unter 4.500 Punkten liegt. Nach Schätzungen von Marktteilnehmern dürfte die staatliche China Securities Financial zuletzt zur Stützung der Kurse hunderte von Milliarden an Yuan in den Markt gepumpt haben.

Verstärkt worden sei der Verkaufsdruck von neuen Daten aus der Industrie, sagte Gerry Alfonso, Handelsdirektor bei Shenwan Hongyuan Securities. Im Juni sind die Gewinne der chinesischen Industrieunternehmen im Jahresvergleich um 0,3 Prozent gesunken, nachdem sie in den beiden Monaten zuvor jeweils noch zugelegt hatten. Am Markt gilt das als Indiz für einen eher schleppenden Konjunkturverlauf.

Als Belastungsfaktoren an den anderen Plätzen machten Händler Enttäuschungen von der Quartalsberichtssaison und den andauernden Verfall vieler Rohstoffpreise aus, die das Kupfer zuletzt auf ein Sechsjahres- und das Gold auf ein Fünfeinhalbjahrestief gedrückt hatten. Bei letzteren kam es am Montag allerdings zu einer leichten Stabilisierung, weshalb auch die rohstofflastige Börse in Sydney mit einem kleinen Plus aus dem Tag ging.

Der Goldpreis erholte sich von den Freitagstiefs auf zuletzt 1.103 Dollar. Das waren knapp 3 Dollar mehr als im späten US-Geschäft am Freitag. Die Kurse der australischen Goldminenbetreiber Newcrest Mining, Alacer Gold, OceanaGold und Regis Resources stiegen um 4,5 bis 12 Prozent. Die Ölpreise tendierten auf dem ermäßigten Freitagsniveau seitwärts.

"Die Anleger sind auf der Hut vor Gewinnrevisionen und stellen sich auf eher negative Überraschungen ein, nachdem so viele prominente US-Unternehmen entweder mit ihren Quartalszahlen oder aber Ausblicken enttäuscht haben", kommentierte Hideyuki Ishiguro, Marktstratege bei Okasan Securities, die Verkaufsneigung an den Börsen. Zudem seien die Konjunkturdaten aus China alles andere als ermutigend ausgefallen und auch die neuerliche Talfahrt in Schanghai verunsichere.

Bei den Einzelwerten standen in Hongkong Central China Securities stark unter Druck. Das Brokerhaus hat eine Kapitalerhöhung über rund 326 Millionen US-Dollar angekündigt, worauf die Aktie um fast 8 Prozent einbrach. 75 Prozent der Nettoeinnahmen daraus sollen in den Ausbau des kreditfinanzierten Aktiengeschäfts fließen. Kreditfinanzierte Aktienkäufe waren der Haupttreiber der Aktienhausse in China bis zum Rekordhoch im Juni und werden von Beobachtern auch für den darauffolgenden Einbruch der Kurse maßgeblich verantwortlich gemacht. Wegen der nachgebenden Kurse erhöhten die Kreditgeber nämlich ihre Nachschusspflichten, was bei vielen Anlegern den Druck zu Notverkäufen am Aktienmarkt verstärkte.

Unter Druck standen auch die Kurse der staatlich kontrollierten chinesischen Telekomunternehmen. Hier würden wenig inspirierende Geschäftszahlen erwartet, hieß es zur Begründung. Nomura befürchtet in den ersten sechs Monaten um 4,1 Prozent gesunkene Einnahmen. China Telecom verloren ebenso rund 2,5 Prozent an Wert wie China Mobile. Für China Unicom ging es um fast 5 Prozent südwärts.

Ein Bericht über vermutlich höher als erwartet ausfallende Gewinne bei der japanischen Reederei Nippon Yusen trieb den Kurs um 1,8 Prozent nach oben. Nippon Yusen legt seine Zahlen am Freitag vor. Die Aktien der Konkurrenten Mitsui OSK Lines und Kawasaki Kisen konnten davon nicht profitieren, obgleich der Bericht nach Ansicht der Analysten von J.P. Morgan auch dort gute Zahlen erwarten lasse. Kawasaki Kisen gaben sogar deutlich nach um 1,8 Prozent. Möglicherweise habe es auch branchenintern Umschichtungen gegeben, so Beobachter.

Fujitsu General zogen um 5,2 Prozent an. Gute Verkäufe von Klimaanlagen und günstige Wechselkurseffekte hatten dem Unternehmen einen 25-prozentigen Umsatz- und 11-prozentigen Gewinnanstieg im ersten Quartal beschert. Zudem erhöhte das Unternehmen seinen Ausblick.

Zu den größeren Verlierern in Tokio gehörten die zuletzt noch gesuchten Pharmaaktien. Shionogi & Co. verloren 4,3, Eisai 4,4 und Chugai Pharmaceutical 3,7 Prozent. Eine positive Analystenstudie trieb Mitsubishi Motors um 5,5 Prozent nach oben.

In Sydney stürzte der Kurs von Atlas Iron nach der Wiederaufnahme des Handels mit der Aktie um rund 70 Prozent ab. Das Papier war ausgesetzt worden, weil der Eisenerzförderer wegen des Preisverfalls bei Eisenerz eine "ausführliche Überprüfung" seiner Geschäftsaktivitäten angekündigt hatte. Zudem wurde während der Aussetzung eine Kapitalerhöhung durchgeführt. Der Kurs des Branchenriesen Rio Tinto zeigte sich wenig verändert, während BHP Billiton um 1 Prozent zulegten.

Am Devisenmarkt zeigte der Dollar zu den meisten asiatischen Währungen tendenziell Stärke vor dem Hintergrund der im weiteren Jahresverlauf noch erwarteten Zinserhöhung in den USA. Der Yen legte dagegen als vermeintlich sicherer Hafen zu auf 123,50 je Dollar von 123,80 am späten Freitag angesichts der Talfahrt an den Börsen.

Mitarbeit Bradford Frischkorn und Anjani Trivedi

Kontakt zum Autor: maerkte.de@dowjones.com

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