Alt 13.06.15, 15:43
Standard So tickt die Börse: Wendepunkt an den Finanzmärkten
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Sie brauchen heute niemanden, der Ihnen das Ende der Welt ankündigt. Der DAX ist Anfang der Woche ohne ersichtlichen Grund um 3% unter 11.000 Punkte eingebrochen, um in der zweiten Wochenhälfte diesen Verlust wieder auszugleichen. In der ahnungslosen Finanzpresse konnten Sie zunächst lesen, dass die Verhandlungen mit Griechenland zu scheitern drohen, daher der Kursrutsch. Sodann kam das Gerücht auf, Kanzlerin Angela Merkel sei kompromissbereit, und schon schossen die Weltbörsen wieder in die Höhe.

Nein, so wichtig ist Griechenland nicht mehr. Die Gründe hinter dem Ausverkauf und der anschließenden Aufholjagd sind woanders zu finden. Denn, wenn Griechenland wirklich der Grund für die erneuten Turbulenzen an den Finanzmärkten war, warum ist dann der "Sichere Hafen" in Form von Bundesanleihen nicht mehr gefragt? Das Zinsniveau in Europa gleicht sich an, die Umlaufrendite ist in den vergangenen sechs Wochen von 0,02% auf 0,8% angesprungen. Die Umlaufrendite hat sieben Monate benötigt, um von 0,8% auf 0,05% zu fallen. Diese sieben Monate wurden nun in nur sechs Wochen ausgeglichen.

Wenn Anleger Angst vor einem Grexit hätten und Aktien deswegen verkauften, dann würden sie ihre Verkaufserlöse in deutsche Staatsanleihen stecken. Doch das tun sie nicht. Stattdessen ziehen sie parallel zu ihren Aktienverkäufen auch Geld von deutschen Staatspapieren ab.

In meinen Augen justieren internationale Anleger ihre Anlagen neu. Diese Woche hat die Bank of Japan verkündet, dass der aktuelle Wechselkurs des Yen nun an seiner Untergrenze angekommen sei. Der Wechselkurs zum Euro stand Mitte 2012 zum Beginn der japanischen Geldflutung bei 95 YEN/EUR und ist seither bis auf 150 YEN/EUR angesprungen. Das war wohl ein Überschießen, wie wir nun nach dem Kommentar der Japanischen Notenbank wissen, denn auf dem aktuellen Niveau bei 138 YEN/EUR hat sie nun einen Boden für die Abwertung des YEN eingezogen.

Während das Ende der Geldflutung positive Folgen für die europäische und US-Wirtschaft hat, denn Produkte aus Japan werden keine weiteren Preisvorteile erhalten, so sehen die Finanzmärkte darin kurzfristig jedoch zunächst eine Gefahr: Weniger Liquiditätsflutung bedeutet weniger Geld für die Finanzmärkte, und das belastet die Aktien- als auch Anleihenkurse. Schlimmer noch: Ist die Bank of Japan nun bereits nach der US-Notenbank die zweite international wichtige Notenbank, die das Ende der lockeren Geldpolitik vorbereitet?

Aus China kommen ermutigende Daten. Zum einen mehren sich die Anzeichen, dass die Wachstumsverlangsamung in China dem Ende entgegen geht. Zum anderen verzeichnet der Baltic Dry Verschiffungsindex weitere Zugewinne. Seit Februar bereits entwickelt sich der Indikator für die logistischen Aktivitäten insbesondere Chinas positiv. Diese Woche wurde dieser schwache Trend durch ein kräftiges Plus von 4,3% in den Fokus vieler Anleger gerückt.

Zudem hat CEO des brasilianischen Eisenerzproduzenten Vale erklärt, dass seiner Einschätzung nach in China bereits viel mehr Eisenhütten geschlossen wurden, als offiziell bekannt sei. China produziere weniger Eisenerz und verbrauche mehr als zuvor, sodass bereits im zweiten Halbjahr des laufenden Jahres die Eisenerzlieferungen nach China steigen würden.

Kommen wir zu den USA. Nach den guten Arbeitsmarktdaten von vor einer Woche ist die Angst vor einer baldigen ersten Leitzinserhöhung groß. Wurde zuvor noch diskutiert, ob die erste Leitzinserhöhung noch in diesem, oder erst im nächsten Jahr erfolgen werde, so diskutiert man nun über die Termine September oder Dezember. Einige fürchten sogar bereits für die nächste Fed-Sitzung in der kommenden Woche einen ersten Zinsschritt.

Man sollte meinen, dass bei solchen Zinsängsten der US-Dollar an Stärke gewinnt. Doch das Gegenteil ist der Fall, der Euro notiert bei 1,12 USD/EUR und ist damit weit entfernt von seinen Tiefs bei 1,05 USD/EUR vom vergangenen März, als der erste Zinsschritt noch in weiter Ferne geglaubt wurde. Einmal mehr zeigt sich, dass große Ereignisse an den Börsen ihre Schatten voraus werfen: Die anstehende erste Zinsanhebung der USA hat den US-Dollar bereits von 1,40 auf bis zu 1,05 USD/EUR angeheizt. Nun, da die Gewissheit ansteht, kommt es bereits zu einer Gegenbewegung.

Oder ist der Euro einfach so schwach? Auch aus Euro-Perspektive müsste der Wechselkurs ja vor dem Hintergrund des drohenden Grexit weiter einbrechen. Doch das geschieht nicht, im Gegenteil. Der Euro stabilisiert sich.

Meine Schlussfolgerung aus all diesen Entwicklungen lautet: Wir befinden uns an einem Wendepunkt. Euro-Shorts, DAX-Longs, Anleihekäufe und vieles, was in den vergangenen Monaten funktionierte, läuft nun aus. Internationale Anleger verabschieden sich aus ihren Engagements und suchen sich neue Anlageideen.

Schauen wir zunächst einmal auf die Entwicklung der wichtigsten Indizes im Wochenvergleich:

WOCHENPERFORMANCE DER WICHTIGSTEN INDIZES

INDIZES (11.06.2015) | Woche Δ

Dow Jones: 18.039 | 0,7%
DAX: 11.333 | -0,1%
Nikkei: 20.407 | -0,3%
Euro/US-Dollar: 1,12 | 0,0%
Euro/Yen: 138,89 | -0,7%
10-Jahres-US-Anleihe: 2,38% | 0,08
Umlaufrendite Dt: 0,80% | 0,25
Feinunze Gold: $1.180 | 0,2%
Fass Brent Öl: $65,18 | 4,4%
Kupfer: 5.876 | -0,8%
Baltic Dry Shipping: 629 | 4,3%



Der Dow Jones (+0,7%) entwickelt sich in der dritten Woche in Folge besser als der DAX (-0,1%). Ich werte dies als ein weiteres Indiz dafür, dass der DAX derzeit außer Mode kommt.

Fracking sollte ja durch den niedrigen Ölpreis zurückgefahren werden. Doch nun steigt der Ölpreis und parallel vermeldet die US-Ölwirtschaft Rekorde bei den täglichen Fördermengen. Die USA fördern heute mehr Öl denn je. Zudem laufen Verhandlungen, die in eine Zulassung des iranischen Öls für die Weltmärkte münden können. Das würde bedeuten: Noch mehr Öl für die Weltmärkte.

Trotzdem ist der Ölpreis diese Woche um 4,4% angesprungen. Ich werte das als Konjunkturoptimismus bzw. eine anziehende Nachfrage nach Öl, obwohl weltweit nach wie vor eine schwache Konjunkturentwicklung verkündet wird. Es handelt sich m.M.n. um eine Stabilisierung auf niedrigem Niveau, doch es ist ein positiver Konjunkturindikator, den wir nicht übersehen sollten.
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis)  
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