Alt 26.01.07, 21:17
Standard So tickt die Börse: Verwirrung unter Anlegern
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Am Mittwoch ist Goldman Sachs (GS) plötzlich um 7 US-Dollar angestiegen. Überall in den Medien wurde vermeldet, daß das Geschäft von Goldman Sachs hervorragend sein müsse, denn sonst wäre die Aktie ja nicht so stark angestiegen. Der Immobiliencrash ist nicht so schlimm, wie befürchtet. Die Goldmänner verdienen bestimmt an den großen Private Equity Deals, die derzeit die Wallstreet überschwemmen. Ja, und auch der neue Chef sei ein Glücksgriff, war am Mittwoch in den Medien zu hören.

Am Donnerstag dann fiel die Aktie von Goldman Sachs um 7 US-Dollar. Jetzt hören wir ganz andere Meldungen: Die Rendite der Staatsanleihen bewegt sich auf 5 % zu, das sei zu hoch für die Wirtschaft und für den Finanzsektor. Die Rohstoffpreise schneiden in die Gewinne, der Umsatz in den Skiorten ist rückläufig, usw. Alles ist plötzlich schlimm, denn sonst würde die Aktie der Goldmänner ja nicht so stark fallen, oder?

Alles Quatsch. Wir werden in diesen Tagen mit einer Flut von Quartalsberichten überschwemmt, die wir kaum ad hoc richtig einordnen können.

Apple (AAPL) hat die Erwartungshaltung mit der iPhone-Präsentation angeheizt, dennoch ist die Umsatzprognose nur verhalten ausgefallen. Seagate (STX) hat mit seinen Festplatten gute Umsätze erzielt und dabei auch noch gut verdient, also eine ordentliche Gewinnmarge realisiert. Aber Komag (KOMG), Hersteller der einzelnen dünnen Scheiben, aus denen eine Festplatte besteht, leidet unter Wechselkursschwankungen und geringen Gewinnmargen. EMC (EMC), Anbieter von integrierten, vernetzten Speicherlösungen, sowie IBM vermelden gute Quartalsergebnisse, aber die Aktien werden niedergeprügelt.

Yahoo! (YHOO) vermeldet einen Gewinneinbruch, die Aktien jedoch steigen. eBay (EBAY) hat in den vergangenen Jahren die Erwartungen so weit herunter geredet, daß nun endlich einmal eine positive Überraschung möglich war.

Motorola (MOT) hat Qualitätsprobleme bei seinen Hochqualitäts-Hochpreisprodukten und die Aktie wird ausverkauft – doch ein paar Tage später erfolgt eine Kursrallye. Ist es wegen Qualcomm (QCOM), die es schafften, die mehrfach gesenkten Erwartungen zu übertreffen? Oder wegen Nokia (NOK), die ebenfalls eine niedrig aufgelegte Meßlatte übersprangen? Schwer zu sagen, zumal der künftige Wettbewerb im High-End Segment von Apple's iPhone zu erwarten ist.

Da werden weniger Neubauanträge vermeldet und schwarzmalerische Prognosen für das Jahr 2007 zum Immobiliensektor veröffentlicht. Dennoch steigt die Aktie des Industrieunternehmens United Technologie (UTX) um 8 % an. Otis Fahrstühle gehören zu United Technologies. Wie kann das Geschäft denn brummen, wenn weniger Häuser gebaut werden?

Oder schauen Sie bei den Pharma-Unternehmen: Johnson & Johnson (JNJ) vermeldete ein gutes Quartalsergebnis, aber die Aktie fuhr nach Süden. Am nächsten Tag vermeldete Pfizer (PFE) ein schlechtes Quartalsergebnis, aber die Aktie lief nach Norden. Die Richtung des Marktes ist wichtiger, als die Vorgänge in einzelnen Unternehmen.

Microsoft (MSFT) hat gestern Abend sein Quartalsergebnis vermeldet: Die Xbox360 Umsätze sind schwach, die Spielkonsolen stapeln sich in den Geschäften. Am Preis kann es nicht liegen, dann Microsoft verkauft die Xbox360 mit Verlust, also als Zuschußgeschäft. Hatte doch die Xbox360 in den vergangenen zwei Jahren die Anleger von Microsoft bei Laune gehalten, so scheinen sie sich nun nur noch für die Vista-Einführung zu interessieren, denn allein die Markteinführung von Vista zum 1.2. und von einem neuen Office-Paket etwas später reichen aus, um dem Kurs weiter auf die Beine zu helfen.

Ford (F) vermeldete am Donnerstag einen Jahresverlust von 12,7 Mrd. US-Dollar. In Worten: Zwölfmilliardenundsiebenhundertmillionen. Oder ausgeschrieben: 12.700.000.000,00 USD. Anleger jubelten den Kurs gestern im Tagesverlauf um bis zu 5 % in die Höhe. CEO Mullaly kündigte an, weitere Produktionskapazitäten zu kürzen. Na, das klingt doch super für Toyota, oder? Denn das, was Ford nicht verkaufen wird, kann Toyota verkaufen. Aber die Toyota-Aktien sind gestern um 3,5 % eingebrochen.

Und bei all diesem Durcheinander zieht der US-Dollar plötzlich gegenüber dem Euro an (oh Wunder, sollte Ihr Autor Recht haben?). Doch trotz des festen US-Dollars steigt der Goldpreis ebenfalls an, ein untypischer Zusammenhang. Und auch der Ölpreis scheint wieder etwas anzusteigen, von 52 auf 55 US-Dollar in nur einer Woche kann gut als Rallye bezeichnet werden.


FAZIT:

Nach dieser Flut von Meldungen verfallen insbesondere Hedgefondsmanager schnell in operative Hektik. Wer am schnellsten die Neuigkeiten richtig einordnen kann, der wird am meisten daran verdienen. So ist es in der Branche üblich, zuerst zu schießen und dann zu fragen. Die Börsen sind derzeit so volatil, daß es immer noch eine Chance gibt, zu verträglichen Kursen wieder auszusteigen.

FORD, TOYOTA, GENERAL MOTORS

Nehmen wir beispielsweise Ford: CEO Mullaly macht Ford zu einem mittelgroßen Automobilkonzern. Künftig wird Ford bei weitem nicht mehr die Marktmacht besitzen, die es heute noch hat. Ford braucht einen Partner, beispielsweise Toyota, denen Ford nach dem zweiten Weltkrieg bereits Unterstützung zukommen ließ. Nun könnte sich Toyota für diese Hilfe revanchieren.

Aber wie man es auch dreht und wendet: Ein Turnaround ist noch nicht in Sicht und 12,7 Mrd. USD Verlust ist eine Stange Geld, die in den nächsten Jahren erst einmal wieder verdient werden muß. Dennoch haben Spekulanten die Aktie direkt nach dem Ergebnis erst einmal in die Höhe gejubelt – ich vermute, daß diese Spekulanten sich aber in den nächsten Tagen genauso schnell wieder verabschieden, wie sie gekommen sind.

Denn wirklich profitieren tut von diesem Ergebnis jemand anderes: Toyota. Die Japaner haben mit ihrem Hybrid-Auto den Puls der Zeit getroffen und das, was bei Ford und General Motors an Umsatz wegbricht, kommt bei Toyota hinzu. In diesem Jahr wird Toyota General Motors als weltgrößten Automobilkonzern überholen.

MOTOROLA, NOKIA

Im Mobilfunksektor herrscht ein ruinöser Wettbewerb. Durch die Bank haben alle Handyhersteller in den vergangenen Jahren ihre jeweiligen Umsatzerwartungen zurückgeschraubt. Der Preisdruck ist immer größer geworden, die Entwicklungskosten immer höher. Es wird kaum noch Geld verdient. Bei Motorola hat sich dies im letzten Quartalsergebnis gezeigt, der Aktienkurs ist anschließend eingebrochen. Nokia hat seit knapp einem Jahr eine Seitwärtsbewegung im Kurs erlebt. Ist das gestern veröffentlichte Ergebnis endlich der Durchbruch, wie dies durch den Kurssprung von über 6 % zu vermuten wäre?

Nein, eine Lösung des Margenproblems ist nicht in Sicht. Ich denke, daß Nokia in den nächsten Tagen die 6 % wieder abgeben wird. Wer noch Nokia-Aktien im Depot hat, der sollte diesen Kurssprung nutzen, um sich von ihnen zu verabschieden. Es gibt bessere Aktien.

Ich weiß, es steht mir nicht zu, von Fehlern zu sprechen, die an der Börse geschehen. Aber ich sehe so viele Widersprüche, daß ich Sie nur auffordern kann, die Inhalte der Quartalsberichte zu studieren. Die Kursbewegungen der Aktien sind in diesen Tagen nicht aussagekräftig. Und das, was Sie in den Medien als Gründe für die (unsinnigen) Kursbewegungen serviert bekommen, sollten Sie am besten gar nicht anhören.

Erst in den nächsten Tagen wird sich zeigen, welche Unternehmen ihre Investoren wirklich überzeugen konnten. Und erst in den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob der Ölpreis nun tatsächlich einen Boden gefunden hat, ob der Goldpreis wieder nach oben ausbrechen kann und ob der US-Dollar wirklich wieder fester notiert.

Ich habe gestern ein langes Gespräch mit einem befreundeten Börsenanalyst gehabt, der überwiegend Optionsscheingeschäfte empfiehlt. Er beklagte sich über die Vielzahl von „charttechnischen Fehlsignalen", die im vergangenen Jahr erzeugt wurden. Die Charttechnik bemüht sich, aus den Kursverläufen der Vergangenheit Prognosen für die Zukunft abzuleiten. Dabei werden fundamentale Zusammenhänge genauso außer Acht gelassen wie technische Sondereffekte. Ich denke, daß wir diese Woche auch jede Menge von „charttechnischen Fehlsignalen" erhalten. Schauen Sie nach den Gründen, versuchen Sie zu verstehen, was los ist. Mit einer eigenen Meinung werden Sie gegen solch turbulente Tage, wie wir sie in dieser Woche hatten, gewappnet sein.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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