Alt 27.01.12, 21:53
Standard So tickt die Börse: Zickenalarm
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Na, wird Ihnen langsam schwindelig? 11,2% hat der DAX in diesem jungen Jahr schon zulegen können. Für die meisten Fondsmanager wäre das bereits eine ausreichende Performance für zwei Jahre. Der DAX hat nicht einmal einen Monat dafür gebraucht. Wo soll es nun noch hingehen?

Derweil wird aus Berlin Zickenalarm gemeldet: Madame Lagarde, Chefin des IWF, und Angela Merkel, unsere Chefin, haben nach einem Treffen nicht einmal ausreichend übereinstimmende Ansichten für eine gemeinsame Presseerklärung, wie nach solchen Treffen üblich, gefunden. In das erste Mikrofon, das Madame Lagarde am nächsten Tag zu greifen bekam, trötete sie, dass Deutschland eine größere Last der Euro-Schuldenkrise zu tragen habe. Und überhaupt müsse der EFSF aufgestockt werden – und raten Sie einmal, wer den Löwenanteil einzahlen würde.

„Mehr Geld aus Deutschland“ passt in die Politik Frankreichs, als Madame Lagarde noch Finanzministerin von Sarkozy war: Eurobonds wurden immer wieder aufgetischt, eine stärkere Verantwortung der EZB wurde gefordert (sprich: Mehr Aufkaufen von Staatsanleihen auf eigenes Risiko). Und schon damals forderte Frankreich Deutschland wiederholt auf, mehr für die eigene Konjunktur zu tun, da diese dann die anderen europäischen Länder stützen könne.

Vor allem verurteilt Madame Lagarde bei jeder Gelegenheit den Sparzwang, den „die Deutschen Europa aufzwingen“. Dieser führe in eine Rezession.

Ja, recht hat sie... aber! Sie hat recht, wir können uns nicht nur gesund sparen, es müssen auch konjunkturelle Anreize gegeben werden, um die Haushaltskonsolidierung der Club Med Länder in der Wirtschaft aufzufangen. Aber die Reihenfolge ist mir wichtig: Zuerst muss gespart werden! Zuerst müssen insbesondere die Griechen zeigen, dass sie in der Lage sind, ein europäisches Niveau in der Verwaltung aufzubauen.

Und erst im zweiten Schritt, wenn die richtigen Sparmaßnahmen unter dem Druck der Geldnot durchgesetzt wurden, erst dann kann man an die Konjunkturförderung denken.

Die richtigen Maßnahmen, eine Fiskalunion mit automatischem Sanktionsmechanismus, wie von Merkel am 10. Dezember gefordert, sind schon wieder in weite Ferne gerückt. Es gibt keinen Automatismus im Vorschlag, der am Montag verabschiedet werden soll, sondern es muss ein Land der EU ein anderes formal anzeigen und sich somit zum Buhmann machen, bevor ein Sanktionsmechanismus gestartet werden kann.

Wir sind damit heute schon wieder auf dem weichgespülten Niveau von 1992, als die Maastricht-Kriterien festgelegt wurden ohne sich darauf zu einigen, was im Fall eines Vergehens zu geschehen hat. Und ich will mir die ganzen Nazi-Karikaturen von Angela Merkel in der italienischen Presse gar nicht vorstellen, wenn Italien von uns angezeigt werden müsste.

Aber wie angekündigt wird dieses weichgespülte Ergebnis als Erfolg verkauft. Und entsprechend werden die Märkte weiterhin in einer positiven Grundstimmung belassen.

Einziger Dorn im Auge der Politiker Europas ist nach wie vor Griechenland. Die Verhandlungen mit den privaten Gläubigern, also den Banken und Hedgefonds, kommen nicht voran. Der geforderte Einsparbetrag wird auf freiwilliger Basis wohl nicht erzielt, Forderungen werden laut, die EZB und damit die einzelnen europäischen Länder daran zu beteiligen...

...ein weiterer Dammbruch! Die EZB hatte für ihre unterstützenden Anleihekäufe die Garantie der einzelnen europäischen Länder verlangt, für Zahlungsausfälle zu haften. Und die einzelnen europäischen Länder, insbesondere die Bundesrepublik, hatten in ihren Regierungsentscheidungen stets darauf verwiesen, dass es sich „nur um Garantien“ handle, nicht um Zahlungen.

Das Verfassungsgericht hat die Gesetzeslage stark strapaziert und auch darauf hingewiesen, um die damalige Aktion noch durchgehen zu lassen. Ein Einknicken gegenüber der Forderung, die EZB am freiwilligen Schuldenschnitt zu beteiligen, würde den Klägern vor dem Verfassungsgericht im Nachhinein recht geben – doch das Urteil ist gefallen.

Ach je, soviel Politik in einem Börsenbrief. Doch diese Entwicklungen sind wichtig um zu verstehen, dass entgegen aller Behauptungen die Liquiditätsschleusen bereits weit geöffnet sind und dass wir uns mit den inflationären Tendenzen abfinden müssen.

Und diese Entwicklungen sind wichtig um zu verstehen, warum sich die Märkte langsam wieder auf die Aktienunternehmen konzentrieren können. Die Politik ist „in die Spur gesetzt“, es werden die erforderlichen Maßnahmen ergriffen, um ein Abschliddern in die Rezession oder auch eine Insolvenz einer großen europäischen Bank zu verhindern, und somit schauen Anleger wieder genauer auf die Geschäftsentwicklungen einzelner Unternehmen.

QUARTALSBERICHTE

Diese Woche gab es gleich eine ganze Reihe von Unternehmensmeldungen und Quartalsberichten. Allen voran hat Apple natürlich sämtliche Erwartungen pulverisiert. iPhone und iPad sind entgegen aller Unkenrufe die erfolgreichsten Verkaufsschlager des Weihnachtsgeschäfts. Apple revolutioniert einen Markt nach dem anderen.

Auch Samsung hat mit seinem Galaxy und Galaxy Note Erfolge zu feiern. So konnte das Unternehmen den besten Unternehmensgewinn der Unternehmensgeschichte ausweisen – doch von den Wachstumsraten von Apple ist man weit entfernt.

Der dritte im Bunde, Research in Motion mit seinen Blackberrys, beugte sich hingegen dem Druck der Anleger und wechselte die Unternehmensspitze aus. Blackberry hat rückläufige Kundenzahlen zu beklagen. Lange Zeit galt das eigene Mailsystem des Unternehmens als großer Wettbewerbsvorteil: Es galt als ausfallsicher und kann die ausgetauschten Mails gegen den Einblick Dritter besser schützen als die offenen Systeme der Wettbewerber. Doch im Sommer letzten Jahres fiel das Mailsystem in London, auf das Blackberrys weltweit zugreifen, für mehrere Tage aus.

Was nutzt also die hohe Sicherheit, wenn das System nicht verfügbar ist? All die Kritiken an den fehlenden Sicherheitsmechanismen beim iPhone wurden dadurch ad acta gelegt.

Für das Blackberry wird nun also eine neue Strategie gesucht. Aktionäre von Research in Motion haben das Gründerduo Mike Lazaridis und Jim Balsillie gedrungen, die Führung abzugeben. So wurde nun ein Deutscher, Thorsten Heins, CEO des Unternehmens, das Gründerduo zieht sich in den Aufsichtsrat zurück.

Heins kommt ursprünglich von Siemens und ist seit vier Jahren COO (Chief Operating Officer) bei den Kanadiern. Der COO setzt in der Regel das um, was die Führung beschließt. Ich habe mich gefragt, wo hier der Strategiewechsel herkommen soll.

Dann habe ich ein Interview mit Heins gesehen. Er lobte darin die tiefen Marktkenntnisse des Gründerduos und betonte, dass er sich auf deren Rat verlassen könne und werde. Mit anderen Worten: Er wird weiterhin die Entscheidungen des alten Managements umsetzen. Neue Strategie? Fehlanzeige.

Es gibt einen Zeitpunkt, an dem sind kreative Gründerköpfe in einem Weltkonzern nicht mehr die richtige Führungsspitze. Strategen werden benötigt. Doch dieser Wechsel lässt bei Research in Motion auf sich warten.

Lassen Sie sich nicht von dem augenscheinlich günstigen Bewertungsniveau der Aktie blenden: Das KGV steht nur noch bei 5. Doch eine Aktie, die von 90 auf 12 Euro fallen kann, kann auch noch von 12 auf 3 Euro fallen. Ja, das Unternehmen hat seinen Wert. Doch solange kein Strategiewechsel stattfindet, wird dieser Wert weiter abnehmen. Daher würde ich trotz des augenscheinlich günstigen Bewertungsniveaus die Finger von dieser Aktie lassen.

SAP hat diese Woche wieder von sich reden gemacht: Eine operative Marge von 35% wurde als Ziel ausgegeben und ein Umsatzplus von 20% für das laufende Jahr. Damit setzt sich SAP von der ERP-Branche (Unternehmenssoftware) weit ab. Oracle hatte ja zuletzt schwache Zahlen vorgelegt und jede Menge Schuldige dafür verantwortlich gemacht - einschließlich der schlechten Konjunktursituation in Europa. Doch von schlechter Konjunktur in Europa sieht SAP nichts.

HANA heißt das Zauberwort bei SAP. Das steht für „In-Memory Appliance“ – fragen Sie mich nicht, wie SAP auf die Abkürzung HANA gekommen ist – und liefert genau das, was ich Ihnen vor einigen Wochen so vollblumig beschrieben habe: Datenauswertung in Echtzeit. Soeben erfasste Daten werden umgehend analysiert und entsprechende Auswertungen werden zur Verfügung gestellt – in Echtzeit.

Um etwas besser zu verstehen, was dahinter steht, fällt mir nur das Beispiel der Tibco-Software für Amazon ein: Wenn Sie bei Amazon nach einem bestimmten Artikel suchen, erhalten Sie gleich eine ganze Reihe von alternativen Vorschlägen bis hin zu komplementären Produkten, die das von Ihnen gesuchte sinnvoll ergänzen könnten.

Es werden Kaufverhalten anderer Käufer analysiert, die etwas ähnliches gesucht haben, und daraus werden dann Vorschläge und Werbungen generiert. Ich gebe zu, ich habe auch schön häufiger einen Vorschlag dankbar angenommen. Eine extrem individuelle und gezielte Werbung ist möglich.

Das verbirgt sich hinter dem Bullenmarkt der Rechenzentren. Die Datenbanken werden nicht mehr gefüllt und nachts mit diversen Auswertungsprogrammen durchforstet, sondern die Datenbanken sowie die Auswertungsprogramme werden im Arbeitsspeicher der Server untergebracht und erledigen die ehemals für die Nacht vorgesehenen aufwändigen Berechnungen „on the fly“, also in Echtzeit.

Wenn Sie sich also überlegen, ob Ihr Computer 4, 8 oder gar 16 GB an Arbeitsspeicher benötigt, so stellen Sie sich die Server für diese Aufgabe mit Arbeitsspeichern in der Terrabyte-Liga vor. Zudem ermöglichen die SSDs, die Flash-Memories, einen wesentlich schnelleren Zugriff auf Festplatten als bislang und können somit teilweise als erweiterter Arbeitsspeicher gesehen werden.

Dell liefert zwar die Gehäuse für diese Server, doch das kostet nichts. Intel liefert die Prozessoren, die mit diesen gigantischen Arbeitsspeichern kommunizieren können. So können Sie vielleicht nun etwas nachvollziehen, warum die Aktien von Intel wie Phoenix aus der Asche von 13,50 auf 20 Euro gesprungen sind.

Nachdem also die Euro-Schuldenkrise etwas von den Titelseiten verschwunden ist, schauen Anleger wieder verstärkt auf Unternehmen. Und dort unterscheiden sie zwischen gut und schlecht, auch das ist eine gesunde Entwicklung. Vor einigen Wochen wurden die Märkte gemeinschaftlich bewegt, inzwischen können Sie immer wieder beobachten, wie einzelne Unternehmen einer Branche steigen während die Wettbewerber, die vielleicht nicht so gut aufgestellt sind, fallen.

Wer in der Technologiebranche nicht in den Bereichen Cloud (inklusive Echtzeit-Datenverarbeitung), mobile Datennetze (G3, G4) oder soziale Netze aufgestellt ist, der beklagt sich über die schwache Konjunktur in Europa. Die anderen gewinnen Marktanteile.

Schauen wir einmal, wie die einzelnen Indizes auf diese Entwicklungen reagiert haben:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (26.01.2012) | DIFF

Dow Jones: 12.735 | 0,9%
DAX: 6.540 | 1,9%
Nikkei: 8.841 | 0,9%
Euro/US-Dollar: 1,310 | 1,3%
Euro/Yen: 100,96 | 1,1%
10-Jahres-US-Anleihe: 1,93% | 0,0
Umlaufrendite Dt: 1,58% | 0,1
Feinunze Gold USD: $1.718,00 | 4,0%
Fass Brent Öl USD: $110,69 | -0,4%
Kupfer in US$/to: 8.566 | 2,9%
Baltic Dry Shipping I: 753 | -15,7%



Erneut hat der DAX seine internationalen Geschwister abgehängt. Der DAX hat nicht nur eine Menge nachzuholen, gleichzeitig hat sich gezeigt, dass Deutschland bestens aufgestellt ist, um von einem Konjunkturaufschwung in Europa zu profitieren. Wie lange wird das wohl noch so weitergehen?

Schauen wir und nun noch die Stimmung unter Anlegern und Analysten an:

SENTIMENTDATEN

Analysten
Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen
05.01.- 13.01. (588): 57% / 9%
13.01.- 20.01. (561): 51% / 11%
20.01.- 27.01. (263): 51% / 12%

Kaufempfehlungen der Analysten
SAP, Apple, Ericsson

Verkaufsempfehlungen der Analysten
Q-Cells, Banco Bilbao, Software AG

Privatanleger
02. KW: 61% Bullen (136 Stimmen)
03. KW: 64% Bullen (137 Stimmen)
04. KW: 60% Bullen (142 Stimmen)

Kaufempfehlungen der Privatanleger
Apple, Solon, Commerzbank

Verkaufsempfehlungen der Privatanleger
Q-Cells, Nationalbank of Greece, BNP Paribas


Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel


Anleger und Analysten werden vorsichtiger. Kein Wunder nach 11,2% Plus in weniger als einem Monat. Insbesondere der -14,7% Schock des Jahres 2011 sitzt den Anlegern noch in den Knochen und weitere Gewinnmitnahmen würden mich nicht überraschen.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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