Alt 03.11.18, 12:14
Standard So tickt die Börse: Hoffnung gießt in Sturmnacht Morgenröte
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"Erwarten Sie, dass ich rede?" fragt James Bond, als er festgeschnallt auf einem Stahltisch aufwacht und sieht, wie ein gigantischer Laser sich anschickt, ihn zweizuteilen. Gerd Fröbe, in seiner Paraderolle als Goldfinger, antwortet: "Nein, Mister Bond, ich erwarte, dass Sie sterben".


Abbildung 1: "Ich erwarte, dass Sie sterben"


So kommt mir die Haltung der USA gegenüber China vor, wenn ich mir die Rede von Mike Pence (https://www.whitehouse.gov/briefing...y-toward-china/) in Erinnerung rufe. Ich bin vor einer Woche bereits darauf eingegangen. US-Präsident Donald Trump hat mit seiner Rhetorik in den vergangenen Wochen keinen Ausweg für China gelassen, er zeigte einen Eskalationspfad auf, der tatsächlich in einem Krieg enden könnte. Entsprechend belastend war diese Haltung für die Finanzmärkte.

Und nun, ganz plötzlich, nach einem "langen" Telefonat zwischen Trump und Xi soll plötzlich eine Lösung für all die aufgezählten Probleme in greifbarer Nähe sein? Hmm, an den Finanzmärkten wird diese Meldung bejubelt. Das wichtigste Argument der Bären ist damit vorerst vom Tisch. Ende November soll in Argentinien ein neues Handelsabkommen zwischen China und den USA ausgehandelt werden.

Damit wir wissen, worüber wir reden, habe ich mal ein paar Zahlen gesammelt: Die Unternehmenssteuerreform von Trump spült bei US-Unternehmen jährlich 200 Mrd. USD zusätzlich in die Kassen. Bei einem US-BIP von 20 Bio. USD gehen Volkswirte davon aus, dass dies zu einem Wachstumsschub von 0,4% führt, also 80 Mrd. USD pro Jahr.

Wenn Trump, wie angedroht, seine Strafzölle auf sämtliche Importe aus China legt und von aktuell 10% auf die angedrohten 25% erhöht, dann würde das die US-Wirtschaft zusätzlich 125 Mrd. USD p.a. kosten. Der obige Steuereffekt wäre damit ausradiert.

Die Verabschiedung der US-Unternehmenssteuerreform führte zu einem Lauf des Dow Jones von 23.270 auf 26.616 Punkte (+14%). Nun ist der Dow Jones wieder auf 24.442 Punkte zurückgekommen. Verständlich, oder?

Der Handelsstreit hat bereits Spuren hinterlassen. Vor einem Jahr hatten zu diesem Zeitpunkt der Q3-Berichtssaison 67% der Unternehmen höhere Umsätze berichtet als zuvor erwartet. Dieses Jahr sind es nur noch 59%. Doch vor einem Jahr wiesen 76% höhere Gewinne aus als von Analysten erwartet. Dieses Jahr sind es 77%.

Ich würde aus diesen Zahlen ableiten, dass die Zölle weniger auf den Unternehmensgewinn durchschlagen als vielmehr auf den Umsatz. Unternehmen geben also die Zölle eins zu eins an die Kunden weiter und arrangieren sich mit nachteiligen Folgen für die Absatz- bzw. Umsatzentwicklung.

Nur neun Minuten vor Trumps Tweet, in dem er sein "langes und sehr gutes Gespräch mit Xi Jinping über Handelsbeziehungen" bekannt machte, wurde der US-Einkaufsmanagerindex veröffentlicht. Mit 57,7 blieb der Wert hinter den erwarteten 59 zurück und zeigt eine abnehmende Zuversicht der amerikanischen Einkäufer in die künftige Wirtschaftsentwicklung. Schlechte Konjunkturdaten sind in Zeiten befürchteter Zinserhöhungen durch die Fed gute Nachrichten für die Finanzmärkte. Denn der schwache Einkaufsmanagerindex wird Fed-Chef Jay Powell zum Nachdenken bringen: vielleicht haben die bislang acht Zinserhöhungen bereits ihre Aufgabe erledigt und ein Überhitzen der US-Konjunktur kann verhindert werden. Dann wären die weiteren vier in Aussicht gestellten Zinserhöhungen vielleicht zu viel.

Die Notwendigkeit von vier weiteren Zinsanhebungen wird weiter in Frage gestellt durch den rückläufigen Ölpreis. Wir erinnern uns: Der Ölpreis hat einen ziemlich großen Einfluss auf die Inflationsentwicklung. Mag sein, dass Saudi Arabien aufgrund der Khashoggi-Affäre den Markt mit billigem Öl flutet, es erfüllt aber den Zweck der Senkung der Inflationsrate. Auch das wird Powell zur Kenntnis nehmen.

Aus den Brexit-Verhandlungen erreichte uns die Meldung, dass die EU einen Kompromiss für die Irland-Problematik auf den Weg gebracht habe. Die Behandlung Irlands ist einer der größten Streitpunkte: Irland wird in der EU bleiben, Nordirland jedoch gehört zu Großbritannien und wird somit ausscheiden. Dennoch fürchten die Briten nichts mehr als Zollschranken zwischen Irland und Nordirland. Auch jede Zollvereinbarung für den Warenverkehr zwischen Irland inkl. Nordirland und Großbritannien läuft den Traumvorstellungen der Briten zuwider. Die EU hat nun eine "lockere" Lösung vorgeschlagen, Details sind aber noch nicht bekannt.

Und in Deutschland wurde diese Woche das Ende der Merkel-Ära eingeläutet. Endlich. Ich bin nach wie vor der Überzeugung, dass wir hier in Deutschland die Amtszeiten eines Kanzlers auf maximal zwei beschränken sollten, um in zügigem Wechsel unterschiedliche Schwerpunkte in der Politik zuzulassen.

Hocherfreut war ich natürlich von Friedrich Merz, der nach Jahren der Abstinenz den Kontakt zur Politik offensichtlich nicht verloren hat. Mag sein, dass vor 14 Jahren nach dem konservativen SPD-Politiker Schröder ein konservativer CDU-Politiker nicht den gewünschten Wechsel der Schwerpunkte herbeigeführt hätte. Doch nachdem die CDU inzwischen so weit nach links gerückt ist, dass die SPD keine Wähler mehr findet und die AFD in Hessen bereits 13% erzielt, ist ein konservativer Parteichef für die CDU heute meines Erachtens eine gute Lösung. Na, und dass die Finanzmärkte den marktliberalen Merz gut finden, das brauche ich Ihnen nicht zu sagen.

Also: Handelsstreit beigelegt? Zinserhöhungen nicht notwendig? Brexit-Lösung in Sicht? Deutsche Lethargie beendet? Keines dieser Probleme ist gelöst, doch erfahrungsgemäß stehen die Aktienbörsen auf Rekordniveaus, wenn die "Lösungen" bekannt werden. Diese Woche wurde eine ganze Menge Hoffnung versprüht und entsprechend begannen die Börsen zu laufen. In Kapitel 04 analysiere ich, ob wir damit die Korrektur beendet haben, oder ob wir nur eine Zwischenerholung sehen.

Schauen wir nun zunächst auf die Wochenveränderung der wichtigsten Indizes:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES


INDIZES (01.11.2018) Woche Δ Σ '18 Δ

Dow Jones 25.381 1,6% 2,2%
DAX 11.469 1,4% -11,2%
Nikkei 22.244 4,7% -2,3%
Shanghai A 2.729 0,1% -21,2%
Euro/US-Dollar 1,14 0,5% -4,8%
Euro/Yen 129,08 1,2% -4,4%
10-Jahres-US-Anleihe 3,14% 0,01 0,72
Umlaufrendite Dt 0,25% 0,01 -0,03
Feinunze Gold $1.231 -0,1% -5,5%
Fass Brent Öl $72,78 -5,3% 9,3%
Kupfer 6.072 -2,3% -15,1%
Baltic Dry Shipping 1.470 -3,0% 7,6%
Bitcoin 6.361 -1,1% -54,2%



Der Wochenvergleich gibt nicht das ganze Bild der Wochenentwicklung wider. So brachen die Aktienmärkte Freitag letzter Woche noch kräftig ein, während heute die kräftige Erholung fortgesetzt wird. Somit gibt das Wochenplus von 1,4% für den Zeitraum von Donnerstag bis Donnerstag die heftigen Schwankungen kaum wider.

Das heutige Hoch im DAX liegt um 5,4% höher als das Tief im DAX vor einer Woche. Mit einem Hoch bei 11.658 Punkten wurde die Mitte Oktober im Abwärtsrausch entstandene Kurslücke zwar geschlossen, aber die wichtigen 11.800 Punkte, die zuvor für viele Monate als Unterstützung fungierte, wurden noch nicht wieder erreicht. Es bleibt also spannend.

Ähnliche Entwicklungen gab es in den USA und in Japan. Auch China konnte sich ordentlich erholen. Flankierend zu der guten Laune zum Handelsstreit, die von Trump verbreitet wurde, kündigte China ein Programm mit 300 Mrd. USD Volumen an, mit dem negative Auswirkungen des Handelsstreits aufgefangen werden sollen.

Der Euro ist kräftig angestiegen (+0,5%). Zum einen hat wohl die Brexit-Phantasie den Euro unterstützt, zum anderen auch der sich anbahnende Wechsel in Deutschland.

Auch an den Zinsmärkten war eine Entspannung zu beobachten, der Sichere Hafen der Anleihen wurde weniger nachgefragt und das Zinsniveau konnte ein wenig ansteigen (+0,01%punkte).

Insbesondere der Ölpreis ist kräftig zurückgekommen (-5,3%), ich habe weiter oben über den Hintergrund spekuliert. Aber auch Kupfer und die Verschiffungskosten sind rückläufig, was den Inflationsdruck weiter mindert.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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