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Da haben Sie es: Die Rallye geht weiter. Am gestrigen Donnerstag hat der Dow Jones erstmals in diesem Jahr auf einem neuen Allzeithoch geschlossen. Und dabei gab es doch in den ersten Handelstagen dieses Jahres einen regelrechten Ausverkauf im Rohstoff- und insbesondere Energiesektor.
An der Börse gibt es die alte Weisheit, dass der Jahresanfang stets symptomatisch für den restlichen Verlauf des Börsenjahres ist. Und nachdem die ersten Tage mit Verlusten begannen sind etliche Hedgefonds short gegangen (haben also mit Leerverkäufen auf weiter fallende Kurse gesetzt). Nun steigen die Kurse und ein „Short squeeze“ steht bevor: Die offenen Shortpositionen müssen eingedeckt werden. Durch die Deckungskäufe werden die Kurssteigerungen noch angeheizt. Doch langsam, eins nach dem anderen. Wie konnte es dazu kommen? Warum steigen die Kurse, wo doch noch vor drei Tagen Weltuntergangsstimmung auf dem Parkett herrschte? Nun, ich nenne Ihnen die drei Gründe, die für die plötzliche Rallye verantwortlich sind: 1. Apple, 2. Genentech und 3. Alcoa. Diese drei Unternehmen haben in kurzer Folge überraschend positive Neuigkeiten veröffentlicht. Ach so, und da waren dann noch Google und Sears mit weiteren positiven Nachrichten. Aber die drei Erstgenannten waren die Trendsetter. APPLE Besonders die Bombe, die Apple Gründer und Chef Steve Jobs mit der Präsentation seines neuen iPhones gezündet hat, ist in der ganzen Technologiebranche eingeschlagen. Die Apple-Aktie vollzog einen Freudensprung. Der Optionsschein auf Apple, den ich in der letzten Ausgabe vorgestellt hatte, ist um 50 % in die Höhe geschnellt. Doch mehr zu Apple im nächsten Kapitel. In diesen Tagen gibt es nur noch eine Geschichte: Apples iPhone. Aktien der Unternehmen, die mit Apple zusammenarbeiten, sind angestiegen. Unternehmen, denen das iPhone Konkurrenz machen wird, sind gefallen. So einfach ist das. Aber Apple hat ein solch großes Netzwerk geflochten, daß ein großer Teil der Industrie mit an Bord sein wird. Eine Neuigkeit des iPhones war der sogenannte weltweit erste „Multi-Touchscreen“. Dieser Touchscreen kann mehrere Finger gleichzeitig erkennen und verarbeiten. Zusätzlich zum Antippen von Knöpfen und zum Ziehen von Objekten kann man nun beispielsweise Ausschnitte vergrößern und verkleinern. Sie berühren dazu mit Ihrem Daumen und Zeigefinger den Bildschirm und bewegen die Finger aufeinander zu, um den Ausschnitt entsprechend zu verkleinern, oder ziehen die Finger auseinander, um den Ausschnitt zwischen den Fingern zu vergrößern. „Cool“ würde meine Nichte sagen. Aber ich habe ihr noch nichts davon erzählt, denn sonst werde ich die nächsten Monate bearbeitet, ihr dieses iPhone zu schenken. Und das wird immerhin rund 400 Euro kosten. Wissen Sie, wer den coolen Touchscreen herstellt? Balda (WKN 521510). Ein mittelständisches Unternehmen aus Bad Oeynhausen. Der Kurs ist in den vergangenen drei Tagen vorübergehend um 25 % angesprungen, kam gestern jedoch wieder deutlich zurück. Nächstes Jahr wird das Unternehmen wieder Gewinne abwerfen, nachdem dieses Jahr Verluste eingefahren wurden. Der Kurs ist nach vier Gewinnwarnungen in Folge kräftig in den Keller gerutscht. Mit einem geschätzten KGV von 19 für das laufende Jahr und einem Umsatzwachstum von 25 % für die nächsten zwei Jahre ist das Bewertungsniveau denkbar günstig. GENENTECH Ebenfalls am Mittwoch vermeldete Genentech sein Quartalsergebnis. Drei Produkte hatten bessere Umsätze verzeichnet, als erwartet: Lucentis, das gegen Altersblindheit hilft, sowie Rituxan und Avastin, die beiden führenden onkologischen Medikamente des Hauses. Dies war eine große Überraschung, denn in den vergangenen vier Quartalen hat Genentech jeweils die Erwartungen nicht erfüllen können. Anleger haben sich also auch diesmal bereits auf eine Enttäuschung eingestellt. Um so heftiger fiel die Reaktion auf die positive Überraschung aus. Der Gewinn von Genentech stieg dadurch von 31 im Vorjahr auf nunmehr 55 Cents je Aktie. Damit wurden die Erwartungen der Analysten weit übertroffen. Hinter Amgen ist Genentech das zweitgrößte Biotech-Unternehmen der Welt. Die beiden Aktien sind im vergangenen Jahr jeweils um knapp 12 % gefallen, nachdem sie im Jahr 2005 extrem angestiegen waren. Ist die Konsolidierung nun vorbei und folgt im Jahr 2007 eine Fortsetzung des Biotech-Anstiegs? Nach den Novemberwahlen vergangenen Jahres haben die Demokraten im Senat an Gewicht gewonnen. Die laissez-faire Politik Bushs in dieser Branche hat somit ein Ende. Die Unternehmen wachsen exorbitant schnell, die Bewertungsniveaus sind jedoch bereits exorbitant hoch. Das Geschäft muß nun zunächst in die Bewertung hinein wachsen. Da ich erwarte, daß im Jahr 2007 Wachstumsunternehmen gefragt sein werden, kann ich mir auch gut vorstellen, daß diese Biotech-Unternehmen kräftig steigen. Aber wir haben andere, aussichtsreichere Kandidaten in unserer Empfehlungsliste, daher lasse ich den Biotech-Sektor vorerst links (also bei den Demokraten) liegen. ALCOA Auch bei Alcoa hat man sich an Enttäuschungen gewöhnt. Erschwerend kommt für dieses Unternehmen hinzu, daß es stets als erstes Unternehmen einer Berichtssaison berichtet. Schon am Dienstagabend veröffentlichte Alcoa sein Quartalsergebnis. Die Situation bei Alcoa vor diesem Quartalsergebnis läßt sich kurz wie folgt zusammenfassen: Schlechtes Management, ausufernde Kosten und falsche Hedging-Strategien haben bislang verhindert, daß das Unternehmen vom Rohstoffboom profitieren konnte. Der steigende Aluminiumpreis hat bei Alcoa gerade einmal dieses Mißmanagement auffangen können. Im abgelaufenen Quartal kam dann noch ein extrem niedriger Gaspreis zu Hilfe. Gas ist für die energieaufwendige Aluminiumproduktion Alcoas einer der wichtigsten Einsatzfaktoren. So konnte das Unternehmen nunmehr erstmals nach drei Quartalen eine positive Überraschung vermelden: Umsatz und Gewinn waren um 15 % besser als von den Analysten erwartet. Auch die Prognosen wurden deutlich nach oben korrigiert. Der Kurs von Alcoa stieg um 6 % an. Damit hatten wir drei Schlüsselunternehmen aus drei verschiedenen Branchen, die an einem Tag positive Überraschungen brachten. Apple aus der Technologiebranche, Genentech aus der Biotech/Pharma-Branche und Alcoa aus dem Rohstoffsektor. Dass ein Analyst von Google das Kursziel anhob und Sears-Chef Lampert seine Gewinnprognosen anhob, vervollständigte nur noch die positive Marktstimmung. ÖLPREIS Vor diesem Hintergrund spielte der depressive Ölpreis kaum noch eine Rolle. Immer wieder haben wir uns gefragt, wann der Ölpreis hoch genug ist, um eine Auswirkung auf die Konjunktur zu haben. Nichts geschah, selbst beim Ölpreis von 78 US-Dollar je Faß. Nun sank der Ölpreis unter 54 US-Dollar und die Finanzpresse schreit, die Kursrallye ist auf den niedrigen Ölpreis zurückzuführen. Nein, liebe Leser, der Ölpreis ist nicht verantwortlich für die Rallye. Die Unternehmensgewinne und positiven Ausblicke sind es. Ich kann mir schon vorstellen, daß mächtige Hedgefonds einen Einfluß auf den Ölpreis haben. Die OPEC hat alles drangesetzt, um den Ölpreis auf 60 US-Dollar festzusetzen. Für einige Monate gelang ihr dies, aber ein weiterer Preisverfall wurde durch Hedgefonds verhindert. Nun haben sich die Hedgefonds vorerst aus der Energiebranche verabschiedet und der Ölpreis befindet sich nun auf der Suche nach einem neuen Gleichgewichtspreis. Spielt der warme Winter dort mit hinein? Sicherlich! Aber der Effekt der abziehenden Hedgefonds ist für die kurzfristige Schwankung verantwortlich. So langsam formieren sich kalte Tage in den USA. In New York konnte man vergangene Woche noch in Flipflops und T-Shirt durch die Straßen laufen, wie mir ein Freund berichtete – im Januar! Doch nun halten die ersten kalten Wintertage Einzug an der Wallstreet und die Heizungen dürften hochgedreht werden. In Denver, berichtete mir ein anderer Freund, gab es gestern bereits den fünften Blizzard (Schneesturm) innerhalb weniger Tage. Eine Kaufoption auf den Ölpreis? Wie weit wird die Technologierallye noch gehen? Oder ist es Zeit, Gewinne einzustreichen? Welche Aktien haben die größten Kurschancen, wenn der Short squeeze beginnt? Und was hat die neue Irakstrategie von Präsident Bush für Auswirkungen? Nun, zur neuen Irak-Strategie Bushs: Das ist für die Börse völlig irrelevant. Die meisten Unternehmen der Verteidigungsindustrie haben langfristige Rahmenverträge mit der Regierung. Diese langfristigen Aktivitäten sind bereits eingepreist. Die neue Irak-Strategie ist nicht wirklich eine Richtungsänderung, sondern nur eine kleine Verfeinerung. Neue Verträge gibt es dadurch kaum. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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