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Am vergangenen Freitag, leider erst nach dem Versand des Heibel-Tickers, wurde bekannt, dass ein britischer Ölspekulant durch extrem gehebelte Longpositionen alleine verantwortlich war für einen Ölpreisanstieg von etwa 10 USD/Fass. Beim Ölpreis von 72 USD/Fass konnten Sie also von einem Rückgang auf 62 USD/Fass in Folge dieser Meldung ausgehen. Heute steht der Ölpreis unter 60 USD/Fass, ein Rückgang von 11,4%.
Der Ölpreis wird maßgeblich durch Angebot und Nachfrage an der CME, der Chicago Mercantile Exchange, gebildet. Dort treffen sich die Ölkonzerne, die ihr Öl anbieten, mit den Industrieunternehmen, die das Öl für ihre Produktion brauchen. Für beide Parteien ist dieser Handelsplatz eine wichtige Station zur Absicherung des eigenen Geschäfts. Ölkonzerne, die hohe Investitionen zur Förderung des Öls tätigen, wollen frühzeitig Gewissheit über einen mindestens zu erzielenden Preis für das Öl haben und verkaufen daher bereits ihre zukünftige Produktion. Industrieunternehmen, die ihre künftigen Produktionskosten besser abschätzen wollen, können dort bereits heute das Öl kaufen, das sie später für ihre Produktion benötigen. Der Preis ist somit bereits fest, egal wie sich der kurzfristige Ölpreis am Markt entwickelt. Dieser Mechanismus gibt beiden Vertragsparteien Planungssicherheit. Je nach Entwicklung des Ölpreis wird mal der eine, mal der andere froh über seine Absicherung sein, unterm Strich jedoch sind beide Parteien dadurch in der Lage, verlässlich zu kalkulieren und das ist langfristig wichtiger als der kurzfristige Lottogewinn. Anders als beim Aktienmarkt, wo nur Papiere oder digitale Aktienregister gehandelt werden, gibt es für die Rohstofffutures kaum Hinterlegungspflichten. Wenn Sie Aktien auf Kredit kaufen, müssen Sie mindestens 50% des Kaufpreises auf Ihrem Konto haben. Bei Rohstoffen reichen 10%, teilweise sogar weniger. Wenn man den Charakter des Futures-Geschäfts betrachtet, dann ist das auch sinnvoll: Es ist eine Versicherung gegen unvorhersehbare, heftige Preisschwankungen, für die eine Versicherungsprämie hinterlegt wird. Ein Ölkonzern, der ohnehin das Öl produziert, dem ist es nach dem Kauf des Futures egal, wohin der Ölpreis läuft, denn er liefert ja das Öl, das er zu den kalkulierten Kosten produziert hat. Seine Produktionskosten ändern sich ja nicht, nur weil der Verkaufspreis sich ändert (einmal abgesehen von den daraus resultierenden höheren Energie- und Transportkosten, die fallen aber kaum ins Gewicht). Spekulanten, die an diesem Markt teilnehmen, besitzen keine Ölfelder. Sie spekulieren auf eine Preisentwicklung und verkaufen den Future vor Fälligkeit, denn an einer Lieferung sind sie ja gar nicht interessiert. Durch den großen Hebel, der durch die geringe Hinterlegungsvorschrift ermöglicht wird, sorgen schon kleine Ölpreisbewegungen für Millionengewinne ... und –verluste. Diese Spekulationen werden oft von jungen Hochschulabgängern getätigt, die zwar die mathematischen Mechanismen beherrschen, die Märkte und Hintergründe jedoch häufig nicht überschauen. Nun, das Resultat ist ein Ölpreis, der mit dem Angebot und der Nachfrage seitens der Ölkonzerne und Industrie nichts mehr zu tun hat. Ein Ölpreis über 70 USD/Fass ist auf absehbare Zeit utopisch, diese Position vertrete ich seit über 5 Jahren. Niemand konnte aus fundamentalen Gesichtspunkten begründen, wie der Ölpreis letztes Jahr auf 147 USD/Fass steigen konnte. Schlimmer noch: Ölkonzerne schauten diesem Treiben hilflos zu und hatten Angst, diese Preise über das Futuregeschäft für die nächsten Jahre einzutüten. Verständlich, denn schon bei 70 USD/Fass gab es entsprechende Forderungen seitens der Aktionäre, die gleichen Aktionäre, die dann bei 100 USD/Fass die Ölkonzerne auslachten, die ihre künftige Produktion schon zu 70 USD/Fass verkauft hatten. Diese konnten nämlich von dem höheren Ölpreis kaum noch profitieren. Und in dieser Stimmungslage traute sich schließlich kaum ein Konzern mehr, die hohen Ölpreise einzutüten. Selbst bei 147 USD/Fass gingen hoch bezahlte Analysten herum und kalkulierten mit einem Ölpreis von 200 USD/Fass. Nun, es folgte das „Deleveraging", die gehebelten Ölspekulationen fielen in sich zusammen und genau wie nach oben so überreagierte der Ölpreis auch nach unten: Er fiel Anfang des Jahres bis auf 36 USD/Fass. Dort hätte die Industrie aktiv werden müssen und hätte sich den niedrigen Ölpreis für die nächsten Jahre sichern müssen. Doch auch dies geschah kaum, denn hoch bezahlte Analysten gingen nun umher und prognostizierten einen Ölpreis in den niedrigen 20ern. Amaranth ist ein populäres Beispiel eines Hedgefonds im Ölbereich, der in der jüngsten Finanzgeschichte pleite ging. Nicht nur die Industrie und die Ölkonzerne können mit den Ölpreisschwankungen nicht mehr kalkulieren, auch die Spekulanten selbst werden immer wieder auf dem falschen Fuß erwischt. Kein Wunder, denn die Spanne zwischen 147 USD/Fass und 36 USD/Fass ist zu groß, um solche Preisschwankungen auf Änderungen der realen Angebots- und Nachfragesituation zurück zu führen. Und wenn Spekulanten die Preisbewegungen diktieren, dann braucht man sich gar nicht mehr um die Wirtschaft zu kümmern, sondern kann gleich nur noch die Stimmung der Spekulanten abschätzen. Doch das führt zu Problemen in der realen Wirtschaft. Daher gibt es immer wieder Forderungen, die Hinterlegungsanforderungen für Rohstofffutures anzuheben. Das Gegenargument der CME, die natürlich an hohen Umsätzen, an einem hohen Handelsvolumen interessiert ist, lautet, man dürfe die Spekulanten nicht in ihrer Freiheit beschneiden, denn sie sichern die erforderliche Liquidität des Futuremarktes, damit Ölkonzerne und Industrie stets Vertragspartner für ihre Absicherungsgeschäfte finden. Ich halte das für Quatsch. Ohne die Spekulanten mit ihren hoch gehebelten Positionen wäre das Absicherungsbedürfnis der Teilnehmer des realen Marktes wesentlich geringer. Wenn Ihnen also künftig jemand weismachen möchte, Spekulanten würden einen sinnvollen Beitrag für einen liquiden Handel im Rohstoffbereich liefern, dann können Sie entgegnen, dass Spekulanten für die Achterbahnfahrt von 20 auf 147, zurück auf 36 und nun wieder auf 72 USD/Fass Öl verantwortlich sind. Nun wird wieder der Rückwärtsgang eingeschaltet und meine Untergrenze bei 40 USD/Fass wird angepeilt. Wir befinden uns in einer Rezession, daher waren die 70 USD/Fass nicht gerechtfertigt. Bis die Aufschwunghoffnungen mit Beweisen unterlegt werden sollte der Ölpreis aus realwirtschaftlicher Sicht deutlich unter 50 USD/Fass notieren. Alles andere ist Spekulation. Das Irrwitzige und in meinen Augen Gefährliche an dieser Situation ist, dass viele wirtschaftliche Einschätzungen aus dem Ölpreis abgeleitet werden. Wenn der Ölpreis steigt, dann muss die Wirtschaft doch anziehen, oder? Warum sonst würde mehr Öl nachgefragt? Nun, vor dem Hintergrund meiner obigen Ausführungen können Sie diesen Indikator vorerst ad acta legen, die Ölpreisentwicklung ist kein Barmometer für die Konjunktur, solange sie in der Hand von Spekulanten liegt. Dennoch wurde diese Woche der Ölpreiseinbruch um 11,4% auf die Konjunktur übertragen: Es sieht wohl doch alles viel schlimmer aus, als der Ölpreis uns noch vor 10 Tagen hat glauben lassen. Entsprechend sind auch die Aktienindizes in der abgelaufenen Woche kräftig unter Druck geraten. Schauen Sie selbst: INDIZES (09.07.2009) Dow Jones: 8.183 | -1,2% DAX: 4.629 | -1,9% Nikkei: 9.287 | -5,4% Euro/US-Dollar: 1,390 | -0,7% Euro/Yen: 128,21 | -4,5% 10-Jahre-US-Anleihe: 3,33% | -0,2 Umlaufrendite Dt: 3,06% | -0,1 Feinunze Gold USD: $909,80 | -2,4% Fass Crude Öl USD: $58,88 | -11,4% Baltic Dry Shipping I: 3.018 | -17,8% Die Rendite der Anleihen ist stark zurück gegangen, gleichzeitig ist aber auch der Goldpreis gefallen. Das verstehe ich nicht: Als Indikator für ein gestiegenes Sicherheitsbewusstsein aus Angst vor einer anhaltenden Rezession würde ich erwarten, dass der Goldpreis vor diesem Hintergrund ansteigt. Meine erste Vermutung ist jedoch, dass auch der Goldpreis inzwischen phasenweise der allgemeinen Börsenentwicklung folgen muss, da viele Fonds und ETFs, die verschiedene Rohstoffe enthalten, derzeit Mittelabflüsse verzeichnen, Mittel, die dann in Anleihen gesteckt werden. Da das Gold nur eine Komponente in solchen Fonds und ETFs ist, gerät der Goldpreis mit unter Druck. Dies dürfte sich jedoch umkehren, wenn erst einmal genügend Mittel umgeschichtet wurden. Danach sollte dann der Goldpreis wieder anziehen. Wer noch kein Gold hat, der sollte meiner Ansicht nach bereits ab Preisen unter 930 USD/Unze zugreifen. Für Nachkäufe würde ich auf Preise unter 880 USD/Oz warten. Der Nikkei ist eingebrochen, parallel dazu ist der japanische Yen angestiegen. Der Zusammenhang ist einfach: Ein steigender Yen verteuert die Exporte der Exportnation Japan und schmälert somit die Gewinne der japanischen Unternehmen wie Sony und Toyota. Während die Kurse purzeln, werden Analysten wieder mutiger. Das Sentiment der Analysten hat sich in der vergangenen Woche deutlich aufgehellt. Privatanleger hingegen werden von der negativen Berichterstattung erfasst und verfallen offensichtlich ebenfalls in Pessimismus. Schauen Sie selbst: SENTIMENTDATEN ANALYSTEN: Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 19.-26. Jun (137): 75% / 25% 26.-03. Jul (159): 65% / 35% 03.-10. Jul (140): 73% / 27% ANALYSTEN KAUF SAP, Fielmann, BASF ANALYSTEN VERKAUF Leoni, ST Microelectronics, Eli Lilly PRIVATANLEGER: Aktuell 47% Bullen (-5%, 78 Stimmen) Durchschnittlich erwarteter DAX-Endstand für heute: 4.648 PRIVATANLEGER KAUF Infineon, Evergreen Solar, Solarworld PRIVATANLEGER VERKAUF E.On, Allied Irish Banks (AIB) Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel Mittwoch hat der US-Aluminiumhersteller Alcoa traditionsgemäß die Berichtssaison eröffnet. Das Ergebnis war nicht ganz so schlecht wie befürchtet, also hatten wir gestern an den internationalen Börsen einen Tag der Erholung. Doch Sie sollten einmal in die Aussagen des CEOs schauen, da bekommen Sie Angst: Er sagte unmissverständlich, dass China ein super Konjunkturpaket am Laufen hat und dass jegliche positive Entwicklung, die Alcoa in den vergangenen Monaten beobachten konnte, auf dieses chinesische Konjunkturpaket zurückzuführen sei. Darüber hinaus sei die Kostensituation Alcoas nur deswegen so gut, weil in den USA ein Haufen Mitarbeiter (9.000) gefeuert wurden. Das Konjunkturprogramm Obamas hätte keinerlei Wirkung für Alcoa entwickelt und es sei auch absehbar, dass dies in Zukunft nicht der Fall sein werde. Ich habe dies schon vor einigen Wochen beschrieben: China hat seine Lektion im Fach freie Marktwirtschaft und Kapitalismus gelernt und das Land hat es geschafft, eine wirtschaftliche Krise frühzeitig abzuwenden. Leider auf dem Rücken der Bevölkerung, nicht umsonst gibt es wieder heftige Unruhen im Land der aufgehenden Sonne. Doch für uns ist diese Information viel wert: Vergessen Sie Unternehmen, die ihr Geschäft hauptsächlich auf die USA abgestellt haben. Vergessen Sie also die dortigen lokalen Unternehmen und vergessen Sie die deutschen Exporteure, deren wichtigster Handelspartner die USA ist. Wachstum kommt aus China. Wachstum kommt vielleicht noch aus Osteuropa, dessen Situation bei weitem nicht so schlecht ist, wie vor wenigen Wochen in den Medien behauptet. Und Wachstum kommt vielleicht, wenn Angie sich Mühe gibt, aus der eigenen Wirtschaft. Nicht aber von den USA. Die USA haben einen hoch angesehenen Präsidenten, der eine Agenda hat, die jeden Marktwirtschaftler erschauern lässt. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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