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"unfriend" könnte durch Facebook schon bald ins englische Wörterbuch aufgenommen werden - "entfreunden". Der Börsengang von Facebook war ein Skandal in jeglicher Hinsicht. Lassen Sie uns den Ablauf einmal aus meiner Perspektive betrachten:
28-34 USD sollte der Ausgabepreis je Aktie ursprünglich sein. Aktien im Wert von 10 Mrd. USD sollten ausgegeben werden. Anhand dieser Eckdaten kalkulierten professionelle Anleger ihren Bedarf an Aktien: Wie viele Aktien brauchen wir für unsere Fonds (Fondsgesellschaften), wie viele Aktien wollen unsere Kunden wohl haben (Broker). Wie viele Aktien werden die anderen wohl haben wollen. An der Wallstreet verbreitete sich die Kalkulation, dass wohl etwa ein doppelt so hohes Volumen gezeichnet würde. So zeichneten viele ein wenig mehr Aktien, als sie tatsächlich haben wollten, in der Hoffnung, damit ihren Bedarf dann gedeckt zu bekommen. Dann hob das Konsortium von Banken, die den Börsengang organisierten, angeführt von Morgan Stanley, den Ausgabepreis je Aktie von 28-34 auf 34-38 USD an. Das war nicht überraschend, viele hatten damit gerechnet. Ich hatte es Ihnen sogar angekündigt. Oh Wunder, zu bis zu 38 USD wollten nicht mehr so viele Anleger die Aktien zeichnen, wie zu bis zu 34 USD. So sank zum einen die Bereitschaft, Aktien zu zeichnen, und zum anderen sanken die nachgefragten Stückzahlen bei denen, die eine bestimmte Summe für den Börsengang von Facebook vorgesehen hatten. Bis hierhin verlief alles nach Plan, und so sah es am Tag vor dem Börsengang noch danach aus, als bekämen wir den größten Börsengang der Geschichte relativ reibungslos über die Bühne. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse: Am Abend vor dem Börsengang, also Donnerstag vor einer Woche, kontaktierte Morgan Stanleys Börsengang-Team die Anteilseigner von Facebook und fragte, ob sie nicht noch mehr Aktien an die Börse geben wollten. Die Nachfrage sei ausreichend für eine Erhöhung des Ausgabevolumens. Zuckerberg und andere Anteilseigner stimmten freudig zu, und so ergab sich plötzlich ein Emissionsvolumen von 16 Mrd. USD, also um 60% mehr als ursprünglich geplant. Als diese Meldung veröffentlicht wurde, fürchteten diejenigen Zeichner, die mehr gezeichnet hatten als sie eigentlich brauchten, zuviel Aktien zugeteilt zu bekommen. Und tatsächlich stellte sich in den kommenden Tagen heraus, dass die meisten Anleger alle Aktien erhielten, die sie gezeichnet hatten. Doch diese Information stand den meisten Anlegern, insbesondere den Privatanlegern und auch den kleinen institutionellen Anlegern, für lange Zeit nicht zur Verfügung. Die Nasdaq hatte nämlich Softwareprobleme mit dem Börsengang. Die Notierung wurde erst mit einer halben Stunde Verspätung gestartet, und es dauerte den ganzen Tag, bis Anleger erfuhren, wie viele Aktien ihnen überhaupt zugeteilt wurden. So segelten die Aktionäre von Facebook am Tag des Börsengangs im Ungewissen: Niemand konnte ihnen sagen, wie viele Aktien sie nun tatsächlich im Portfolio hatten. Nervös begannen einige umgehend zu verkaufen. Dieser Vorgang, die späte drastische Ausweitung des Emissionsvolumens sowie der Softwarefehler bei der Nasdaq sind schon Skandal genug. Doch der wahre Skandal kam erst einige Tage später zu Tage: In der Nacht zum Börsengang, also Donnerstag Nacht, wurde die Unternehmensstudie zu Facebook von Morgan Stanley überarbeitet. In den Tagen zuvor hatte General Motors in einer kleinen Notiz verkündet, das Werbebudget von 10 Mio. USD, das jährlich für Facebook vorgesehen war, zu streichen. Ersatzlos! Man glaube an Facebook als wichtigen Marketingweg, doch nicht über Werbebanner sondern über die intelligente Pflege von Facebook-Seiten. Dafür werde man weiterhin 20 Mio. USD im Jahr ausgeben - die natürlich bei den Betreuern der Facebook-Webseiten landen, nicht aber bei Facebook. Diese Meldung nahm der Analyst von Morgan Stanley zum Anlass, seine Schätzungen für Facebook zu überarbeiten, und so kürzte er die Gewinnerwartung für 2012 von 0,51 auf 0,48 USD im laufenden Jahr und von 0,88 auf 0,83 USD im Jahr 2013. Ein Unternehmen, das auf einem KGV von 74 notiert, muss stets seine Analysten so anleiten, dass noch Raum für positive Überraschungen besteht. Eine Prognosekürzung darf niemals erfolgen, schon gar nicht vom führenden Börsengang-Organisator wie Morgan Stanley. Schon heute ist das Unternehmen ambitioniert bewertet, wenn wir die ursprünglichen Prognosen für das Jahr 2015 (ja, zweitausendfünfzehn!) betrachten. So ist das eben bei Marktführern in der Internetbranche. Es darf dann aber nicht das Geringste schief gehen. Beim ersten Anzeichen dafür, dass etwas an den Aussichten nicht stimmen könnte, wird ohne Rücksicht auf Verluste verkauft. Schlimm genug, dass die Annahmen, mit denen man wochenlang auf roadshow ging, um Anleger für den Börsengang zu begeistern, in der Nacht zum Börsengang für falsch erklärt werden. Schlimmer noch ist jedoch, dass dies heimlich geschah. Morgan Stanley hat nur eine kleine, ausgewählte Schar von besonders guten Kunden (sprich: besonders reich!) angerufen und über die Prognosekürzung informiert. Der Börsengang mit 60% mehr Aktien als zunächst geplant, erfolgte also am Freitag ohne besondere Information der Zeichner über die Prognosekürzung, und die wenigen informierten Kunden konnten ihre Zuteilung in den ersten Stunden verkaufen, Privatanleger kauften was das Zeug hielt und wunderten sich, dass der Kurs dennoch so stark fiel. Erst am Nachmittag wurde die Prognosesenkung bekanntgegeben. Inzwischen war der Kurs schon von seinem ersten Eröffnungshoch bei 42 USD auf 38,50 USD gerutscht. Fazit: Morgan Stanley behauptet, man habe sich entsprechend aller einschlägigen Gesetze korrekt verhalten. Einige wenige Reiche konnten auf Kosten der weniger Reichen Gewinne erzielen, und der Hauptakteur stellt sich hin und behauptet, es sei alles fair gelaufen. Wundert es Sie, dass Banken immer mehr ihres einstmals guten Rufes einbüßen? Es ist wohl kaum mehr als eine Randnotiz wert, dass der Untersuchungsausschuss der Lehman Brother Pleite gestern nach dreijähriger Untersuchungsarbeit feststellte, dass alles im gesetzlichen Rahmen verlief. Keine Anklage, kein Vorwurf für das Unternehmen, das unser Weltfinanzsystem an den Rand des Abgrunds führte. Schauen wir einmal, wie sich die einzelnen Indizes diese Woche entwickelt haben: WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES INDIZES (24.05.2012) | Woche ? Dow Jones: 12.530 | 0,7% DAX: 6.316 | 0,1% Nikkei: 8.580 | -0,4% Euro/US-Dollar: 1,26 | -1,0% Euro/Yen: 100,00 | -0,5% 10-Jahre-US-Anleihe: 1,76% | 0,1% Umlaufrendite Dt: 1,16% | 0,0% Feinunze Gold: $1.562,8 | -0,8% Fass Brent Öl: $106,73 | -0,1% Kupfer: $7.632 | -0,4% Baltic Dry Shipping: $1.058 | -6,9% ANGST VOR BESSERUNG IN EUROPA Angst der Bären würde ich für den dreimaligen Kursanstieg des Dow Jones in der letzten Handelsstunde verantwortlich machen. Angst davor, dass Angela Merkel plötzlich einen Projekt-Bonds aus dem Hut zaubert. Angst vor einer Umfrage in Griechenland, die vielleicht überraschend einen Zuwachs bei den Euro-Treuen Parteien attestiert. Angst vor einem beherzten Eingreifen der EZB. Angst vor ... Denn Europa ist am Boden, und an den Börsen ist es inzwischen im Kursniveau enthalten, dass Griechenland den Euro abgeben wird. Es konzentriert sich alles bereits auf Spanien, das nächste Land, das seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Und auf Merkel ist Verlass, sie blockt alle Hilfegesuche der traditionellen Weichwährungsländer, der Club-Med Länder, ab. Dennoch: Nichts wäre für Deutschland schlimmer als ein Auseinanderbrechen des Euros. Der schwache Euro beschert unser exportorientierten Industrie dicke Umsätze und Gewinne. Je länger diese Euro-Krise anhält, desto besser für Deutschland - solange das System eben nicht kollabiert. Über das Timing von Angela Merkel können wir uns beliebig aufregen. In meinen Augen reagiert sie zu spät. Und je später sie reagiert, desto mehr Zugeständnisse an die Club-Med Länder sind sodann erforderlich, um die Situation überhaupt noch in den Griff zu bekommen. Auf der anderen Seite ist es gerade die Zeit, in der sich Merkel verweigert, in der in den Club-Med Ländern Strukturreformen umgesetzt werden. Nicht in letzter Sekunde, sondern meist erst ein wenig danach. Es ist eine nervenzerreibende Zeit, und sie muss leider so nervenzerreibend sein, damit sich was bewegt. Griechenland hat links gewählt, Frankreich hat links gewählt, und in NRW hat die CDU einen erdrutschartigen Verlust erlitten. Es ist absehbar, dass Angela Merkel ihre harte Linie nicht mehr lange wird durchhalten können. Wachstumsimpulse müssen her. Ein Stück Schokolade, das die Schmerzen der Strukturreformen lindert. Ein Schnaps, der dem Alkoholiker den Entzug scheinbar etwas erträglicher macht. Ein Konjunkturprogramm, das die Griechen vielleicht doch noch in letzter Sekunde den Verbleib in der Eurozone schmackhaft macht. Eurobonds werden immer wieder angesprochen, und Meldungen über eine "weitgehende Einigkeit bei den Regierungschefs" stellen Angela Merkel als Widersacherin immer weiter ins Abseits. Doch hier zeichnet sich ein Ausweg ab: Projekt-Bonds. Hier würde der Euro-Bond, dessen Gelder einfach an die Regierungen der Club-Med fließen würden, durch eine zweckgebundene Projektfinanzierung ersetzt werden. Projekt-Bonds. Es ist ein Schlagwort, das gerade beginnt, die Runde zu machen. Doch über eine genauere Ausgestaltung finden wir noch nichts. Es hört sich an wie ein politisches Konstrukt, das es Hollande ermöglicht, seinem Volk ein weiteres Wahlversprechen einzulösen und es gleichzeitig Merkel ermöglicht, sich in ihrer Haltung gegen Euro-Bonds durchzusetzen. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Projekt-Bonds beschlossen werden und dann eine Expertengruppe mit der Umsetzung allein gelassen wird. Ähnlich wie beim Fiskalpakt. Verarschung? Oder ist der Facebook Börsengang eine Verarschung? Na, schauen wir uns mal an, wie die Stimmung unter den Anlegern darauf reagiert. Schauen wir einmal, wie sich die Stimmung unter Anlegern und Analysten entwickelt: SENTIMENTDATEN Analysten Empfehlungen (Anzahl Empfehlungen): Kaufen / Verkaufen 04.05.- 11.05. (156): 52% / 11% 11.05.- 18.05. (141): 51% / 11% 18.05.- 25.05. (107): 53% / 7% Kaufempfehlungen der Analysten SAP, Vodafone, VTG Verkaufsempfehlungen der Analysten Boston Scientific, Gamesa, MLP Privatanleger 19. KW: 56% Bullen (179 Stimmen) 20. KW: 51% Bullen (142 Stimmen) 21. KW: 62% Bullen (177 Stimmen) Kaufempfehlungen der Privatanleger Faurecia S.A., Société Générale, Leoni Verkaufsempfehlungen der Privatanleger Die Sentiment-Daten wurden in Zusammenarbeit mit Sharewise erstellt: http://www.sharewise.com?heibel TOP ANALYSTENZIELE Sie wollen wissen, was die Analysten im Einzelnen für Aussagen treffen und wo sie die größten Chancen sehen? Ich habe für Sie ab sofort jede Woche eine Übersicht der Analysen mit den höchsten Kurszielen ausgearbeitet. Die Liste zeigt ganz einfach an, wo das aktuelle Kursziel des Analysten prozentual am meisten über dem aktuellen Kurs liegt: TOP ANALYSTENZIELE Unternehmen | Analyse vom | Kurs | Kursziel | Upside DAIMLER AG | 23.05.2012 | 38,34 € | 92,00 € | 139,96% VOLKSWAGEN AG VZ | 23.05.2012 | 128,48 € | 275,00 € | 114,04% IVG IMMOBILIEN AG | 21.05.2012 | 1,71 € | 3,50 € | 104,68% MOLOGEN AG | 24.05.2012 | 10,51 € | 21,50 € | 104,57% BMW AG | 23.05.2012 | 62,12 € | 116,00 € | 86,74% VTG AG | 23.05.2012 | 12,86 € | 24,00 € | 86,63% ZOOPLUS AG | 21.05.2012 | 35,26 € | 65,00 € | 84,34% SUESS MICRO TEC AG | 24.05.2012 | 7,09 € | 13,00 € | 83,36% CONTINENTAL AG | 23.05.2012 | 66,83 € | 121,00 € | 81,06% COMMERZBANK AG | 24.05.2012 | 1,40 € | 2,50 € | 78,57% Es handelt sich um Analysen aus dieser Woche. Bitte genießen Sie diese Übersicht mit Vorsicht. Sie wissen ja, dass häufig auch ein Eigeninteresse des Analysten für eine rosa Brille sorgen kann, weshalb Analysteneinschätzungen tendenziell optimistischer ausfallen als es die Realität anschließend erlauben würde. Aber die Übersicht gibt einen Eindruck darüber, wo die Erwartungen mit dem aktuellen Kurs am weitesten auseinander liegen. Wer letztlich Recht haben wird, der Analyst oder die Anleger, die den Kurs machen, ist in jedem Einzelfall individuell zu beurteilen. Daimler, Volkswagen, BMW und Continental: Gleich vier Automobilunternehmen werden von Analysten mit Top-Kurszielen ausgestattet. Hier zeigt sich der positive Effekt des niedrigen Euro-Wechselkurses auf unsere Exportwirtschaft am deutlichsten. Doch bedenken Sie, Kursziele unterliegen stets Annahmen, und wenn eine Annahme nicht zutreffen sollte, beispielsweise eine erwartete Konjunkturerholung bleibt aus, dann sind Analysten schnell bei der Hand, ihre Kursziele wieder nach unten zu korrigieren. Die Sonne scheint und in Deutschland freuen wir uns auf ein sonniges Pfingstwochenende. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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