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Diese Woche erlebten wir ein Wechselbad der Gefühle, einen Roundtrip, der den DAX von seinem Baisse-Szenario bei 12.715 Punkten binnen drei Handelstagen um 6,5% auf 13.538 Punkte nach oben katapultierte, um in den folgenden drei Tagen wieder auf 12.715 Punkte einzubrechen. Schauen wir uns mal an, wie das passiert ist.
Am Donnerstag der vergangenen Woche betonte US-Notenbankchef Jay Powell in einer Ansprache, dass die restriktive Geldpolitik beibehalten werde, bis die Inflation besiegt sei. Fast zeitgleich hob Christine Lagarde den Leitzins für den Euro um 0,75% an und gelobte ebenfalls, der Inflation Einhalt zu gebieten. Nach dem ersten Schock über die harte Linie der beiden Notenbanken, die den DAX auf das Tief führte, setzte sich die Erleichterung durch, dass die Notenbanken endlich die Inflation ernst nehmen. Es war so etwas wie der finale Ausverkauf, der am Donnerstag auf die beiden Aussagen der Notenbanken folgte. Danach hatte jeder verkauft, dessen Hände zittrig waren. Weiter runter ging's nicht mehr. Und wenn niemand mehr verkauft, dann können die Kurse auch nicht fallen. Bei extrem niedrigem Handelsvolumen beschrieben die Aktienmärkte einen Boden und die Kurse begannen zu klettern. Dies setzte sich am Freitag fort und am Montag dominierten die Erfolgsmeldungen aus der Ukraine über zurückeroberte Gebiete die Schlagzeilen, was die Rallye weiter antrieb. Was, wenn Putin unterliegt? Was, wenn er plötzlich zu Friedensverhandlungen bereit ist? Aus dieser Hoffnung wurde eine Gefahr für diejenigen, die voll und ganz auf eine galoppierende Inflation und einen fortdauernden Krieg gesetzt hatten und nicht investiert waren. So trieben die Käufe dieser Anleger die Aktienmärkte auf ihr Wochenhoch, das um 6,5% über dem Tief von drei Handelstagen zuvor lag. Da wurde auch die Meldung vom Montag ignoriert, der zufolge die USA nach Nvidia nun auch Anbieter von Chip-Produktionsanlagen mit ihren Produkten auf eine schwarze Liste für den Export nach China setzen: Auf den Maschinen von KLA Tencor, Kam research und Applied Materials können Chips gefertigt werden, die sich für den Einsatz bei der künstlichen Intelligenz (AI) eignen. Chip-Aktien notierten schon am Montag schwach, konnten aber die Rallye im breiten Markt nicht aufhalten. Die Wende durch Inflationszahlen am Dienstag Am Dienstag um 14:25 Uhr erreichte der DAX seinen Höchststand. Um 14:30 wurde in den USA der Verbraucherpreisindex veröffentlicht, der mit +8,3% deutlich stärker angestiegen war als erwartet (+8,1%). Nach Powells Rede vom vorangegangenen Donnerstag hatten sich Volkswirte auf eine Zinserhöhung um 0,75% im September, und um weitere 0,75% im Oktober eingestellt. In den vergangenen Monaten sind die Rohstoffmärkte deutlich zurück gekommen: Der Ölpreis (WTI) ist von 123 USD/Fass im Juni auf 81 USD/Fass eingebrochen. Das Kupfer war um 25% eingebrochen. Nahrungsmittelpreise sind wieder auf dem Niveau von vor dem Kriegsbeginn. Holz kostet nur noch ein Drittel dessen, was kurz nach Kriegsausbruch zu zahlen war. Dieser Preisrückgang sollte sich, so die Hoffnung, in einer deutlich rückläufigen Inflationsrate zeigen. Offiziell stand die Erwartung bei 8,1%, doch insgeheim hatten viele mit einem viel deutlicheren Rückgang gerechnet. Binnen weniger Minuten brach der DAX um 2% ein und lief anschließend im weiteren Wochenverlauf kontinuierlich weiter gen Süden. Die Erwartung an die Zinsentscheidung der Fed änderte sich sprungartig. Plötzlich erwarten 25% der befragten Volkswirte sogar eine Zinsanhebung um +1%. Die Rendite der 10 Jahre laufenden US-Staatsanleihe stieg von 3,3% auf 3,45%. Damit kommen wir nun in einen Bereich, der die Wirtschaft wirklich "bremst". Ein bisschen Inflation ist gut. Ein bisschen Produktivitätsgewinn und ein bisschen Zuwanderung ist ebenfalls gewünscht. So gilt in den USA, dass ein Zinsniveau von rund 3-4% für diese Entwicklungen angemessen ist. In den vergangenen Jahren lag das Zinsniveau darunter und wir sprachen von einer Stimulation der Wirtschaft. Seit Jay Powell nun an der Zinsschraube dreht, nimmt der Stimulus ab. Doch wenn das Zinsniveau nun in Richtung 4% läuft, dann ändert sich das Vorzeichen der Geldpolitik von stimulierend auf bremsend. Während zuvor bei steigenden Zinsen im stimulierenden Umfeld vielleicht weniger unsinnige Investitionen vorgenommen wurden, so werden ab jetzt bei bremsender Wirkung der Geldpolitik auch eigentlich sinnvolle Investitionen auf Eis gelegt. Die steigenden Renditen am Zinsmarkt stehen im direkten Wettbewerb zum Aktienmarkt. Wenn gegebenenfalls durch weiter erforderliche Zinsschritte das Risiko einer Rezession immer weiter zunimmt und auf den Aktien lastet, steigt die Attraktivität der risikoarmen Zinspapiere. Am Mittwoch setzte sich dieser Prozess fort: Die Zinsen stiegen, die Aktien fielen. Anleger flüchteten aus dem Aktienmarkt in den Anleihemarkt. Gerade als Anleger sich überlegten, was denn wohl noch erforderlich sein würde, um die Wirtschaft abzukühlen, verkündete Adobe am Donnerstag, den Wettbewerber Figma für 20 Mrd. USD zu kaufen. Figma wurde 2012 gegründet, hilft bei der vektorbasierten (graphisch) Erstellung von Webseiten, beschäftigt 850 Mitarbeiter und wirtschaftet bereits in den schwarzen Zahlen. Der Zeitpunkt war denkbar ungünstig, die Aktie von Adobe brach um 15% ein und zog die gesamte IT-Branche mit nach unten. Noch am Donnerstag Abend veröffentlichte Fedex Q-Zahlen sowie einen Ausblick, der dem Markt am heutigen Freitag den Boden unter den Füßen wegzieht. Noch bis Ende Juni, als Fedex einen Investorentag veranstaltete und sich optimistisch zeigte, lief alles nach Plan. Doch seither hätten sich die Dinge dynamisch zum Schlechteren entwickelt, sagt Raj Subramaniam, CEO von Fedex. Subramaniam ist erst seit wenigen Monaten im Amt, es sind seine ersten Q-Zahlen. Vielleicht möchte er einfach nur die Messlatte etwas niedriger legen, war die erste Vermutung. Doch in einem Interview auf CNBC führte er detailliert aus, was alles schlecht läuft: In den USA würde sich der Konsument stark zurückhalten. Der Online-Handel sei von 17% Anteil am Einzelhandel vor Corona auf 22% in der Coronazeit angestiegen. Nun werde diese Entwicklung wieder ausgeglichen, aktuell noch 19% aber 17% seien mittelfristig zu erwarten. In China habe man während der Lockdowns in den vergangenen Wochen starke Online-Umsätze erwartet, doch das sei nicht geschehen. Die Menschen seien nun vorbereitet auf Lockdowns und würden rechtzeitig benötigte Dinge im Einzelhandel kaufen, so dass der coronabedingte Online-Boom sich nicht wiederhole. In Europa hat Fedex vor einiger Zeit TNT aus Holland übernommen. Die Integration sei abgeschlossen, die Kosten sehe er "im Rückspiegel", so Subramaniam. Doch ganz Europa leide unter dem Krieg Russlands gegen die Ukraine, überall sei Kaufzurückhaltung zu sehen. Der Ausblick von ihm war nicht besser: Eine Rezession sei nicht mehr abzuwenden. "In den USA oder weltweit?" wurde er gefragt: "Weltweit" war seine Antwort. Auf die Frage, ob die Aktie, die nachbörslich bereits mit 20% im Minus notierte, attraktiv sei, weil man in sechs Monaten wieder optimistischer sein könne, antwortete er, er habe keine Ahnung, wie lange die Rezession andauern werde. Auch weitere Versuche des Moderators, ihm zumindest eine kleine, optimistische Nuance zu entlocken, schlugen fehl. Ich habe nie zuvor einen so pessimistischen CEO gesehen. Und Fedex ist leider nicht nur eine Branche, die vielleicht vorübergehend unter die Räder kommt. Nein, Fedex ist ein global agierendes Logistikunternehmen, das in allen Branchen seine Finger im Spiel hat. Subramaniams Aussagen sollten wie eine Alarmglocke für die Notenbanken klingen, die gegebenenfalls zu schnell und zu stark in die restriktive Geldpolitik umgeschwungen sind. Nein, nicht in Europa, sondern in den USA. Oder anders ausgedrückt: Die Medizin von US-Notenbankchef Jay Powell zeigt Wirkung. Die Konjunktur kühlt ab, Immobilienpreise und Aktienmarkt steuern auf niedrigere Niveaus zu (auch das bremst die Inflation). Nächste Woche steht die nächste Zinsentscheidung an. Derzeit wird diskutiert, ob eine Zinsanhebung um 0,75% sinnvoll sei, oder aber sogar um 1,00%. In meinen Augen kann die Fed es bei 0,75% belassen und weitere Zinsschritte erst einmal auf Eis legen. Es dauert rund 9 Monate, bis sich die Notenbankentscheidungen in der Konjunkturentwicklung zeigen. Nach den heftigen Zinsanhebungen der vergangenen Monate besteht in den USA nun die Gefahr, dass die Fed übersteuert, weil sie die Wirkung ihrer Aktionen nicht abwartet. Tesla legt Batteriefabrik in Deutschland auf Eis, Wettbewerb zieht an Bereits Ende der Vorwoche wurde in den USA bekannt, dass Tesla den Bau einer eigenen Lithium-Raffinerie in Texas in Erwägung zieht. Ich erinnere mich, dass Gründer und CEO Elon Musk vor einigen Monaten bekannt gab, Tesla müsse sein eigenes Lithium produzieren, da die Preise in die Höhe geschossen seien. Nun möchte Elon Musk also in Texas eine Lithium-Raffinerie bauen, die erste ihrer Art in Nordamerika. Der Bundesstaat Texas hat ihm weitreichende Förderungen zugestanden. Der Bau der Batteriefabrik bei Berlin, Grünheide, sollte eigentlich bis Anfang nächsten Jahres abgeschlossen sein. Nun werde das Projekt "niedriger priorisiert", höchste Priorität habe das Werk in Texas und dazu sollen gegebenenfalls Material aus Grünheide und deutsche Ingenieure beitragen. Als Grund werden tatsächlich die derzeit günstigen Förderbedingungen in den USA angegeben: US-Präsident Joe Biden hatte das Inflationsbekämpfungs- und Klimaschutzgesetz vorangetrieben. Aufgeschoben heißt nicht aufgehoben: Die Batteriefabrik Grünheide werde anschließend fertig gestellt. Mich interessiert insbesondere die Versorgungslage hier in Deutschland. Inzwischen ist auch die deutsche Autoindustrie aufgewacht und sichert sich aktiv jegliche Rohstoffkapazitäten, die verfügbar sind. So berichtete ich vor zwei Wochen im Heibel-Ticker von meinem Gespräch mit Dirk Harbecke, Vorstand von Rock Tech Lithium. Er möchte den ersten Lithium-Konverter (=Raffinerie) in Deutschland seit Jahrzehnten bauen. Wenn die Produktion Ende 2024 anläuft, ist ein Großteil des Lithiumhydroxids bereits heute verkauft, unter anderem an Mercedes. Die USA fördern also Unternehmen, die sich der heimischen Batterieproduktion verschreiben, mit Hilfe des Klimaschutzgesetzes. Deutschland zieht hier zunächst den Kürzeren. Doch ich gehe davon aus, dass unsere Politik früher oder später ebenfalls die Notwendigkeit erkennt, solche Vorhaben zu unterstützen. Wobei, wenn ich mir unser aktuelles politisches Dreigestirn anschaue, dann wohl eher später. Schauen wir nun einmal, wie sich die turbulente Woche in der Wochenveränderung der wichtigsten Indizes niederschlägt: Wochenperformance der wichtigsten Indizes INDIZES (15.09.22) Woche Δ Σ '22 Dow Jones 30.802 -4,2% -15,2% DAX 12.741 -2,7% -19,8% Nikkei 27.568 -2,3% -4,3% Shanghai A 3.276 -4,2% -14,1% Euro/US-Dollar 1,00 -0,3% -11,7% Euro/Yen 143,06 0,0% 9,4% 10-Jahres-US-Anleihe 3,45% 0,15 1,94 Umlaufrendite Dt 1,68% 0,22 1,96 Feinunze Gold $1.676 -2,3% -8,1% Fass Brent Öl $91,47 -0,4% 16,1% Kupfer $7.685 -4,9% -20,7% Baltic Dry Shipping $1.612 36,8% -27,3% Bitcoin $19.582 -7,8% -58,3% Der Ölpreis ist diese Woche um 1% auf 91 USD/Fass Brent abgesackt. Das US-Pendant notiert aktuell bei 85 USD/Fass WTI. Der Ölpreis war bereits vor Kriegsbeginn von 65 auf 85 USD/Fass WTI angesprungen. Die US-Regierung unter Joe Biden hat daraufhin bekannt gegeben, die strategische Ölreserve des Landes anzuzapfen, um eine weitere Preisexplosion zu verhindern. Jeden Tag wurden aus der 600 Mio. Fass umfassenden Reserve 1 Mio. Fässer zusätzlich in den Markt gegeben, nach einem halben Jahr also bis zu 180 Mio. Fässer. So ist der Bestand seither auf nur noch 442 Mio. Fässer reduziert worden, das ist der niedrigste Stand seit 1984. Zwischenzeitlich stieg der Ölpreis noch bis auf 123 USD/Fass WTI. Inzwischen läuft er jedoch in Richtung 80 USD/Fass. Auf diesem Niveau, so war diese Woche zu hören, werde man in Erwägung ziehen, die strategische Ölreserve wieder aufzustocken. Sprich: Statt 1 Mio. Fässer am Tag zusätzlich in den Markt zu geben, könnte die US-Regierung künftig wieder als Nachfrager auf dem Markt auftreten. Die OPEC+ diskutiert um die Senkung der täglichen Ölförderung um 100.000 Fässer ab Oktober und zog sich starke Kritik zu, in dem angespannten Umfeld die Fördermenge zu kürzen. Nun könnte die US-Regierung die 10-fache Menge aus dem Markt nehmen und zusätzlich noch Öl vom Markt kaufen. Ich denke, das dürfte den Ölpreis kräftig stützen. Auf der anderen Seite deutet die Aussage darauf hin, dass ein Ölpreis unter 80 USD/Fass WTI durchaus zu erwarten ist. Sei es durch eine Rezession, sei es durch eine Normalisierung der Lieferketten. | ||
Für Inhalt und Rechtmäßigkeit dieses Beitrags trägt der Verfasser Stephan Heibel die alleinige Verantwortung. (s. Haftungshinweis) | ||
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