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Na Hoppla, wie konnte das passieren: Der Dow Jones erklimmt ein Jahreshoch nach dem anderen, während der Dax kräftig einbricht? Der Goldpreis schießt über 635 US-Dollar hinaus, der Euro zieht gegenüber dem US-Dollar kräftig an. Was ist da passiert? Trennt sich nun nach sechs Wochen einmütiger Aktienrallye in den USA und in Europa trennt sich nun die Spreu vom Weizen.
Nein, so schlimm ist es nicht. Die Gründe sind wie immer wesentlich einfacher, als die meisten glauben: In erster Linie ist der Wechselkurs für die plötzliche Divergenz verantwortlich. Der Euro ist nämlich gegenüber dem US-Dollar kräftig angestiegen. Seit Monaten pendelt der Wechselkurs zwischen 1,25 und 1,29 USD/EUR, nun ist die Rate über 1,3088 gesprungen. In Deutschland werden da sofort Neidgefühle wach: Wieso schaffen es die Amerikaner immer wieder, ihre Währung so weit zu schwächen, daß dies dem Export zugute kommt? Wir hätten auch gerne eine schwache Währung, so daß wir im Inland günstig produzieren und die Produkte im Ausland teuer verkaufen können. Schließlich sind wir doch Exportweltmeister! Die Amerikaner hatten ganz andere Befürchtungen: Das Erntedank Fest wird in den USA wesentlich größer gefeiert. Der amerikanische Begriff überflügelt sogar hierzulande unsere Bezeichnung für das Fest: Thanksgiving. In diesen Tagen wird in den USA ein Truthahn in den Ofen geschoben, auf niedriger Flamme gegart und bis zum Sonntag im Halbstundenrhythmus mit Wein übergossen. Wer was auf sich hält, der stellt sich auch nachts zumindest im Stundenrhythmus den Wecker, damit das Federvieh nicht austrocknet. Am gestrigen Donnerstag blieb die Börse geschlossen. Am heutigen Freitag wird nur einen halben Tag gehandelt, die Börse schließt um 13 Uhr EST, also 19 Uhr MEZ. Dieser schmackhafte Schmaus hat durchaus seinen Einfluß auf die Börse: Börsianer denken mehr an den Truthahn, als an die Börse. Und wenn ein besonders fanatischer Börsianer nun gar nicht abschalten kann, dann wird ihm von seiner Frau kurzerhand die Verantwortung für das halbstündige Übergießen mit Wein übertragen. Und auch der eingefleischteste Börsianer möchte nicht, daß der Vogel austrocknet. Davon konnte sich ihr Autor in seiner Zeit in New York mehrfach überzeugen, denn der Geschmack eines guten Thanksgiving Turkeys ist unvergleichlich. Die Amerikaner wissen das. Sie wissen, daß in diesen vier Tagen von Donnerstag bis Sonntag die Börsenkurse sich selbst und vielleicht den Europäern überlassen bleiben. Nachdem der US-Dollar am Mittwoch erste Schwächeanzeichen zeigte, verbreitete sich das Gerücht, daß die Europäer die US-Feiertage bestimmt nutzen würden, um den Euro „herunter zu reden". Die Amerikaner fürchteten also, daß die EZB irgendwelche Aussagen trifft, die den Euro auf Talfahrt schicken. Der Zeitpunkt wäre günstig, denn die US-Notenbank könnte nicht gegensteuern. Selbst wenn Bernanke in diesen Tagen vor die Kameras treten würde, der Börsianer würde ihn nicht hören: Er gießt ja gerade Wein über den Truthahn. Heute wissen wir jedoch, daß die EZB keine entsprechende Aussage gemacht hat. Der US-Dollar befindet sich weiter auf Talfahrt und das wird die Amerikaner am Montag erfreuen. Der Dax hingegen beschwert sich bereits am heutigen Freitag lautstark mit Kursabschlägen von 1,5 %. Die Ursache für die Wechselkursschwankung ist nicht beim Euro zu finden, denn auch der japanische Yen entwickelt sich fest gegenüber dem US-Dollar. Vielmehr ist der US-Dollar in diesen Tagen tatsächlich schwach. Schlechte Arbeitsmarktzahlen und aufkeimende Konjunkturängste, gepaart mit der Angst vor weitreichenden Auswirkungen des schwachen Immobilienmarktes, lassen die Amerikaner hoffen, daß die US-Notenbank im kommenden Jahr mit Zinssenkungen gegensteuern wird. Niedrigere Zinsen in den USA, gepaart mit steigenden Zinsen in Europa und Japan (jeweils erwarte ich in den kommenden Monate eine weitere Zinserhöhung in Japan sowie in Europa) sind ein Wettbewerbsnachteil für den US-Dollar – also fällt er. Es gibt schon wieder eine Vielzahl an Analysen und Prognosen, wann der Wechselkurs ein neues Hoch bei 1,35 USD/EUR erreichen wird. Was ich davon halte werde ich Ihnen im nächsten Kapitel erklären. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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