Alt 30.09.13, 12:03
Standard Krise in Italien drückt Kurse in den Keller
Beitrag gelesen: 305 x 

Die Regierungskrise in Italien hat die europäischen Finanzmärkte am Montag fest im Griff. Nachdem fünf Minister aus der Partei des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconis auf dessen Aufforderung zurückgetreten sind, um zu verhindern, dass der wegen Steuerbetrugs verurteilte Berlusconi aus dem Senat ausgeschlossen wird, macht sich europaweit wieder Risikoscheu breit. An den Aktienmärkten geht es auf breiter Front abwärts.

Am stärksten verliert der Index der Mailänder Börse mit 2 Prozent. Der DAX hält sich mit einem Minus von 0,9 Prozent auf 8.580 Punkte besser, ebenso der Euro-Stoxx-50, der um 0,9 Prozent auf 2.892 Punkte nachgibt.

Besonders unter Druck stehen in Mailand Bankenaktien wie Unibanca, Mediobanca und Intesa Sanpaolo mit Einbußen in der Spitze von bis zu 5 Prozent. Zu Beginn des Handels waren einige Titel der Branche angesichts heftiger Kursausschläge sogar ausgesetzt. Hintergrund sind auch kräftige Einbußen bei italienischen Anleihen, die sich in großem Umfang in den Portfolios vor allem italienischer Banken befinden.

Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatspapiere steigt um 11 Basispunkte auf 4,52 Prozent, hatte im frühen Geschäft aber noch viel deutlicher zugelegt in den Bereich um 4,65 Prozent.

Schon seit einiger Zeit ist zu beobachten, dass Anleihe-Investoren eine vorsichtigere Stellung gegenüber dem Schuldner Italien einnehmen. So ist die Rendite Italiens im Vergleich zu jener spanischer Anleihen zuletzt deutlich stärker gestiegen. Zehnjährige italienische Anleihen werfen mit 4,52 Prozent daher inzwischen auch deutlich mehr ab als spanische mit 4,40 Prozent. Erst am Freitag mahnte der Internationale Währungsfonds an, dass das Wirtschaftswachstum in Italien ohne weitere Reformen nicht zulegen wird. Angesichts der jüngsten politischen Zuspitzung droht nun aber eher das Gegenteil, nämlich politischer Stillstand.

Am Mittwoch will der italienische Ministerpräsident Enrico Letta nun die Vertrauensfrage stellen. Sollte Letta das Vertrauen nicht erhalten, dürfte Staatspräsident Napolitano versuchen, eine neue Mehrheit zu suchen. Eine solche Entwicklung halten zumindest die Marktstrategen von Nomura für am wahrscheinlichsten. Eine Option könnte indes auch sein, dass einige der ehemaligen Weggefährten von Berlusconi für Letta stimmen und ihn zumindest für eine gewisse Zeit unterstützen. Für unwahrscheinlich hält Nomura dagegen, dass es in Italien bereits bald zu Neuwahlen kommt, wie sie von Berlusconi eingefordert werden.

Die Analysten der Citigroup verweisen mit Blick auf mögliche Neuwahlen auf den Juli 2014, wenn Italien die Ratspräsidentschaft in der EU übernimmt. Sollte es zu Neuwahlen kommen, dann eher nicht vor 2014, aber sehr wohl vor Beginn der Ratspräsidentschaft, glauben die Experten.

Profiteure der wieder auflebenden Risikoscheu an den Finanzmärkten sind die vermeintlich sicheren Häfen wie deutsche Bundesanleihen und das Gold. Die Rendite der zehnjährigen deutschen Staatsanleihen sinkt folgerichtig um 2 Punkte auf 1,76 Prozent, nachdem sie vor wenigen Wochen noch über 2 Prozent lag. Die Rentenmarktexperten von ING rechnen damit, dass sich der Renditeabstand zwischen den Bundesanleihen und italienischen Titeln noch weiter ausweiten wird und erinnern daran, dass er im Umfeld der politischen Krise in Italien im Frühjahr noch 350 Punkte betragen habe. Die Feinunze Gold kostet 1.341 Dollar, nachdem der Preis für das Edelmetall über Nacht bereits auf 1.350 Dollar gestiegen war und damit so teuer war wie seit 10 Tagen nicht mehr.

Neben der Krise in Italien trägt auch der weiter ungeklärte Haushaltsstreit in den USA zur Verunsicherung unter den Anlegern bei. Am Devisenmarkt treibt dies die Anleger vor allem in den Yen, während der Dollar zur Schwäche neigt. "Wir schauen auf Washington, und die Zahlungsunfähigkeit wird immer wahrscheinlicher", sagt Evan Lucas, Marktstratege bei IG Markets. Der politische Zwist zeige auch, wie schwierig es werde, die Schuldenobergrenze Mitte Oktober anzuheben, betont Paul Zemsky von ING.

Zum Euro hält sich der Dollar gleichwohl mit gut 1,3500 Dollar je Euro einigermaßen stabil, nachdem schon Stände unter 1,3475 zu beobachten waren. Das dürfte auch der Krise in Italien geschuldet sein, die stimmungsmäßig den Euro belastet.

Am Aktienmarkt in Europa führen Banken-, Versicherungs-, Rohstoff- und Autoaktien auf der Branchenseite die Verlierer mit Abschlägen zwischen 1,2 und 1,4 Prozent an. Vergleichsweise gut halten sich die als defensiv geltenden Branchen Pharma und Nahrungsmittel.

Am italienischen Aktienmarkt stehen neben den Bankenaktien auch die Papiere des von Berlusconi kontrollierten Medienunternehmens Mediaset unter Druck. Sie verlieren knapp 4 Prozent. Für Telecom Italia geht es dagegen gegen den Trend um 3 Prozent nach oben. Hier setzen Anleger auf einen Führungswechsel nach der Verwaltungsratsitzung am 3. Oktober.

Kontakt zum Autor: herbert.rude@dowjones.com

DJG/hru/gos/hhb

Copyright (c) 2013 Dow Jones & Company, Inc.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Dow Jones die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 17:10 Uhr.
Top 



copyright: imagine Grafik - DTP - Webdesign - [AGB / Datenschutz]