Alt 04.02.17, 13:48
Standard So tickt die Börse: Quartalszahlen liefern Einblick in konjunkturelle Verfassung
Beitrag gelesen: 994 x 

Täglich prasseln die Quartalszahlen auf uns herein. Manche berichten vorbörslich, manche nachbörslich. Wer, wie ich, überwiegend deutsche und US-Unternehmen im Blick hat, der kam diese Woche kaum zum Schlafen. Doch es lohnt sich, denn viele CEOs geben anlässlich der Quartalsberichte einen detaillierten Einblick in Ihre eigene Einschätzung der aktuellen Verfassung der Konjunktur sowie des eigenen Geschäfts.

APPLE ÜBERSPRINGT NIEDRIGE MESSLATTE

Apple hat mehr iPhones verkauft, als von Analysten erwartet wurde. Doch sowohl das explodierende Galaxy Note 7 als auch die Neueinführung der günstigen Variante iPhone SE wurden meiner Einschätzung nach von Analysten nicht ausreichend in die Erwartungen einbezogen, so dass die Messlatte für Apple niedrig hing.

Was Analysten jedoch langsam sehen, ist das von mir schon seit langem hervorgehobene Dienstleistungsgeschäft von Apple. Mit Apple Music und weiteren Cloud-Diensten setzt Apple ähnlich viel um wie Facebook insgesamt als Konzern. Dabei ist Facebook bereits mehr als halb soviel wert wie Apple.

DAIMLER WIRD VORSICHTIG

Daimler überrascht seit drei Jahren kontinuierlich seine Anleger mit guten Ergebnissen. Diese Woche wurde diese Positivserie gebrochen, insbesondere das LKW-Geschäft machte einem guten Ergebnis einen Strich durch die Rechnung. Die PKW-Sparte überzeugte durch ein Absatzplus von 12%, insbesondere die neue E-Klasse verkaufte sich in China wie geschnitten Brot. Der Umsatz stieg um 1,5% auf 41 Mrd. Euro (erwartet wurden nur 40 Mrd. Euro). Aber CEO Dieter Zetsche hat nur eine sehr verhaltene Prognose für das angelaufene Jahr 2017 ausgegeben, er rechnet mit einem einstelligen Wachstum, den Dividendenvorschlag erhöhte er wider Erwarten nicht. Die Aktie ist um 5% eingebrochen.

Ich mache mir weniger Sorgen um Exporte in die USA, die unter Trump-Zöllen leiden könnten, sondern vielmehr um den Wettbewerb am Horizont: Google, Apple und Tesla. Da ist der Elektroantrieb nur eine Randnotiz, der Kuchen ist vorerst groß genug für Elektro- und Sprit-Autos. Doch die Digitalisierung des Autos bis hin zum autonomen Fahren wird zunehmend von amerikanischen Unternehmen vorangetrieben. Google hat bereits 3,6 Mio. Km mit autonom fahrenden Autos ausgewertet, BMW als führendes Unternehmen dieses Bereichs in Deutschland kommt auf 25.000 Km. Audi hat gerade mal ein Auto zu diesem Zweck, und das hat die A9 noch nicht verlassen. Daimlers Technologie für autonomes Fahren wird aktuell der von Tesla als überlegen bewertet, doch ich kann bei Daimler nicht erkennen, dass man diesem Thema die gleiche Bedeutung beimisst wie man dies im Silicon Valley tut.

INFINEON TREIBT DIGITALISIERUNG IM AUTO VORAN

Okay, wir haben Infineon in Deutschland, ein Chiphersteller, der die Digitalisierung des Autos vorantreibt. Das Geschäft brummt, Infineon konnte die Erwartungen der Analysten übertreffen. Die Aktie ist nach den Zahlen um 4% angesprungen. Mit einem KGV 2018e von 18 ist das erwartete Gewinnwachstum von 9% p.a. in meinen Augen fair bewertet. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass Infineon mit einer Marktkapitalisierung von gerade einmal 20 Mrd. Euro und intimen Kontakten in die gesamte deutsche Automobilindustrie für Google, Intel oder sogar Nvidia zu einem attraktiven Übernahmeziel wird. Das würde der Aktie dann nochmal Beine machen. Im Heibel-Ticker spekulieren wir aber nicht auf Übernahmen, sondern halten uns an die Bewertung. Und die ist derzeit fair.

GUTE STIMMUNG BEI SIEMENS

Eine ganze Reihe von Sondereffekten haben zu dem überraschend guten Quartalsergebnis von Siemens geführt. Dennoch fühlt sich CEO Joe Kaeser ermutigt, die Gewinnprognose für das laufende Jahr von 6,80-7,20 auf 7,20-7,70 Euro je Aktie hochzuschrauben. Das wäre ein Gewinnsprung von rund 15%. Mit 3,7% Dividendenrendite qualifiziert sich Siemens weiterhin als solide Dividendenaktie. Das KGV von 15 ist für die in Aussicht gestellte Gewinnentwicklung in Ordnung.

Die Aktie schoss in Folge des guten Ausblicks um 5% nach oben, fiel einen Tag später jedoch wieder zurück. Der Grund dafür ist jedoch nur die Dividendenausschüttung: Die Aktie wurde sodann ex Dividende von 3,60 Euro gehandelt.

HANNOVER RÜCK HEBT GEWINNPROGNOSE AN

Der Versicherung laufen die Kunden die Bude ein, überraschend gute Vertragsabschlüsse haben CEO Ulrich Wallin bewogen, die Gewinnprognose von 950 Mio. auf über eine Milliarde Euro anzuheben.

GEWINNMITNAHMEN BEI DER DEUTSCHE BANK

6,7 Mrd. Euro Strafe in den USA, auch mit Russland wurde ein teurer Vergleich für den Geldwäsche-Skandal geschlossen (600 Mio. Euro). Unterm Strich musste die Deutsche Bank einen Jahresverlust von 1,4 Mrd. Euro vermelden. Analysten hatten nur etwa die Hälfte erwartet, doch Wertminderungen, Restrukturierungskosten und Abfindungen kosteten nochmal 4,3 Mrd. Euro. Doch CEO John Cryan hat die Risikopositionen des Konzerns vermindert und konnte dadurch die Kernkapitalquote (CET 1) von 11,1% auf 11,9% steigern. Damit sind Staatshilfen und Kapitalerhöhung nun vorerst vom Tisch.

Cryan hat zu seinem Amtsantritt vor anderthalb Jahren gesagt, er brauche zwei Jahre, die Bank von ihrer dunklen Vergangenheit zu befreien (okay, er hat andere Worte verwendet ;-) ).Tatsächlich steht die Bank inzwischen mit einer deutlich besseren Bilanz da. In den USA steigen die Zinsen schon und in Europa freuen wir uns über gute Konjunkturdaten. Wenn die Zinsen zu steigen beginnen, dann ist die Deutsche Bank eine Rakete, genau wie die Commerzbank. Doch zuvor dürften einige Anleger erstmal Gewinne mitnehmen, die Aktie ist immerhin seit September bereits um 75% angesprungen.

AMAZON INVESTIERT ZU VIEL, GÄHN

Amazon konnte den Umsatz im Weihnachtsquartal um 22% auf 43,7 Mrd. USD steigern. Welches Unternehmen dieser Größe kann mit solchen Wachstumsraten aufwarten? Nicht viele. Der Gewinn übertraf mit 1,54 USD/Aktie die Erwartungen von 1,40 USD/Aktie. Das Haar in der Suppe: Die Amazon Cloud (AWS) wuchs nur um 47% auf 3,54 Mrd. USD Umsatz, erwartet wurden 3,6 Mrd. USD. Ich nenne das Probleme auf ganz hohem Niveau. Google und Microsoft drängen ebenfalls in die Cloud und da sollte es Amazon-Anleger nicht überraschen, dass Gründer und CEO Jeff Bezos durch eine aggressive Preispolitik Marktanteile erobern möchte. Zum 1. Dezember wurden eine ganze Reihe von Preissenkungen umgesetzt.

Die Aktie ist heute mit 4% im Minus. Wer schon immer mal eine günstige Kaufgelegenheit für Amazon haben wollte: Bitte sehr. Jetzt ist der Zeitpunkt, um eine halbe Position zu kaufen. Sollte es in den kommenden beiden Monaten zu einer breiteren Börsenkonsolidierung kommen, können Sie dann nochmals nachlegen.

METRO SPÜRT DEN PREISWETTBEWERB

Um den Umsatz auf 17 Mrd. Euro zu halten, musste Metro mit ihren Flaggschiffen Real Supermarkt und Saturn sowie Media Markt ordentliche Preisnachlässe gewähren. Der Gewinn war im Weihnachtsquartal leicht rückläufig. Ab Montag werden die Technologiemärkte Saturn und Media Markt als eigene Tochtergesellschaften aus dem Konzern ausgegliedert, CEO Olaf Koch verspricht sich davon mehr Schlagkraft gegen den Online-Handel.

ANGST VOR ZÖLLEN

In den Medien wird die Gefahr von Importzöllen in meinen Augen hochgespielt. US-Präsident Donald Trump hat niemals davon gesprochen, die USA grundsätzlich mit Zöllen abschotten zu wollen. Er verwendet Zölle jedoch bei jeder Gelegenheit als Drohung: Gegenüber Mexiko, die damit den Bau der Mauer finanzieren sollen. Gegenüber China, die den US-Exporteuren zu viele Steine in den Weg legen. Und auch deutsche Autobauer (BMW) hat er schon indirekt gewarnt.

Trump ist ein Dealmaker, der verhandelt gerne. Ich halte das für eine schlechte Eigenschaft, doch wir müssen unterscheiden, was eine Drohung ist und was sein Ziel sein könnte. Es ist nicht sein Ziel, Zölle einzuführen. Es ist sein Ziel, Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Es ist sein Ziel, das in den USA Autos verkauft werden, die auch in den USA gebaut werden.

Daimler baut beispielsweise 90% der in den USA verkaufen Mercedes in den USA. Siemens beschäftigt 72.000 Mitarbeiter auf dem amerikanischen Kontinent, ein Großteil davon in den USA. Bayer ist dabei, die amerikanische Monsanto zu übernehmen, beschäftigt aber heute bereits 16.000 Mitarbeiter in den USA.

Trump ist Geschäftsmann, wird solche Daten kennen. Natürlich wird er auch deutsche Unternehmen drängen, mehr Arbeitsplätze in den USA zu schaffen. Für Daimler, Siemens und Bayer dürfte es auch kein Problem sein, binnen kürzester Zeit die Schaffung von x-tausend neuen Arbeitsplätzen zu vermelden.

Sorge macht mir nur eine andere Statistik: Das Außenhandelsdefizit der USA mit Deutschland ist das zweitgrößte, direkt nach China. Die USA führen für 367 Mrd. USD mehr Produkte aus China ein, als man dorthin exportiert. Das ist Trump ein Dorn im Auge, er möchte für US-Unternehmen bessere Bedingungen auf dem chinesischen Markt aushandeln.

An Position zwei folgt dann schon Deutschland mit 74 Mrd. USD, noch vor Japan (68 Mrd. USD) und Mexiko (60 Mrd. USD). Daher ist seine Strategie Richtung Deutschland nicht die Androhung von Importzöllen, sondern eher die Stärkung des Euros. Denn wenn der Euro gegenüber dem US-Dollar teurer wird, dann werden deutsche Produkte teurer, US-Konkurrenzprodukte werden wettbewerbsfähig, es könnten neue Jobs entstehen. Natürlich hilft es nicht, wenn er offensiv nach dem nächsten Land sucht, dass die EU verlassen könnte. Das schwächt den Euro. Doch hier hat er konkurrierende Interessen, wir dürfen gespannt sein, was er sich zur Schwächung des US-Dollars ausdenkt. Das eine Trillionen Infrastrukturprojekt wäre da schon recht hilfreich, doch davon ist seit seinem Amtsantritt wenig zu hören.

Übrigens: Im 2-Stundentelefonat mit Vladimir Putin könnte Trump bemerkt haben, dass Russland, anders als China und Deutschland, den USA keine Jobs stiehlt.

Den Kursanstieg der Vorwoche hatte ich positiven Konjunkturdaten zugeschrieben. Die Konjunkturdaten dieser Woche waren durchwachsen. Wichtiger waren diese Woche jedoch die Quartalszahlen unzähliger Unternehmen. Und die waren, wie Sie in diesem Kapitel gelesen haben, nicht uneingeschränkt positiv aufgenommen worden. So wurde der Kursgewinn der Vorwoche wieder abgegeben. Schauen wir uns die Wochenentwicklung der einzelnen Indizes einmal näher an:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (02.02.2017) Woche Δ Σ '17 Δ

Dow Jones 19.881 -1,1% 0,6%
DAX 11.628 -1,9% 1,3%
Nikkei 18.915 -2,8% -1,0%
Shanghai A 3.308 0,0% 1,8%
Euro/US-Dollar 1,08 0,9% 2,2%
Euro/Yen 121,37 -1,2% -1,3%
10-Jahres-US-Anleihe 2,47% -0,04 0,02
Umlaufrendite Dt 0,19% -0,04 0,20
Feinunze Gold $1.216 2,8% 5,6%
Fass Brent Öl $56,81 1,1% 0,2%
Kupfer 5.902 0,2% 8,8%
Baltic Dry Shipping 770 -8,3% -17,0%



Der Preisanstieg bei Dr. Kupfer, wie der Frühindikator der Weltkonjunktur gerne genannt wird, hat eine Pause eingelegt (+0,2%). Der Baltic Dry Verschiffungsindex hingegen ist deutlich rückläufig, und das schon in der zweiten Woche in Folge. Klar, um das chinesische Neujahrsfest, das gerade stattfand, werden die Aktivitäten zurückgefahren und darunter leidet insbesondere der Spot-Preis für Verschiffungen. Doch wir sollten den Baltic Dry im Auge behalten.

Sämtliche Aktienmärkte legten diese Woche den Rückwärtsgang ein.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
 Es ist 17:16 Uhr.
Top 



copyright: imagine Grafik - DTP - Webdesign - [AGB / Datenschutz]