Alt 11.03.12, 07:11
Standard So tickt die Börse: Griechenland ist vom Tisch
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Seit Dezember kennt die Börse nur noch eine Richtung: Gen Norden. Haben wir da nicht noch ein Schreckensgespenst, mit dem wir Privatanlegern die Angst in die Knochen treiben können? Na klar, Griechenland! Ein Gefallener kann sich nicht einmal mehr wehren. Und wer eine schnelle Reaktion der Euroländer fürchtet, der hat das Prinzip der eigenständigen Nationalstaaten nicht verstanden. Denn, um im Notwendigen Einmütigkeit herzustellen, bedarf es im Euroland mindestens 24 Stunden.

Und das reicht, um Verwirrung zu stiften, zu der sich viele zu Wort melden, die keine Ahnung haben. Was haben wir am Dienstag für einen Unsinn gehört: Wie hoch muss die Annahmequote sein: 60%, sonst ist Griechenland gescheitert? Nein, zwei Drittel waren es. Oder vielleicht doch 75%? Nun, ohne die erforderlichen 95% könne nicht verhindert werden, dass die Kreditausfallversicherungen aktiviert werden – und dann droht uns doch ein Lehman-Szenario, oder?

Ich habe in diesem Wirrwarr ebenfalls nicht mehr durchgeblickt und beschränkte mich auf die Feststellung, dass Kanzlerin Angela Merkel seit dem 10. Dezember alles richtig gemacht hat – und damit standen die Chancen recht gut, dass sie auch die freiwillige Umschuldung Griechenlands im Griff hat. Egal, was für Horrormärchen verbreitet wurden. Entsprechendes schrieb ich in einem Update an die PLUS-Kunden, wir haben also die niedrigen Kurse zum Nachkaufen genutzt.

Überrascht war ich sodann jedoch davon, wie schnell diese Gerüchte sich dann verflüchtigten. Schon am Mittwoch kamen Zweifel an dem Horrorszenario auf, und am Donnerstag schien wieder die Sonne auf dem Parkett. Das spricht wirklich für den Gesundheitszustand unseres Bullenmarktes.

Heute wird die Annahmequote von 85,8% als Erfolg gefeiert. Griechenland will die verbleibenden Investoren zwingen, ebenfalls auf 75% ihrer Forderungen zu verzichten, und somit werden nun die Ausfallversicherungen aktiviert. Von den „unabsehbaren Folgen“ ist tatsächlich nicht viel zu sehen.

70 Mrd. USD soll das Volumen der Kreditausfallversicherungen auf Griechenland weltweit betragen. Da die meisten Teilnehmer an diesem Pokertisch sowohl solche Verträge ge- als auch verkauft haben, ist der letztlich zu zahlende Betrag, der unser Finanzsystem belasten könnte, wesentlich kleiner. Man schätzt ihn auf etwa 3 Mrd. USD. Damit kann das Weltfinanzsystem nicht aus den Angeln gehoben werden.

Wohl aber werden einige Teilnehmer auf dem falschen Fuß erwischt worden sein und Pleite gehen. Ich rechne damit, dass wir in den nächsten Wochen eine kleine Pleitewelle bei Hedgefonds und anderen institutionellen Anlegern erleben werden. Doch das dürfte dann tragisch für die entsprechenden Unternehmen sein, nicht aber darüber hinaus Wellen schlagen.

In einer Umfrage vor zwei Wochen haben Anleger die Erwartung formuliert, dass Griechenland im weiteren Jahresverlauf wieder auf die Tagesordnung zurückkehrt. Ich denke, diese Erwartung wird sich nicht mehr erfüllen. Für ein bis zwei Jahre haben wir nun Ruhe.

„Wir“ heißt in diesem Fall natürlich „wir Anleger“. Es gibt viele Probleme in Griechenland, und wir werden immer wieder Berichte darüber sehen, wie schlimm alles dort unten ist. Doch für die Börse dürfte das Thema vorerst keine Relevanz mehr haben.

Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche entwickelt haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (08.03.2012) | DIFF

Dow Jones: 12.908 | -0,6%
DAX: 6.834 | -1,6%
Nikkei: 9.769 | -0,1%
Euro/US-Dollar: 1,328 | 0,0%
Euro/Yen: 108,27 | -0,1%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,01% | 0,0
Umlaufrendite Dt: 1,50% | 0,0
Feinunze Gold USD: $1.700,90 | -0,8%
Fass Brent Öl USD: $125,33 | -1,3%
Kupfer in US$/to: 8.340 | -3,4%
Baltic Dry Shipping I: 812 | 6,4%



So schnell und überraschend, wie der Ausverkauf erfolgte, so schnell haben die meisten Aktienindizes ihre Verluste auch wieder aufgeholt. Lediglich der DAX leidet noch etwas stärker als seine japanischen und amerikanischen Geschwister, denn hier in Deutschland haben nun einige große Unternehmen zusätzliche Millionen abzuschreiben (Commerzbank, Allianz, Münchener Rück, ...).

Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
17.02.- 24.02. (251): 49% / 9%
24.02.- 02.03. (215): 42% / 12%
02.03.- 09.03. (178): 54% / 11%

Kaufempfehlungen der Analysten
Dt. Post, Henkel, Adidas

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Carrefour, SMA Solar, Peugeot

Privatanleger
08. KW: 67% Bullen (131 Stimmen)
09. KW: 70% Bullen (134 Stimmen)
10. KW: 58% Bullen (147 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Société Générale, Salzgitter, Vivendi

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Haulotte, Veolia Environnement, Solarworld


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel

Privatanlegern sitzt der Schock vom Dienstag in den Knochen. Nach vielen Wochen des Optimismus wurde ihnen vor Augen geführt, wie schnell sich das Blatt an der Börse wenden kann, und so brachen die Bullen von 70% auf 58% ein.

In meinen Augen ist das eine gesunde Entwicklung in einem Bullenmarkt: Überschwänglicher Optimismus muss abgebaut werden. Dass dies so schnell und heftig erfolgte, ist natürlich nichts für schwache Nerven.

Analysten arbeiten mit komplexen Rechenmodellen, um ihre Kursziele auszuarbeiten. Brechen die Kurse plötzlich ein, ohne dass sich fundamental etwas geändert hätte, was ins Rechenmodell aufgenommen werden könnte, dann liegen die ursprünglichen Kursziele plötzlich deutlich über den aktuellen Kursen, was zu dem „Sprung im Optimismus“ der Analysten führt. Ich würde diesem Umstand also höchstes zuschreiben, dass Analysten diesen Einbruch als Einstiegsgelegenheit gesehen haben müssen – sofern sie die Nerven behalten haben.

Meine Gesprächspartner haben das nicht, ich war der Einzige, der stoisch seine Nachkaufliste abarbeitete.

Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt:

Firma | Analyse vom | Kurs | Ziel | Upside

Dt Forfait | 08.03 | 2,80€ | 5,50€ | 96,43%
WILEX AG | 05.03 | 3,39€ | 6,50€ | 91,74%
Hugo-BossVZ | 07.03 | 81,21€ | 130,80€ | 61,06%
QSC AG | 06.03 | 2,32€ | 3,70€ | 59,48%
Adidas | 07.03 | 58,22€ | 91,70€ | 57,51%
BECHTLE AG | 08.03 | 31,37€ | 47,00€ | 49,82%
ADIDAS AG | 09.03 | 46,80€ | 70,00€ | 49,57%
CENTROTHERM | 09.03 | 11,08€ | 16,00€ | 44,40%
MORPHOSYS | 08.03 | 18,94€ | 27,00€ | 42,56%



Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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