Alt 15.01.15, 13:27
Standard Schweizer Notenbank wirbelt Märkte durcheinander
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Für einen Paukenschlag und heftige Verwerfungen an den Finanzmärkten hat am Donnerstag die Schweizerische Nationalbank gesorgt. Gänzlich überraschend haben die Währungshüter in Zürich den Franken-Mindestkurs zum Euro aufgegeben und den Kurs der Landeswährung damit binnen Minuten zum Euro auf ein Allzeithoch getrieben. Am Aktienmarkt in Zürich brechen die Kurse daraufhin auf breiter Front ein. Die Rendite Schweizer Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit hat in negatives Terrain gedreht. Der Goldpreis ist stark gestiegen.

Gegen 10.30 Uhr MEZ handelte der Euro zum Franken wie schon in den vergangenen Monaten knapp wie festgenagelt über 1,20 Franken. Euro-Käufe durch die Schweizerische Nationalbank auf diesem Niveau verhinderten bislang, dass der Euro unter diesen "Peg" fallen konnte. Als die Nachricht von der Aufhebung dieses Pegs über die Ticker in den Handelsräumen lief, schoss der Euro binnen 20 Minuten bis auf das Allzeittief von 0,8574 Franken nach unten.

Anschließend stabilisierte sich der Euro wieder knapp über der Parität. Devisenhändler vermuten, dass die Schweizerische Notenbank am Markt erneut mit Euro-Käufen interveniert, um eine zu starke Aufwertung des Franken und die damit verbundenen Verzerrungen an den Finanzmärkten zu verhindern.

Denn die haben es in sich. Der SMI-Leitindex der Schweizer Börse bricht um mehr als 1.000 Punkte oder 11 Prozent ein. Zum Einen verschlechtern sich mit der stark aufwertenden Währung die Wettbewerbschancen der schweizerischen Wirtschaft. Zum anderen - und das dürfte noch schwerer wiegen - müssen Investoren bei der Bewertung von Aktien in Franken nun einen hohen Abschlag einpreisen.

Die Kurse von Schwergewichten wie ABB, Credit Suisse, UBS, Richemont und Swatch brechen um bis zu 17 Prozent ein. An der Derivatebörse Eurex wurde angesichts der sprunghaft angestiegenen Volatilitäten der Handel mit Terminkontrakten auf den SMI-Index kurzfristig ausgesetzt. Für den Handel mit Derivaten auf Einzelaktien wurde der Status "Fast Market" ausgerufen. Das bedeutet, dass bestimmte Regularien für das Trading vorübergehend aufgehoben werden, um überhaupt noch einen Handel gewährleisten zu können.

Die Schweizer Nationalbank hat ferner das Zielband für den Dreimonats-Libor auf minus 1,25 bis minus 0,25 Prozent gesenkt von minus 0,75 bis 0,25 Prozent. Das hat heftige Verwerfungen im Handel mit Franken-Liquidität zur Folge. Schweizer Geldmarktpapiere mit drei Monaten Laufzeit sind von Kursen um minus 0,35 Prozent in wenigen Minuten bis auf minus 0,98 Prozent eingebrochen. Anschließend haben sie sich bei minus 0,73 Prozent eingependelt. "Die Kurse überschießen nach unten. Es wird noch eine Weile dauern, bis der Markt die Nachrichten verdaut hat und zu einer gewissen Ordnung zurückkehrt", sagt ein Geldmarkthändler.

Angesichts dieser Verwerfungen retten sich Investoren in Sicherheit. Der Yen als sicherer Währungshafen hat zum Dollar und Euro stark aufgewertet. Der Goldpreis steigt um 2,1 Prozent auf 1.255 US-Dollar. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen sind auf den höchsten Stand aller Zeiten gestiegen. Sie werfen eine Rendite von nur noch 0,407 Prozent ab. Steigende Anleihekurse bedeuten sinkende Renditen.

Der Tenor von Marktakteuren ist einhellig: "Klar ist, dass die Notenbank damit zumindest kurzfristig Glaubwürdigkeit riskiert hat", sagt Manuel Andersch, Schweiz-Stratege bei der BayernLB. Nachdem SNB-Verwaltungsratspräsident Jordan immer wieder betont habe, die Notenbank tue alles, um den Euro/Franken nicht unter den Mindestkurs fallen zu lassen, dürfte er nun einen schwereren Stand haben. Für die Schweizer Exportwirtschaft sei die Entscheidung kurzfristig Gift.

Dem Land drohe eine lange Phase der Deflation, prognostiziert die Berenberg Bank. Die Exportunternehmen des Landes dürften wegen des starken Franken unter zunehmenden Wettbewerbsdruck geraten. Produktionsstätten dürften ins Ausland verlagert werden. Auch der Tourismus sowie der Einzelhandel würden in Mitleidenschaft gezogen.

Der Kurseinbruch am Zürcher Aktienmarkt belastet vorübergehend auch die anderen europäischen Aktienbörsen. Der Euro-Stoxx-50 gab um bis zu 2,2 Prozent nach, hat sich anschließend aber wieder erholt und handelt am Mittag 0,2 Prozent fester bei 3.095 Punkten. Der DAX verlor ebenfalls knapp 2 Prozent, liegt aktuell jedoch gibt 0,4 Prozent im Plus bei 9.857 Zählern. Der VDAX, ein Barometer für die Risikoscheu von Anlegern, ist um 5 Prozent nach oben gesprungen. Er spiegelt die Risikoprämien im Handel mit Aktienoptionen wider.

Der Stoxx-50-Index, in dem acht Schweizer Schwergewichte von ABB bis Zurich Insurance enthalten sind, reagierte extrem volatil auf die Nachrichten aus der Schweiz: Der Index gab zunächst um 3,6 Prozent nach, schoss anschließend um mehr als 9 Prozent nach oben und handelt aktuell 1,3 Prozent fester. Eine Sprecherin des Indexanbieters Stoxx sagte zu Dow Jones Newswires, die zwischen 10.54 und 11.09 Uhr MEZ ermittelten Kurse des Stoxx-50 würden nachträglich korrigiert.

Kontakt zum Autor: benjamin.krieger@dowjones.com

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