Alt 31.03.17, 19:37
Standard So tickt die Börse: Kratzer in Schäubles Schlaraffenland
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Eine für Schäuble wunderbare Begleiterscheinung der Niedrigzinsphase ist, für kurzfristige Verbindlichkeiten keine Zinsen zahlen zu müssen. Im Gegenteil, wenn Finanzminister Schäuble ein paar Milliarden an Schatzanweisungen mit einer Verzinsung von 0,0% ausgibt, dann zahlen ihm willige Anleger mehr als 100%, um an die begehrten Papiere zu kommen. Im Februar ergab sich dadurch eine Rendite von -0,92%.

Schäuble erhält also heute etwa 102 Euro und muss in zwei Jahren nur 100 Euro zurückzahlen. Je mehr Schulden er aufnimmt, desto mehr verdient er. Vor diesem Hintergrund ist die sogenannte "Schuldentragfähigkeit" unendlich hoch, denn es müssen ja keine Zinsen bezahlt werden. Hauptsache, das Geld ist noch da, wenn es zur Rückzahlung ansteht.

Doch das Leben im Niedrigzins-Schlaraffenland hat diese Woche einen Kratzer erhalten. Mutig wollte Schäuble den negativen Marktzins nutzen, um das Volumen der ausstehenden Bundesschatzanweisungen (Laufzeit 2 Jahre) von 5 auf 9 Mrd. Euro zu erhöhen. Eine Neuemission von 4 Mrd. Euro also. Doch weder die negative Rendite von -0,92% konnte gehalten werden, noch wurde das Emissionsvolumen nachgefragt: Die negative Rendite ging auf -0,71% zurück und es wurden nur Anleihen im Wert von 2,9 Mrd. Euro verkauft.

Ich könnte mir gut vorstellen, dass Schäuble nochmal das niedrige Zinsniveau nutzen wollte, bevor wir hier in Europa die Nachfolgediskussion um EZB-Chef Supermario Draghi lostreten und bevor die in meinen Augen überaus robuste europäische Konjunktur das europäische, und damit auch das deutsche Zinsniveau anhebt. Sprich: steigende Zinsen in Sicht!

Denn, nachdem Holland, Frankreich und Italien bereits einen EZB-Chef gestellt haben, ist ab 2019 Deutschland an der Reihe. Das wird eine deutlich straffere Geldpolitik zur Folge haben, Zinsen dürften bereits im Vorfeld steigen. Zudem gibt es aus konjunktureller Sicht in meinen Augen heute schon keinen Grund mehr für die starke Liquiditätsflutung, die Mario Draghi noch bis zum Jahresende aufrecht erhalten möchte. Die Diskussion um die Rückführung der Liquiditätsflutung wird ebenfalls bald beginnen und die Zeit der negativen Zinsen beenden.

Am Aktienmarkt ist von der Zurückhaltung der Anleger nicht viel zu sehen, im Gegenteil. Nachdem der DAX zum Beginn der Woche einmal mehr unter 12.000 Punkte sackte, war der Verkaufsdruck erstaunlich gering. Das Handelsvolumen im DAX ließ zu wünschen übrig und so langsam dämmerte den Bären das, was hier im Heibel-Ticker schon seit Monaten berichtet wird: Die europäische Konjunktur ist gesund, Unternehmensgewinne wachsen an und das Bewertungsniveau vieler Aktien ist niedrig.

Infineon ist kein überbewerteter Technologiekonzern, sondern steht im Zentrum der Entwicklung des autonomen Fahrens. Vermutlich ist Infineon einer der sehr wenigen deutschen Automobilzulieferer, die für die Revolution durch autonom fahrende Elektroautos gerüstet ist. Die Aktie legte diese Woche um 12% zu, nachdem sie in den vergangenen 12 Monaten bereits um 50% zugelegt hat.

Der Brexit-Antrag der Briten hat auch das Ende der gewünschten Fusion der Deutschen Börse mit der London Stock Exchange nach sich gezogen. Die Deutsche Börse ist ohne diese Zwangsehe bei Anlegern deutlich beliebter, das Wochenplus beträgt 5%.

In den vergangenen Wochen konnte Adidas um 12% zulegen. Allen Bären-Argumenten zum Trotz hat Adidas es geschafft, Nike den Kampf anzusagen, ohne sich auf einen ruinösen Preiskampf einzulassen. Adidas kann doch noch Innovation. Hier dürften sich in den vergangenen Wochen einige Bären aus der Aktie verabschiedet haben, die lange Zeit erwartet hatten, dass Nike und Under Armour, der junge aufstrebende und innovative US-Konkurrent, Adidas abhängen würden. Doch das ist nicht der Fall.

Auch die Commerzbank hat in den vergangenen vier Wochen kräftig zugelegt, um 19% sogar. Die Aussicht auf steigende Zinsen im Euroraum machen Anlegern Hoffnung. Wer bislang auf ein weiter erodierendes Geschäft der Commerzbank gewettet hat, musste nun auch hier seine Short-Position eindecken.

Der Monat März hat mit den Argumenten Untergangspropheten aufgeräumt. Als sich der DAX dann am Dienstag wieder über 12.000 Punkten halten konnte, brachen alle Dämme: Shorts wurden eingedeckt und unterinvestierte institutionelle Anleger liefen den Kursen hinterher ... genau wie von mir seit einigen Wochen in Aussicht gestellt. Der Ausbruch erfolgte "nach oben", nun nimmt der DAX Kurs auf ein neues Allzeithoch bei 12.375 Punkten.

Schauen wir einmal, wie sich die wichtigsten Indizes im Wochenvergleich entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES 30.3.17 Woche Δ Σ '17 Δ

Dow Jones 20.728 -0,1% 4,9%
DAX 12.256 1,8% 6,8%
Nikkei 19.063 -0,1% -0,3%
Shanghai A 3.362 -1,2% 3,5%
Euro/US-Dollar 1,07 -1,0% 1,4%
Euro/Yen 119,49 -0,2% -2,8%
10-Jahres-US-Anleihe 2,42% -0,01 -0,03
Umlaufrendite Dt 0,10% -0,05 0,11
Feinunze Gold $1.243 -0,3% 7,9%
Fass Brent Öl $52,89 4,6% -6,7%
Kupfer 5.858 1,2% 8,0%
Baltic Dry Shipping 1.324 10,7% 42,7%



Es waren wohl vor allem inländische Anleger, die den DAX diese Woche um 1,8% nach oben katapultiert haben, denn der Dow Jones sowie auch der japanische Nikkei gaben 0,1% ab. Ich werde im nächsten Kapitel untersuchen, ob die in Deutschland nun aufkeimende Euphorie auch im Ausland zu spüren ist.

Es sind diesmal auch keine ausländischen Anleger, die den DAX nach oben jubeln, andernfalls würden internationale Anleger zunächst Euro nachfragen, um das Geld dann in deutsche Aktien anzulegen. Doch der Euro ist diese Woche gegenüber dem US-Dollar um 1% abgerutscht. Auch gegenüber dem Yen notierte er etwas leichter (-0,2%).

Am Ölmarkt gab es nun eine Gegenreaktion zum Ausverkauf der Vorwochen. Mit einem Wochenplus von 4,6% konnte das europäische Nordseeöl wieder über die 50 USD/Fass-Marke springen. Doch ich erwarte nicht, dass der Ölpreis in Richtung 60 USD/Fass marschiert, denn der Druck durch neu ans Netz kommende Fracking-Förderungen aus den USA nimmt ständig zu. Ich hatte vergangene Woche im Rahmen meines Updates zu Pioneer Natural Resources dazu Position bezogen.

Aber genau wie der Ölpreis deuten auch der Kupferpreis (+1,2%) und der Baltic Dry Verschiffungsindex (+10,7%) für einkeimenden Konjunkturoptimismus.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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